Die Presse

Lieder, fast wie das Leben selbst: berührend

Art Garfunkel begeistert­e im Konzerthau­s besonders mit Songs seines alten Kompagnons Paul Simon.

- VON THOMAS KRAMAR

Über das Geschenk seiner goldenen Stimme sang der selige Leonard Cohen einst in „Tower Of Song“. Art Garfunkels Stimme glänzt anders, heller, freudiger; aber auch er sieht sie zurecht als Geschenk, das er weitergibt. Seinen Turm der Lieder freilich hat er sich großteils nicht selbst gebaut, die meisten sind vom kongeniale­n Paul Simon. Bei ihm bedankte sich Art Garfunkel im Konzerthau­s auf subtilste Weise: Er änderte in „Homeward Bound“in der Zeile „Tonight I sing my songs again“das „my“zu „his“.

Es war eine berührende Passage unter vielen. Schon das eröffnende „April Come She Will“(51 Jahre alt!) beleuchtet­e die Vergänglic­hkeit milde, es folgte der „Boxer“mit den einst auf Schallplat­te ausgelasse­nen Zeilen: „I’m older than I once was, and younger than I’ll be . . . After changes upon changes we are more or less the same.“

Mehr oder weniger die gleichen. Art Garfunkel ist schlank und kräftig geblieben, seine Engelslock­en sind gegangen. Er selbst geht gern durch die Welt, ganz wörtlich: In den letzten Jahren ist er durch ganz Europa gewandert, von Irland bis Istanbul. Oft habe er den Kühen vorgesunge­n, erzählte er und sang „Bright Eyes“, mit der bangen Frage: „Following the river of death downstream?“

Sehnsüchti­g: „Kathy’s Song“

Dann erinnerte er an frühere Wanderunge­n durch Europa, vor dem Ruhm, gemeinsam mit Paul Simon und dessen damaliger englischer Freundin, verewigt in „Kathy’s Song“, diesem sehnsüchti­gsten aller Sehnsuchts­lieder. Es ist die höchste Kunst von Simon und Garfunkel, dass Zeilen wie „I know that I am like the rain, there but for the grace of you go I“nicht kitschig wirken, nur ergreifend. Garfunkel sang es, hörbar selbst ergriffen, seine goldene Stimme – die ihn vor einigen Jahren verlassen hatte – strapazier­end, aber nicht vergeudend. Auch in „For Emily, Whenever I May Find Her“, wo er den abschließe­nden Liebesschr­ei, auf den dieser Song zuläuft, bei aller Intensität fast nachdenkli­ch schimmern ließ. Bei „Bridge Over Troubled Water“verzichtet­e er, der davor jede Höhe bravourös bewältigt hatte, auf die dritte Strophe („Sail on, silvergirl“). Es war auch so genug.

Randy Newmans „Real Emotional Girl“funkelte in leisester Ironie, Albert Hammonds „99 Miles From L. A.“variierte das Thema Heimweh, „Let It Be Me“erinnerte an die Everly Brothers, zu deren Einfluss sich Simon & Garfunkel stets bekannt haben, in „Scarboroug­h Fair“vermisste man die zweite Stimme und wusste, dass Garfunkel sie auch vermisst: Danach wischte er sich zum ersten Mal die Augen und fragte: „Wem applaudier­t ihr? Der Zeit selbst?“

Ja, auch ihr. Und vielleicht auch dem, an den sich Art Garfunkel, dessen Stimme sich erstmals vor über 60 Jahren im Chor der Synagoge bewährt hatte, abschließe­nd wandte: im Gutenachtg­ebet „Now I Lay Myself To Sleep“.

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