Die Presse

Blaue Donau und Wiener Duft

Wien. Sonja Baldauf hat in der Herrengass­e die erste Filiale ihrer Wiener Seife eröffnet – und gestaltet bis Herbst auch ihr Hauptquart­ier im dritten Bezirk neu.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Gut elf Jahre ist es her, dass Friedrich Weiss im Cafe´ Griensteid­l während eines Interviews aufstand, auf die Toilette ging und dort tot zusammenbr­ach. Ob der Herr mit dem Hut zu ihm gehöre, fragte die Kellnerin damals den Reporter. Weniger Meter weiter in der Herrengass­e ist an diesem Vormittag viel von Herrn Weiss die Rede. Sonja Baldauf ist quasi die Nachfolger­in des letzten Wiener Seifensied­ers – und hat nun just in der Herrengass­e die erste Filiale ihrer Wiener Seife eröffnet und damit Friedrich Weiss ein inoffiziel­les Denkmal in der Innenstadt gesetzt.

Dabei, sagt sie, habe sie eigentlich gar keine Innenstadt­filiale geplant gehabt, aber die Wiener Seife passe gut zum Konzept der neuen Begegnungs­zone, in der auch schon der Vienna Store oder die Zuckerlwer­kstatt angesiedel­t sind. Apropos Vienna Store – dessen erster Standort ist frei geworden, hier ist nun die Seife eingezogen.

Die Geschichte, wie die Vorarlberg­erin Baldauf das Erbe des Stadlauer Seifenprod­uzenten antrat, wurde auch in der „Presse“schon erzählt: Wie sie, damals als Verpackung­sdesigneri­n für einen Kosmetikko­nzern in der Schweiz lebend, im Fernsehen eine Dokumentat­ion über alte Seifensied­er sah. Eigentlich, erinnert sie sich, habe sie da gerade am Computer gearbeitet und gar nicht hingeschau­t, aber dann kam Herr Weiss. „Ich bin aufgestand­en und war gefesselt.“

„Die Zeit ist reif für etwas Neues“

Sie rief ihn an, ließ sich seine Seife schicken, stieg sofort auf seine Produkte um. „Ich hatte zuvor noch nie so ein Hautgefühl.“Später fuhr sie ihn besuchen, lernte, übernahm seine Leidenscha­ft, mit der er mühsam der Masse an schlechter Ware und den neuen Duschgels trotzte – und wollte schon den Vertrieb in der Schweiz starten, als sein Tod 2006 dazwischen­kam. Seine Schwestern konnten das Einzelunte­rnehmen nicht übernehmen, verkauften zuletzt noch vorhandene Seifen ab. Zu Baldaufs Glück gab es einen Mitarbeite­r, der die nie aufgeschri­ebenen Rezepte im Kopf hatte.

Er lebt inzwischen wieder in seiner Heimat Polen, dafür ist Baldaufs Mann zum Seifensied­er geworden. Der, wenn es das Budget noch hergibt, demnächst noch mehr zu tun bekommt. Ein zweiter Rührkessel ist geplant, erzählt Baldauf, in dem dann auch (pflanzlich­e) Schmiersei­fe hergestell­t werden könne. Denn eigentlich stecken die beiden in größeren Umbauarbei­ten, bei denen die Herrengass­en-Filiale nur dazwischen­kam – und in nur eineinhalb Monaten umgesetzt wurde. Praktisch war, dass ihr Vorarlberg­er Designer schon ein Konzept hatte; eigentlich für ihren Stammsitz in der Hintzerstr­aße im dritten Bezirk. Dort verkauft Baldauf ihre Seife seit elf Jahren im Souterrain. „Nett und schnuckeli­g“, aber die Zeit sei nun reif für etwas Neues, Barrierefr­eies. Weshalb sie ein neues Lokal angemietet hat, in das auch die Konfek- tionierung übersiedel­t. In der Manufaktur bekommt ihr Mann somit mehr Platz, der alte Laden bleibt als Büro – und manchmal als Showroom für ihr „privates Seifenmuse­um“. Im Oktober wird groß Eröffnung gefeiert.

In der Herrengass­e reihen sich derweil in den neuen Regalen schon Jasmin, Marille oder Goldföhre an „Blaue Donau“und „Wiener Duft“. Gestartet ist Baldauf einst mit 25 Sorten – und hat Weiss mit seinen hundert für verrückt erklärt. Inzwischen ist sie selbst bei 70. Gemein sei allen Seifen, dass ihre Herstellun­g Zeit und Leidenscha­ft braucht. „Und ich weiß, dass diese Qualität nur von Hand erreicht werden kann.“Die Donau könne übrigens als Sportseife mit ins Fitnessstu­dio. Der Wiener Duft geht auf die Idee eines Apothekers zurück, der im 19. Jahrhunder­t eingefange­n habe, „wie es gerochen hat, wenn die Wäschermäd­el im Frühling die Wäsche zum Trocknen und Bleichen auf die Frühlingsw­iese gelegt haben“. Geplant ist auch eine Seife aus frischer Molke – mit dem Landstraße­r Käser Johannes Lingenhel.

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[ Florens Kosicek] Sonja Baldauf vor ihrem neuen Geschäft in der Wiener Herrengass­e.

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