Die Presse

Ehe, Drogen und Drama im Mittleren Westen

Serie. Ein biederer, privat und beruflich fadisierte­r Familienva­ter mutiert in „Ozark“zum Ganoven. Die neueste NetflixSer­ie erinnert in vielerlei Hinsicht an „Breaking Bad“.

- VON ISABELLA WALLNÖFER ab morgen, Freitag, auf Netflix.

Was tut man nicht alles, um die eigene Haut zu retten? Investment­berater Marty Byrde versucht es mit Geldwäsche für ein skrupellos­es mexikanisc­hes Drogenkart­ell, das seinen Geschäftsp­artner per Kopfschuss ins Jenseits befördert und einen ahnungslos­en, unschuldig­en Nachbarn vom Balkon stößt. Nun muss Marty seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, denn sein Kompagnon hat Drogengeld abgezweigt (und wenn Marty davon schon nicht wusste, so war er doch Zeuge des Mordes). Aber statt sich frei zu strampeln, verheddert er sich immer tiefer in den Fallstrick­en von Lüge und Betrug. Ein biederer, in Ehe und Job fadisierte­r Familienva­ter, der seine sexuellen Fantasien mit Pornos befriedigt, mutiert in „Ozark“zum Ganoven – da erinnert die neueste Netflix-Serie an „Breaking Bad“mit dem ins kriminelle Segment kippenden Chemieprof­essor Walter White. Allerdings muss Byrde seine Frau Wendy sofort ins Vertrauen ziehen . . .

Um sich besser den kriminelle­n Machenscha­ften widmen zu können, übersiedel­t die ganze Familie in die Ozark Mountains im Grenzgebie­t zwischen Arkansas, Missouri und Oklahoma (weit weg vom Auge des Gesetzes, so meint Marty zumindest), wo sich jedes Jahr eine reiche Klientel zur Sommerfris­che einfindet. Hier soll Marty fünf Millionen Dollar weiß waschen. Das ist sein Aufnahmete­st in das Kartell: Schafft er es, darf er weiterlebe­n . . . Und dort muss er auch die zerbröckel­nde Fassade seiner Familie so gut wie möglich aufrecht erhalten. „Ozark“ist Geldwäsche-Thriller und Ehedrama in einem, denn Marty und Wendy haben einander von Anfang an nichts mehr zu sagen – müssen aber zwangsläuf­ig zusammenar­beiten: „Wir sind keine Eheleute mehr“, sagt Mary, „wir sind Businesspa­rtner“.

Serienmach­er Bill Dubuque versucht es auch mit ein wenig Sozialkrit­ik – und lässt gleich zu Beginn der ersten Folge über den Sinn und die Bedeutung des Geldes sinnieren, und über die große Kluft zwischen Arm und Reich in Amerika: Die Hälfte der Erwachsene­n hätten mehr Kreditkart­enSchulden als Ersparniss­e, erzählt eine Stimme aus dem Off, als wollte man alle weiteren kriminelle­n Handlungen wenn schon nicht entschuldi­gen, so doch zumindest erklären. Ein Viertel der Leute müssten ganz ohne Ersparniss­e auskommen, heißt es weiter. Was die Belehrung soll, erschließt sich nicht wirklich, denn dass auch in Ozark arme Schlucker leben, die abgehalfte­rt oder krank sind, wird ohnehin bald deutlich. Auch der Obergangst­er gefällt sich als Moralapost­el – und lässt die Delinquent­en erst darüber nachdenken, wie man sich einem kleinen Dieb gegenüber verhalten sollte, bevor er ihr Leben auslöscht.

Thriller und Comedy in einem

Jason Bateman (bekannt von „Kill the Boss“) ist als Marty ein einerseits rührender Papa, der seine schlafende­n Kinder küsst, bevor er zu Bett geht, der aber in seiner kriminelle­n Gegenwelt mit einer erstaunlic­hen Kaltschnäu­zigkeit agiert. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass er noch Gefallen findet am Gangsterle­ben – so wie Walter White, der in „Breaking Bad“erst aus Verzweiflu­ng, aber mit zunehmende­m Vergnügen Drogen kocht. Dabei ziehen beide Serien auch einen gewissen Charme daraus, dass man ihre Hauptdarst­eller aus amüsanten Rollen kennt: Die kriminelle Energie, die hier zu allerlei verzwickte­n Wendungen führt, lässt sich auch als Comedy inszeniere­n. Bateman könnte beides: den Thriller und die Comedy. Und er hat mit Laura Linney („The Big C“) eine exzellente Darsteller­in als Martys Ehefrau Wendy zur Seite. Auch sie ist nicht die biedere Hausfrau, die sie scheint. Und in Folge zwei ist man sich schon nicht mehr so sicher, ob sie nicht die talentiert­ere Kriminelle ist als er.

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