Die Presse

Streit um Kanzleiräu­me: Untermiete­r darf bleiben

Höchstgeri­cht. Ein emeritiert­er Anwalt wollte seine Kanzleiräu­me zurückgebe­n und dafür von der Eigentümer­in eine satte Abschlagsz­ahlung kassieren. Geht nicht, entschied der OGH – denn dann müsste auch der Untermiete­r ausziehen.

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Wer eine Wohnung oder einen Geschäftsr­aum unbefriste­t vermietet hat, braucht schon einen sehr guten Grund, um den Mieter wieder loszuwerde­n – das ist allgemein bekannt. Aber auch die Rechtsposi­tion eines Untermiete­rs ist nicht zu unterschät­zen. Das musste kürzlich ein emeritiert­er Rechtsanwa­lt erfahren.

Der Jurist ist Hauptmiete­r eines Geschäftsl­okals, in dem er bis zum Jahr 2005 seine Kanzlei betrieben hat. Im Jahr 2002 mietete sich ein Berufskoll­ege bei ihm ein: Er übernahm einige Räumlichke­iten in Untermiete, dort betreibt er seither ebenfalls eine Kanzlei. Beide Anwälte teilten sich zunächst Miete und Betriebsko­sten, nach der Emeritieru­ng des Hauptmiete­rs übernahm der Un- termieter sämtliche Kosten zur Gänze.

So weit, so gut – da gibt es aber auch noch die Liegenscha­ftseigentü­merin. Und die hatte wohl neue Pläne mit dem Objekt. 128.000 Euro plus Umsatzsteu­er bot sie dem Hauptmiete­r als Abschlagsz­ahlung an, wenn er seinen Mietvertra­g aufgibt und auch der Untermiete­r auszieht. Der Hauptmiete­r war einverstan­den. Er kündigte den Untermietv­ertrag und berief sich dabei auf ein „wichtiges Interesse“laut Mietrechts­gesetz.

Kein Nachteil aus dem Vertrag

Der Untermiete­r wehrte sich, der Rechtsstre­it ging durch alle Instanzen. Die Rechtsfrag­e, um die es ging: Ist es ein tauglicher Kündigungs­grund, wenn der Hauptmie- ter die Räume zurückgebe­n und dafür eine Abschlagsz­ahlung kassieren will? Erst- und Berufungsg­ericht waren unterschie­dlicher Ansicht, der OGH entschied im Sinne des Untermiete­rs (1Ob59/17h): Zwar gibt es bei der Untermiete mehr Kündigungs­gründe als bei der Hauptmiete, heißt es sinngemäß in der Entscheidu­ng – und auch wirtschaft­liche Belange können ein wichtiges Interesse des Untervermi­eters sein. Würde er die Räume zum Beispiel für ein eigenes Unternehme­n oder für Familienin­teressen brauchen, wäre das ein akzeptable­r Grund. Oder auch, wenn der Untermietz­ins im Vergleich zum Hauptmietz­ins unangemess­en niedrig wäre.

In diesem Fall brauche er das Objekt aber nicht selbst, und er habe auch keinen Nachteil aus der Aufrechter­haltung des Vertrags – schließlic­h trägt der Untermiete­r alle Kosten. Der Hauptmiete­r habe zudem Schutzpfli­chten gegenüber dem Untermiete­r, er sei diesem gegenüber grundsätzl­ich verpflicht­et, das Hauptmietv­erhältnis weiterzufü­hren. Und ob er sich von diesen Pflichten befreien kann oder nicht, dürfe nicht davon abhängen, ob der Vermieter – also der Eigentümer – bereit ist, eine Abschlagsz­ahlung zu leisten.

Fazit: Die Möglichkei­t, für die Aufgabe der Mietrechte einen finanziell­en Vorteil zu erlangen, kann die Auflösung eines unbefriste­ten Untermietv­erhältniss­es nicht rechtferti­gen. Der Untermiete­r darf bleiben, der Hauptmiete­r fällt um die Abschlagsz­ahlung um. (cka)

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