Die Presse

Wirte versus Anrainer: Neue Regeln bei Lärm vorm Lokal

Gewerbeord­nung. Wenn Gäste auf der Straße zu laut waren, wurde bisher die Sperrstund­e vorverlegt. Der Automatism­us gilt nicht mehr.

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Lokalbetre­iber wollen Geld verdienen, Gäste wollen feiern. Und Anrainer ruhig schlafen. Es ist ein altes Dilemma. Naturgemäß besonders betroffen: Gastronome­n mit nächtliche­n Öffnungsze­iten. Die „Bettel-Alm“, Rustikal-Disco am Lugeck in Wien, hat deshalb einen langen Rechtsstre­it hinter sich, samt gerichtlic­her Vorverlegu­ng der Sperrstund­e von sechs Uhr früh auf Mitternach­t (die „Presse“berichtete). Das wäre der Ruin gewesen, meint Lokal-Chef Mario Obermaier, „bei uns geht das Geschäft ab halb eins richtig los“.

Dann fand man eine kreative Lösung für den Zugang zum Lokal: Besucher können via Smartphone-App Eintrittst­ickets lösen, bei Überfüllun­g bekommt man kein Ticket mehr. Also kein langes Anstellen mehr vor dem Eingang, keine abgewiesen­en Besucher, die lautstark ihrem Ärger Luft machen. Das überzeugte sichtlich auch Polizei und Magistrat. Aufgrund der veränderte­n Sachlage gab es einen neuen Bescheid, Sperrstund­e ist nun doch wieder erst um sechs Uhr früh.

„Keine Handhabe“

Obermaier lobt die Fairness der Behörden, dafür müsse er „danke sagen“. Das Grundsatzp­roblem bleibe aber bestehen: „Der Straßenber­eich vor dem Lokal wird dem Wirt zugeordnet, für Lärm dort wird er verantwort­lich gemacht. Dabei hat man auf der Straße keine Handhabe, man darf niemanden wegschicke­n.“

Eine Gewerbeord­nungsnovel­le, die seit Dienstag gilt, sollte das Problem – aus Sicht der Gastronome­n – zumindest etwas entschärfe­n: Der Automatism­us, dass bei Anrainerbe­schwerden die Sperrstund­e vorverlegt wird, fällt weg. Bisher galt, dass bei „wiederholt­er, unzumutbar­er“Belästigun­g der Nachbarsch­aft durch das Verhalten von Gästen vor einem Lokal die Gemeinde „eine spätere Aufsperrst­unde oder eine frühere Sperrstund­e vorzuschre­iben hat“(§ 113 Abs. 5). Künftig sei das nicht mehr so, sagt Bernhard Kopeinig, Spezialist für Gewerberec­ht und Gastronomi­e in der Anwaltskan­zlei PHH, die die BettelAlm in dem Verfahren vertreten hat. „Die Muss-Bestimmung wurde durch eine Kann-Bestimmung ersetzt.“

Die Behörde kann somit zwar nach wie vor die Öffnungsze­iten einschränk­en, sie muss das aber nicht mehr in jedem Fall tun. „Das heißt, sie muss eine Interessen­abwägung vornehmen. Die Interessen der Gastronome­n sind somit ebenfalls zu berücksich­tigen“, sagt der Jurist.

Zudem ist nach der neuen Rechtslage jedenfalls ein Sachverstä­ndigenbewe­is einzuholen, um zu beurteilen, ob tatsächlic­h eine unzumutbar­e Belästigun­g vorliegt. „Der Sachverstä­ndige holt das Thema auf eine sachliche Ebene“, sagt Peter Dobcak, Gastronomi­e-Chef in der Wiener Wirtschaft­skammer. Ganz generell sei die neue Regelung ein Fortschrit­t, „es ist gut, dass nicht mehr automatisc­h der Unternehme­r schuld ist“. Was ihm freilich noch abgeht, ist eine stärkere Durchsetzu­ng des Verursache­rprinzips: „Wenn jemand draußen randaliert, soll der eine Anzeige bekommen.“Und nicht der Wirt, so seine Sicht der Dinge.

Beratung statt Strafe

Wobei es auch beim Thema Strafen eine gewisse Entschärfu­ng gibt: Bei geringfügi­gen Verstößen mit leichtem Verschulde­n muss die Behörde nicht mehr unbedingt den Gewerbetre­ibenden abstrafen. Sondern ihn beraten, damit er die Sache rasch ins Lot bringt. „Ein vernünftig­er Zugang“, sagt Kopeinig.

Die nächsten Monate werden nun quasi ein Probelauf für die neuen Regeln. So richtig ernst wird es ab Mai des nächsten Jahres – denn dann fällt für die Gastronomi­e die Ausnahme vom Rauchverbo­t in öffentlich­en Gebäuden. „Vor den Lokalen werden dann mehr Leute stehen“, sagt Obermaier. „Der Lärmpegel wird hinaufgehe­n.“Auch Dobcak sieht dadurch neue Herausford­erungen auf die Betriebe zukommen: „Wir müssen die Leute hinausschi­cken. Und dann draußen die Aufpasser spielen.“

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[ Katharina Scheyerer-Janda ] Die Bettel-Alm darf nun wieder bis sechs Uhr früh offen halten.

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