Ehe, Drogen und Drama im Mittleren Westen
Serie. Ein biederer, privat und beruflich fadisierter Familienvater mutiert in „Ozark“zum Ganoven. Die neueste NetflixSerie erinnert in vielerlei Hinsicht an „Breaking Bad“.
Was tut man nicht alles, um die eigene Haut zu retten? Investmentberater Marty Byrde versucht es mit Geldwäsche für ein skrupelloses mexikanisches Drogenkartell, das seinen Geschäftspartner per Kopfschuss ins Jenseits befördert und einen ahnungslosen, unschuldigen Nachbarn vom Balkon stößt. Nun muss Marty seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, denn sein Kompagnon hat Drogengeld abgezweigt (und wenn Marty davon schon nicht wusste, so war er doch Zeuge des Mordes). Aber statt sich frei zu strampeln, verheddert er sich immer tiefer in den Fallstricken von Lüge und Betrug. Ein biederer, in Ehe und Job fadisierter Familienvater, der seine sexuellen Fantasien mit Pornos befriedigt, mutiert in „Ozark“zum Ganoven – da erinnert die neueste Netflix-Serie an „Breaking Bad“mit dem ins kriminelle Segment kippenden Chemieprofessor Walter White. Allerdings muss Byrde seine Frau Wendy sofort ins Vertrauen ziehen . . .
Um sich besser den kriminellen Machenschaften widmen zu können, übersiedelt die ganze Familie in die Ozark Mountains im Grenzgebiet zwischen Arkansas, Missouri und Oklahoma (weit weg vom Auge des Gesetzes, so meint Marty zumindest), wo sich jedes Jahr eine reiche Klientel zur Sommerfrische einfindet. Hier soll Marty fünf Millionen Dollar weiß waschen. Das ist sein Aufnahmetest in das Kartell: Schafft er es, darf er weiterleben . . . Und dort muss er auch die zerbröckelnde Fassade seiner Familie so gut wie möglich aufrecht erhalten. „Ozark“ist Geldwäsche-Thriller und Ehedrama in einem, denn Marty und Wendy haben einander von Anfang an nichts mehr zu sagen – müssen aber zwangsläufig zusammenarbeiten: „Wir sind keine Eheleute mehr“, sagt Mary, „wir sind Businesspartner“.
Serienmacher Bill Dubuque versucht es auch mit ein wenig Sozialkritik – und lässt gleich zu Beginn der ersten Folge über den Sinn und die Bedeutung des Geldes sinnieren, und über die große Kluft zwischen Arm und Reich in Amerika: Die Hälfte der Erwachsenen hätten mehr KreditkartenSchulden als Ersparnisse, erzählt eine Stimme aus dem Off, als wollte man alle weiteren kriminellen Handlungen wenn schon nicht entschuldigen, so doch zumindest erklären. Ein Viertel der Leute müssten ganz ohne Ersparnisse auskommen, heißt es weiter. Was die Belehrung soll, erschließt sich nicht wirklich, denn dass auch in Ozark arme Schlucker leben, die abgehalftert oder krank sind, wird ohnehin bald deutlich. Auch der Obergangster gefällt sich als Moralapostel – und lässt die Delinquenten erst darüber nachdenken, wie man sich einem kleinen Dieb gegenüber verhalten sollte, bevor er ihr Leben auslöscht.
Thriller und Comedy in einem
Jason Bateman (bekannt von „Kill the Boss“) ist als Marty ein einerseits rührender Papa, der seine schlafenden Kinder küsst, bevor er zu Bett geht, der aber in seiner kriminellen Gegenwelt mit einer erstaunlichen Kaltschnäuzigkeit agiert. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass er noch Gefallen findet am Gangsterleben – so wie Walter White, der in „Breaking Bad“erst aus Verzweiflung, aber mit zunehmendem Vergnügen Drogen kocht. Dabei ziehen beide Serien auch einen gewissen Charme daraus, dass man ihre Hauptdarsteller aus amüsanten Rollen kennt: Die kriminelle Energie, die hier zu allerlei verzwickten Wendungen führt, lässt sich auch als Comedy inszenieren. Bateman könnte beides: den Thriller und die Comedy. Und er hat mit Laura Linney („The Big C“) eine exzellente Darstellerin als Martys Ehefrau Wendy zur Seite. Auch sie ist nicht die biedere Hausfrau, die sie scheint. Und in Folge zwei ist man sich schon nicht mehr so sicher, ob sie nicht die talentiertere Kriminelle ist als er.