Lieder, fast wie das Leben selbst: berührend
Art Garfunkel begeisterte im Konzerthaus besonders mit Songs seines alten Kompagnons Paul Simon.
Über das Geschenk seiner goldenen Stimme sang der selige Leonard Cohen einst in „Tower Of Song“. Art Garfunkels Stimme glänzt anders, heller, freudiger; aber auch er sieht sie zurecht als Geschenk, das er weitergibt. Seinen Turm der Lieder freilich hat er sich großteils nicht selbst gebaut, die meisten sind vom kongenialen Paul Simon. Bei ihm bedankte sich Art Garfunkel im Konzerthaus auf subtilste Weise: Er änderte in „Homeward Bound“in der Zeile „Tonight I sing my songs again“das „my“zu „his“.
Es war eine berührende Passage unter vielen. Schon das eröffnende „April Come She Will“(51 Jahre alt!) beleuchtete die Vergänglichkeit milde, es folgte der „Boxer“mit den einst auf Schallplatte ausgelassenen Zeilen: „I’m older than I once was, and younger than I’ll be . . . After changes upon changes we are more or less the same.“
Mehr oder weniger die gleichen. Art Garfunkel ist schlank und kräftig geblieben, seine Engelslocken sind gegangen. Er selbst geht gern durch die Welt, ganz wörtlich: In den letzten Jahren ist er durch ganz Europa gewandert, von Irland bis Istanbul. Oft habe er den Kühen vorgesungen, erzählte er und sang „Bright Eyes“, mit der bangen Frage: „Following the river of death downstream?“
Sehnsüchtig: „Kathy’s Song“
Dann erinnerte er an frühere Wanderungen durch Europa, vor dem Ruhm, gemeinsam mit Paul Simon und dessen damaliger englischer Freundin, verewigt in „Kathy’s Song“, diesem sehnsüchtigsten aller Sehnsuchtslieder. Es ist die höchste Kunst von Simon und Garfunkel, dass Zeilen wie „I know that I am like the rain, there but for the grace of you go I“nicht kitschig wirken, nur ergreifend. Garfunkel sang es, hörbar selbst ergriffen, seine goldene Stimme – die ihn vor einigen Jahren verlassen hatte – strapazierend, aber nicht vergeudend. Auch in „For Emily, Whenever I May Find Her“, wo er den abschließenden Liebesschrei, auf den dieser Song zuläuft, bei aller Intensität fast nachdenklich schimmern ließ. Bei „Bridge Over Troubled Water“verzichtete er, der davor jede Höhe bravourös bewältigt hatte, auf die dritte Strophe („Sail on, silvergirl“). Es war auch so genug.
Randy Newmans „Real Emotional Girl“funkelte in leisester Ironie, Albert Hammonds „99 Miles From L. A.“variierte das Thema Heimweh, „Let It Be Me“erinnerte an die Everly Brothers, zu deren Einfluss sich Simon & Garfunkel stets bekannt haben, in „Scarborough Fair“vermisste man die zweite Stimme und wusste, dass Garfunkel sie auch vermisst: Danach wischte er sich zum ersten Mal die Augen und fragte: „Wem applaudiert ihr? Der Zeit selbst?“
Ja, auch ihr. Und vielleicht auch dem, an den sich Art Garfunkel, dessen Stimme sich erstmals vor über 60 Jahren im Chor der Synagoge bewährt hatte, abschließend wandte: im Gutenachtgebet „Now I Lay Myself To Sleep“.