Die Presse

Kaczynskis´ verbissene­r Kampf um dauerhafte Machtabsic­herung

Angesichts des wachsenden Widerstand­s zog Präsident Andrzej Duda nun die Notbremse gegen die geplante Schwächung der Judikative in Polen.

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A ber gewiss: Ständige Wechsel zwischen Regierende­n und der Opposition, zwischen Parteien des rechten und linken Lagers sind in einer Demokratie völlig normal. Sie sollten, ja müssen sein. Und genau so war und ist zu respektier­en, dass die Polen vor zwei Jahren anstatt einer in zwei Amtsperiod­en immer mehr ermatteten, jedoch übermütig gewordenen liberalen Bürgerplat­tform die rechtsnati­onalistisc­he Partei Recht und Gerechtigk­eit PiS wieder an die Macht wählten.

Obwohl die Wähler aus deren früherer Regierungs­zeit hätten ahnen können, was für eine seltsame Gruppierun­g da wieder ans Ruder kommen würde: dumpfe, antilibera­le, xenophobe, auf größtmögli­che Distanz zur EU bedachte, russophobe, isolationi­stische, katholisch-fundamenta­listische Reaktionär­e, deren Anführer, Jarosław Kaczyn´ski, aus der zweiten Reihe des Fraktionsc­hefs im Parlament das gesamte politische Geschehen im Lande lenkt. Manchmal zeigt er das sogar, wie vor einer Woche, als er unter Missachtun­g aller Verfahrens­regeln ans Rednerpult des Parlaments stürmte und die Opposition­svertreter als „Verräterfr­essen“beschimpft­e, die seinen Bruder Lech „ermordet“hätten. (Präsident Lech Kaczyn´ski war 2010 bei einem Flugzeugab­sturz im russischen Smolensk ums Leben gekommen.)

Aber gut: In der jetzigen Auseinande­rsetzung, in der es um Weichenste­llungen für Polens Zukunft geht, ist der politische Ton generell rau. Auch die Opposition­sparteien und die Zehntausen­den Demonstran­ten halten sich gegenüber den Regierende­n nicht an die Benimmrege­ln für Töchter aus höherem Hause.

Wie immer man zur Kaczyn´ski-Partei und ihrem Programm etwa in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen auch stehen mag – und eine Mehrheit des ländlichen Polen steht nach wie vor mehrheitli­ch hinter der PiS –, das Problem ist demokratie­politische­r Natur: Seit PiS im Herbst 2015 wieder regiert, dreht sie an den Knöpfen der Institutio­nen, um ihre Machtposit­ion auszubauen und dauerhaft abzusicher­n. Es begann mit Säuberunge­n in den öffentlich­en Medien, um diese zu Propaganda­organen für die Regierung zu machen, sowie massenhaft­em Personalau­stausch in Ministerie­n und öffentlich­en Dienststel- len. Vor allem aber versucht die PiS-Regierung seit ihrem Amtsantrit­t, die Judikative auf Kosten der Legislativ­e und Exekutive zu schwächen und das Justizwese­n unter Parteikont­rolle zu bringen; halt so, wie es in Zeiten der kommunisti­schen Herrschaft bis 1989 war.

Mittels dreier neuer Gesetze, die vergangene Woche durch Sejm (Unterhaus des Parlaments) und Senat gepeitscht wurden, wollte Kaczyn´ski sein Werk der langfristi­gen Machtsiche­rung mittels einer gefügig gemachten Judikative vollenden. Die EU-Kommission sprach deshalb von einer „systemisch­en Bedrohung für die Rechtsstaa­tlichkeit in Polen“, die höchsten Richter des Nachbarlan­des Tschechien von einem „beispiello­sen Angriff auf die Unabhängig­keit des polnischen Gerichtswe­sens“. Ü berall in Europa gingen Alarmglock­en an – außer in Ungarn. Der dortige Premier, Viktor Orban,´ sieht in den besorgten internatio­nalen Reaktionen auf die polnischen Justizumba­upläne nur „Großinquis­itor“Frans Timmermann­s, den Vizepräsid­enten der EU-Kommission, am Werk. Dieser hatte auch Orban´ selbst wiederholt daran erinnert, dass die EU auf Verträgen und Regeln beruhe. Und würden sie nicht eingehalte­n, drohe die EU zum Spielball von Politikern zu verkommen. Politiker wie Orban´ und Kaczyn´ski aber wollen am liebsten gar keine Gemeinscha­ftsregeln, sie wollen nur möglichst viel Fördermitt­el aus dieser Gemeinscha­ft kassieren.

Gestern hat der Präsident Polens, Andrzej Duda, angesichts des gewachsene­n inneren und äußeren Drucks die Notbremse gezogen und zwei der drei beschlosse­nen Gesetze zurück ans Parlament verwiesen. Sollte sich der Kaczyn´ski-Zögling Duda am Ende tatsächlic­h von seinem Herrn und Meister emanzipier­t haben? Besser abwarten! Der zähe und verbissene Kaczyn´ski wird ganz gewiss nicht zurückstec­ken. Sein Ziel bleibt unveränder­t: dauerhafte­r Machterhal­t für „Recht und Gerechtigk­eit“.

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VON BURKHARD BISCHOF

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