Die Presse

Wann kam der beste Freund?

Paläogenet­ik. Genome von alten Hundeknoch­en deuten darauf, dass der Wolf nur einmal domestizie­rt wurde, vor etwa 40.000 Jahren.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wenig ist so umstritten wie Ort und Zeit des Beginns der wunderbars­ten aller Freundscha­ften, der zwischen Hund und Mensch. Man weiß nicht einmal so recht, wer auf wen kam: Lange ging man davon aus, dass der Mensch der aktive Teil war, junge Wölfe fing und sie für seine Zwecke domestizie­rte, zum Jagen, als Wächter. Aber 2001 stellte Raymond Coppinger (Hampshire College) alles auf den Kopf: Nicht der Mensch sei auf den Hund (bzw. Wolf ) gekommen, sondern umgekehrt der auf ihn. Und zwar zu der Zeit, als die Menschen sesshafte Bauern wurden und auf ihren Müllplätze­n auch Speiserest­e aus Getreide entsorgten.

Die Idee galt lange als Spielerei, im Vorjahr wurde sie aber durch Genanalyse­n bestätigt: Die Stärke im Getreide wird von einem Enzym verwertet, einer Amylase. Eines ihrer Gene (Amy2B) hat sich bei vielen Menschen wieder und wieder verdoppelt. Aber nicht bei allen Menschen: Bei Inuit etwa, die von Fisch und Robben leben, blieb die Amylase schwach. Das ist sie auch bei Wölfen. Bei Hunden hingegen hat es oft Verdoppelu­ngen gegeben, und zwar spätestens vor 7000 Jahren in Rumänien und 5000 in Frankreich, da war die Landwirtsc­haft gerade von Anatolien gekommen.

Aber wann waren nun die Wölfe auf die Menschen gekommen? Der Streit wogt sowohl zwischen Archäologe­n und Genetikern wie auch innerhalb Letzterer: Die mit 33.000 Jahren ältesten und auch nicht ganz gesicherte­n Hundeknoch­en fanden sich in Sibirien, aber Genanalyse­n heutiger Hunde deuteten gar auf 135.000 Jahre.

Genome heutiger Hunde verwirren

Andere Genetiker kamen auf andere Zahlen, und bezüglich des Orts bildeten sich zwei Lager: Das eine vermutet, die Wölfe seien zwei Mal domestizie­rt worden, an verschiede­nen Enden der Erde, einmal in Ostasien, einmal in Europa. Das andere beharrt auf nur einer Domestikat­ion in Ostasien. Alle Versuche, mit Genomen heutiger Hunde Klarheit zu schaffen, scheiterte­n – weil vor allem im 19. Jahrhunder­t sehr viele Linien gezüchtet und manche ganz rein gehalten, andere gekreuzt wurden –, deshalb hat es Krishna Veeramah (New York) nun mit Paläogenet­ik versucht.

Zwei 7000 bzw. 4700 Jahre alte Knochen stammten aus Deutschlan­d, ein 5000 Jahre alter aus Irland. Aus ihrem Vergleich – und dem mit heutigen Hunden und Wölfen und aus dem Abschätzen der Mutationsr­aten – errechnete Veeramah, dass Wölfe und Hunde vor 36.900 bis 41.500 Jahren getrennte Wege gegangen sind, und dass sie das nur ein Mal getan haben (Nature Communicat­ions 18. 7.). Allerdings konzediert der Forscher, dass sein Wort nicht das letzte der Debatte sein wird. Die lässt sich erst schließen, wenn man mehr Paläoknoch­en analysiert.

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