Die Bankerin der Steiermark
Seit 400 Jahren ist die Fürstenfamilie Schwarzenberg im steirischen Murau zu Hause. Zum Jubiläum wird in einer Ausstellung daran erinnert, wie 1617 alles begonnen hat: mit einer geschäftstüchtigen und selbstbewussten Frau. Die Geschichte einer atemberaube
Sie war eine reiche Grundherrin, geschäftstüchtig, streng und zugleich mildtätig zu ihren Untertanen, heiratete sechsmal und wurde 88 Jahre alt. Anna Neumann, die „Neumannin“, wie man im 16. Jahrhundert sagte, war ihren Zeitgenossen unheimlich. Sie hatte eindeutig zu viele Ehemänner und den falschen Glauben. Die Protestantin geriet in den Verdacht der Hexerei, man sagte ihr nach, eine „weiße Leber“zu haben, sie habe durch ihren sexuellen Appetit ihre Ehemänner frühzeitig ins Grab gebracht. Reich war sie, weil sie als alleinerbende Tochter der vermögenden Handelsfirma Neumann aus Villach zu viel Geld kam und das ABC des Wirtschaftslebens von ihrer geschäftstüchtigen Mutter gelernt hatte. Und zu allem Überfluss sah sie auch noch gut aus.
1574 erwarb sie von der verschuldeten Familie Liechtenstein um 76.000 Gulden die Herrschaft Murau, eines der größten Besitztümer des Herzogtums Steiermark im damaligen Innerösterreich. Das war das Ende einer jahrhundertealten Tradition, die bis auf den berühmten Minnesänger Ulrich von Liechtenstein zurückging, der im 13. Jahrhundert die Burg Murowe (Murau) erbaute. Doch nun konnte die Adelsfamilie die Schulden, die sie beim Kärntner Großhändler Neumann angehäuft hatte, nicht mehr begleichen. Ihre Finanzlage war so katastrophal, dass einer aus der Familie, Christoph, mit der Sitte, nur vornehme Adelstöchter zu heiraten, brach. Er heiratete Anna, die bürgerliche Neumann-Tochter, die Kreditgeberin, die nun die Liechtensteinbrüder beim Zwangsverkauf von Murau über den Tisch zog. Doch was blieb ihnen sonst übrig? Nach vierzehn Jahren Ehe starb Christoph ohne Nachkommen, das Geschlecht der steirischen Liechtensteins erlosch. Der atemberaubende Aufstieg Annas konnte weitergehen.
Frau als Verwalterin ihres Vermögens
Dass eine Frau ihr Vermögen nach eigenem Gutdünken verwaltete, durch Geldverleih vermehrte und daraus ihr hohes weibliches Selbstbewusstsein entwickelte, war im 16. Jahrhundert nicht üblich, aber auch keine Rarität mehr und Beweis dafür, dass nicht nur der Adelstitel, sondern auch die Beherrschung der Geldgeschäfte den Platz einer Person in der Gesellschaft bestimmte. Jeder, der der Neumannin Geld lieh, wusste, es war gut angelegt und brachte Zinsen. Sie hatte ein Händchen dafür. So legten die Murauer Bürger ihre Sparpfennige gut verzinst bei ihr an und profitierten mit der Herrin gemeinsam vom wirtschaftlichen Erfolg. Da konnte der Kaiser, der zugleich Landesfürst der Steiermark war, nicht tatenlos zusehen. Er hatte die Idee, dass jeder Kreditgeber, der ein Kapital von mehr als 25 Gulden vergab, ein Prozent vom Zinsgewinn als Steuer an den Landesfürsten abgeben musste. Die erste KESt (Kapitalertragsteuer) in Österreich, wie man in dem überaus informativen Katalog der aktuellen Murauer Ausstellung (siehe Ausstellungshinweis) nachlesen kann.
Kein Wunder, dass sofort ein neuer Freier vor Annas Tür stand, wenn wieder einmal ein Ehemann dahingeschieden war, auch 1617, als sie als Greisin mit 81 einen bayerischen Reichsgrafen namens Georg Ludwig von Schwarzenberg heiratete. Der Name seiner Familie leitete sich von einem fränkischen Ort her. Die Habsburger und Bayern waren recht eng miteinander verbunden, so verschlug es den blutjungen Mann nach Graz, wo er gefördert wurde. Talent und hohe Herkunft bildeten eine erfolgversprechende Symbiose, was fehlte, war das Vermögen.
Seine Ehe mit der wieder einmal verwitweten Herrin von Murau, die ohne Erben war, bot sich als Schachzug an und hatte den Charakter einer Adoption, als Frau durfte sie rechtlich selbst niemanden adoptieren oder im Testament bedenken. Der Graf war 50 Jahre jünger und erhielt ihr Vermögen noch im Jahr der Heirat, am 20. Oktober, als Schenkung. Richtig zusammen lebten die beiden nie. Von nun an gehörte Murau der Familie Schwarzenberg, der gesamte Besitz reichte von der Steiermark bis nach Kärnten und Niederösterreich, sogar zwei Weingärten am Neusiedler See zählten dazu.
Das erfolgreiche wirtschaftliche Engagement einer Frau stand also am Anfang. Ein schönes Grabmal im Kapuzinerkloster von Murau erinnert heute an die Herrin von Murau, als Protestantin hatte sie bei ihrem Tod zunächst noch keinen Platz in der Kirche erhalten. Zu Lebzeiten hatte ihre schützende Hand die Murauer, die sich ebenfalls gegen die katholische Lehre stellten, vor Verfolgung bewahrt. Einer wichtigen Kreditgeberin gegenüber zeigte sich auch der kaiserliche Hof tolerant, was blieb ihm anderes übrig, als die mächtigste und reichste Frau Innerösterreichs, die sogar dem Salzburger Erzbischof bei der Begleichung seiner Spielschulden aushalf, zu verschonen. Doch die Wirtschaftskraft der Region wurde durch die rücksichtslose Rekatholisierung geschwächt, die Ausweisungen trafen nicht nur protestantische Geistliche und Lehrer, sondern auch Adelige und Bürger. Menschliche Ressourcen gingen verloren.
Anna, nunmehr Gräfin von Schwarzenberg, wurde nach ihrem Tod am 18. Dezember 1623 einbalsamiert, viele kamen zu ihrem Begräbnis, nicht nur aus der Steiermark, sondern auch als Salzburg und Kärnten, und auch katholische Würdenträger gaben der Protestantin die Ehre. Sie wurde im Samtkleid mit einem Hermelinpelz, mit einem Brillantring am Finger und einer Perlenkette um den Hals bestattet.
„Edle, ritterliche Gestalt“
Als „edle, ritterliche Gestalt“bezeichnete man den gebildeten und politisch hochaktiven Georg Ludwig Schwarzenberg, durch das geerbte Finanzvermögen seiner Frau wurde er ein bedeutender Kreditgeber. Seine Zeit war die des grauenhaften Dreißigjährigen Krieges, der habsburgische Kaiser, Ferdinand II., setzte ihn als Diplomat ein, er erhielt den Orden vom Goldenen Vließ und wurde zum Obersthofmarschall ernannt. Nach seiner aufreibenden Reisetätigkeit kämpfte er an der kroatischen Militärgrenze gegen die Türken. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges erlebte er knapp nicht mehr.
Obwohl er viel im Ausland unterwegs war, kümmerte er sich um Murau, er ließ das alte gotische Schloss in seiner heutigen Renaissanceform ausbauen und erweiterte das von seiner Frau gegründete Spital. Nach Annas Tod heiratete er nochmals, doch die Ehe war überschattet: Zwei Söhne starben noch als Kleinkinder an einer Halskrankheit, so erlosch die bayerische Linie der Schwarzenbergs, und Johann Adolf I., ein Cousin aus der niederländischen Linie, die sich in Böhmen niedergelassen hatte, wurde Familienoberhaupt und Universalerbe. Die Güter in der Steiermark erwiesen sich als Segen für den Erben, denn der Dreißigjährige Krieg hatte die Güter in Bayern und Böhmen arg in Mitleidenschaft gezogen. Johann Adolf – auch er verlor früh einen Sohn – kümmerte sich um den riesigen Murauer Besitz und die Eisenbranche in der Steiermark und behauptete sich am Hof Kaiser Leopolds I. als unentbehrlicher Berater. Seine Familie wurde in den Fürstenstand erhoben. Er starb 1683.
Damit war der Grundstein für den Aufstieg der Schwarzenbergs gelegt. Im Dienste der Habsburgerdynastie erreichten sie um die Mitte des 19. Jahrhunderts den größten Einfluss. Schloss Murau ist bis heute der Verwaltungs- und Wohnsitz der Familie. In der festlich beflaggten „fürstlichen Stadt“wird vierhundert Jahre nach der Eheschließung von 1617 diese Geschichte aufbereitet, an diesem Ort war die Basis für den Reichtum und die Entwicklung des fürstlichen Hauses.