Wann bekommt endlich „Jederfrau“ihren Buhl?
Es sind längst nicht mehr nur ideale Frauenkörper, die zur „Waffe“optimiert werden. Die Körperpolitik ist heute diverser, aber auch gnadenloser. Die Körperpolitik wird nicht besser, nur weil sie vielfältiger ist. Nur gnadenloser.
Reden wir also über die „Buhlschaft“. Übers kurze, schwarze Kleid, das sie heuer erstmals tragen wird. Den „Traum in rosa Tüll“, in dem sie letztendlich doch noch zur letalen Party Jedermanns erscheint – ein Auftritt tatsächlich provokanten textilen und körperlichen Volumens. Denn heuer wird kein magerer LolitaKörper unters Volk geworfen. Sondern Stefanie Reinsperger.
Als „Vollweib“oder „Superweib“betitelte man 2002 schon die ebenfalls nicht ausgezehrte Veronica Ferres als Buhlschaft. Reinsperger wäre dement- sprechend also ein „Supergirl“oder „Vollmädchen“, jedenfalls sei sie eine „Wucht“, wird verlautbart. Was dazu passt, dass Reinsperger ihre Buhlschaft „auf Augenhöhe“mit Jedermann anlegen will, wovon die ersten Fotos der Neuinszenierung nicht sprechen, da liegt sie einmal in üblicher Buhlschafts-Pose vor dem Lotter-Lover auf dem Tisch, das andere Mal kniet sie vor ihm. Aber das sind Momentaufnahmen, Premiere ist am Freitag.
Dennoch liegt in dieser bewusst das Trophy-Girl-Klischee brechenden Besetzung einiges an Reflexionspotenzial. Ist die Buhlschaft doch das, was in Frankreich die „Marianne“ist – in ihr personifiziert sich das gängige Frauenideal. Und das war eben noch nie so divers, so in alle Extreme zerfranst wie heute. Magermodels und Kurvenwun- der, mächtige Mutterfrauen und dürre Präsidentengattinnen in allen Altersvariationen prägen 2017 das mediale Frauenbild. Was alle eint, ist der bewusste Einsatz des Körpers. Der Körper ist nicht mehr Kampfzone, wie Feministinnen früher sagten. Er ist zur Waffe selbst geworden, ob als spitzer Pfeil oder als Panzer. Nicht umsonst fällt einem dazu Maria Theresia ein, deren Doppelkinn einen durch die aktuelle Ausstellung im Unteren Belvedere begleitet. Sie erhielt ihre Macht durch ihren Mutterkörper, der langsam zum Berg anwuchs. Wie Angela Merkel sich über die Jahrzehnte zum unangreifbaren Unisex-Block wandelte, wie die Fotos von Herlinde Kölbl in der Kunsthalle Wien zeigen.
Je mehr körperliches Volumen, desto mehr Macht in der Männerwelt also? Während im Damenprogramm das Prinzip spitzer Pfeil herrscht? Immer noch? Ja. Aber nicht ausschließlich. Die Körperpolitik wird nicht besser, weil sie vielfältiger ist. Nur gnadenloser. Und bezieht schon längst – siehe Slimfit-Hype – die Männer mit ein, zumindest in Führungspositionen. Jedes Kilo rauf oder runter, jedes „Styling“, jeder Makel wird zum Kommunikations-Tool optimiert. Das ist Gleichberechtigung 2017.
So gesehen ist Reinsperger heuer eine glatte „Fehlbesetzung“. Sie hätte gleich die „Jederfrau“geben sollen. Und Tobias Moretti den Buhl. Und das am besten unter der ersten weiblichen Regisseurin seit der Premiere vor fast 100 Jahren.