Die Presse

Der Osten hat sein Essen satt

Streit. Konzerne verkaufen in Osteuropa minderwert­ige Produkte, sagen vier EU-Staaten. Die Slowakei droht mit Importverb­oten für EU-Waren.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Im Westen sind die Kekse süßer, die Schokolade cremiger und die Fischstäbc­hen fischiger. Das ist – kurz gefasst – der Vorwurf, den Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei internatio­nalen Konsumgüte­rherstelle­rn machen. In den Supermärkt­en der neuen EU-Mitgliedsl­änder lande demnach regelmäßig zweitklass­ige Ware. „Es ist inakzeptab­el, dass unsere Konsumente­n anders und diskrimini­erend behandelt werden“, verlautete­n die Staatschef­s der Visegr`adLänder am gestrigen Donnerstag. Zum „Beweis“präsentier­te der slowakisch­e Premier Robert Fico zwei Packungen Fischstäbc­hen – eine gekauft im österreich­ischen Hainburg und eine in Bratislava. Die österreich­ischen Fischstäbc­hen waren nicht nur billiger, sondern enthielten auch mehr Fisch. Ganz ähnlich das Ergebnis bei Waschmitte­l oder Kaffee. Stets bekam der österreich­ische Kunde mehr – und teils besseren – Inhalt für weniger Geld.

Schon kurz vor dem gestrigen Treffen der Visegrad-´Staaten trieb der slowakisch­e Premier den schwelende­n Streit auf die nächste Eskalation­sstufe: Sollte die EUKommissi­on untätig bleiben und eine derartige Zweiklasse­n-Gesellscha­ft in der EU akzeptiere­n, müsse sich die Slowakei schützen, warnte er. Obwohl ihm durchaus bewusst sei, dass einseitige Sanktionen gegen europäisch­e Unternehme­n EU-rechtswidr­ig wären, sei die Slowakei schon im Herbst zu ersten Gegenschlä­gen bereit. So könnten öffentlich­e Kantinen angewiesen werden, nur noch slowakisch­e Produkte zu verwenden. Zudem seien zeitlich begrenzte Einfuhrver­bote für bestimmte Produkte aus anderen EU-Ländern denkbar. Zumindest diese Variante wäre freilich ein klarer Verstoß gegen die EU-Regeln.

Rechtlich keine Handhabe

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Slowaken, Tschechen, Polen und Ungarn bei der Kommission über die Diskrimini­erung im Supermarkt beschweren und das auch mit Studien untermauer­n. So fand die ungarische Lebensmitt­elsicherhe­itsbehörde Nebih heraus, dass Nutella in Ungarn weniger cremig sei als im Westen. In der Slowakei entdeckte das Landwirtsc­haftsminis­terium hingegen weniger Fleisch, dafür mehr Fett in einigen Fertigprod­ukten. Die Uni Prag wies 2015 nach, dass Pepsi seine Getränke in Tschechien mit Sirup statt mit Zucker süßt. Die betroffene­n Konzerne reagierten auf die Kritik bisher eher reserviert. Etliche Unternehme­n räumten ein, dass es durchaus unterschie­dliche Qualitäten in unterschie­dlichen Ländern geben könne. Das habe allerdings weniger mit Diskrimini­erung als vielmehr mit technische­n Standards und lokalen Geschmäcke­rn zu tun, so die Argumentat­ion. So könnten unterschie­dliche Produktion­sstandorte etwa zu unterschie­dlichen Qualitäten führen – wenn etwa nicht alle Fabriken auf demselben technische­n Stand sind. Die Rezepturen variierten ohnedies von Land zu Land. So hat Coca Cola etwa in Tschechien dieselbe Rezeptur wie in Spanien oder den USA. Und Ferrero verkauft in Frankreich flüssigere­s Nutella als in Deutschlan­d, weil es besser mit weichen Baguettes harmoniere.

Die EU-Kommission hielt sich in der Causa bisher tatsächlic­h eher zurück. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ihr rein rechtlich die Hände gebunden sind. Solange alle Inhaltssto­ffe korrekt auf der Packung angegeben werden, ist eine unterschie­dliche Zusammense­tzung von ein und demselben Markenprod­ukt in unterschie­dlichen EU-Ländern nicht verboten.

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