IBM verpasst den Strategieschwenk
IT-Industrie. Der Computerpionier verzeichnet wieder einen Umsatzminus – das 21. Quartal in Folge. Neue Bereiche wie Cloud-Computing wachsen nicht schnell genug.
Armonk. Warren Buffett hatte – wieder einmal – den richtigen Riecher: Die US-Investorenlegende stieß in den ersten Monaten dieses Jahres ein Drittel ihrer Anteile an IBM ab. Buffett hat offenbar den richtigen Zeitpunkt erwischt: Zum einen hat er mit dem Verkaufspreis von 180 Dollar je Aktie ein Zweijahres-Hoch erwischt, das nicht so bald wiederkommen dürfte. Zum anderen hat er verdient, weil er bei durchschnittlich 170 Dollar eingestiegen war.
Seit dem Hoch am 1. März von 182 Dollar, an das sich das Papier seit einem Jahr tapfer herangekämpft hatte, geht es nämlich wieder steil bergab. Nicht ohne Grund: Beim weltgrößten ITDienstleister und der einstigen Computerlegende IBM bröckelt nicht nur der Aktienkurs. Der Konzern meldete am Dienstagabend erneut enttäuschende Quartalszahlen – mit dem 21. Umsatzrückgang in Folge.
Insgesamt fiel der Umsatz überraschend kräftig um fünf Prozent auf 19,3 Mrd. Dollar. Auch der Nettogewinn sank – sogar um sieben Prozent auf 2,3 Mrd. Dollar.
Was aber noch schwerer wiegt: Im zweiten Quartal sank nicht nur der Umsatz in der schon länger schwächelnden Hardware-Sparte, wie der US-Konzern am Dienstag mitteilte. Nun verlangsamte sich auch das Wachstum im zukunftsträchtigen Geschäft mit CloudComputing, Cybersicherheit, Datenanalyse und künstlicher Intelligenz. Hier legten die Einnahmen nur noch um fünf Prozent zu, nachdem es zuvor noch zweistellige Zuwachsraten gab.
In der gesamten IT-Branche verliert das angestammte Hardware-Geschäft zunehmend an Bedeutung. Neben Sicherheitssoftware und Datenanalyse setzte IBM-Chefin Ginni Rometty deshalb vor allem verstärkt auf das Geschäft mit der sogenannten Datenwolke (Cloud-Computing). Dort ist IBM allerdings dem Druck von Rivalen wie Oracle, SAP, Amazon und Microsoft ausgesetzt, die ebenfalls auf Cloud-Dienste setzen. Die Unternehmen folgen damit dem Trend weg von klassischer Software hin zu Anwendungen, die auf Servern fernab vom Kunden laufen.
Künstliche Intelligenz fällt ab
Aber auch im zweiten zukunftsträchtigen Bereich, der künstlichen Intelligenz mit dem Supercomputer Watson, läuft es nicht nach Wunsch. Hatte der Bereich in den vergangenen vier Quartalen noch zugelegt, so gab es nun im zweiten Quartal dort einen Um- satzrückgang von 2,5 Prozent. Auch da macht sich die zunehmende Konkurrenz bemerkbar: Microsoft, die Google-Mutter Alphabet und Amazon investieren ebenso in künstliche Intelligenz. Außerdem stehen hunderte Startups in den Startlöchern. „Watson dürfte nie einen signifikanten Beitrag leisten“, meint Jefferies-Analyst James Kisner illusionslos. „IBM scheint im Krieg um die Vorherrschaft bei künstlicher Intelligenz unterlegen.“
Die einmal mehr enttäuschenden Zahlen schüren die Sorgen bei Anlegern, dass der Konzern mit seinem Strategieschwenk nicht wie geplant vorankommt. Das bringt auch Rometty massiv unter Druck. Noch bevor sie 2012 die Führung übernahm, hatte sich der Konzern einen Totalumbau hin zu Services und Software verschrieben. Schon 2004 wurde die PC-Sparte an die chinesische Lenovo verkauft – ein damals spektakulärer Schritt.
Rometty hat die Erneuerung vehement vorangetrieben, fünf Jahre nach ihrem Amtsantritt zeichnet sich jedoch noch immer kein signifikanter Fortschritt ab. Die Managerin droht den Kampf gegen die Zeit zu verlieren. Zukunftsträchtige Geschäftsbereiche wachsen nicht schnell genug, um den Schwund in alten Kernbereichen wettzumachen. (Reuters/eid)