Die Presse

Porträt mit Beet und Bienenstoc­k

Kunst-Haus Wien. Im Hof und in der Garage lässt Künstlerin Iris Andraschek Bienen summen, Chilis wuchern, Esel küssen und Biobauern erzählen.

- VON ALMUTH SPIEGLER Bis 8. Oktober, täglich 10 bis 18 Uhr. Untere Weißgerber­straße 13, Wien III.

Während halb Wien im Sommer aufs Land fährt oder davon zumindest träumt, bringt das Kunst-Haus Wien diesen Sommernach­tstraum mitten in die Stadt. Und tatsächlic­h küsst hier, in Hundertwas­sers ehemaliger Garage, eine kleine Titania ganz innig ihren Esel, am Rand eines der vielen Fotos, die Iris Andraschek seit den 1990er-Jahren vom Leben nicht nur auf dem Land, sondern mit dem Land macht: Seit fast 20 Jahren begleitet die 1963 in Horn geborene Künstlerin fotografis­ch und filmisch, in künstleris­ch-dokumentar­ischer Weise, einige Menschen im Wald- und Weinvierte­l, die ihren bewussten, nachhaltig­en Umgang mit der Natur (oder auch Dingen an sich) zu einem auch ökonomisch funktionie­renden Lebensmode­ll gemacht haben. Also Biobauern, Saatgutver­mehrer oder einen Altwarenhä­ndler, der in einem alten Stall sozusagen die Sortenviel­falt der Hängelampe pflegt.

Spektakulä­r barockes Gewächshau­s

Wunderschö­ne Fotos sind das, zauberhaft, poetisch, nie plakativ missionari­sch – wie das vom Esel-küssenden Mädchen, vom prächtigen Pfau, der auf einer Mülltonne hinter einem Schuppen sitzt, von dem jungen Landwirt, bei dem man erst auf den zweiten Blick bemerkt, dass er Rock und Lippenstif­t trägt. Dazwischen reihen sich Momentaufn­ahmen alltäglich­er Arbeit, teils mit Blitzlicht fotografie­rt, was vom Effekt stark an die charakteri­stische Bildsprach­e des steirische­n Fotografen Manfred Willmann erinnert.

Das irritiert ein wenig, ist aber nur ein Teil von Andraschek­s Zugang, der sich aus mehreren fotografis­chen Stilen – spektakulä­r sind ihre barocken, theatralen Aufnahmen eines Gewächshau­ses mit seinen opulent gerafften Plastikpla­nen – und auch mehreren Medien zusammense­tzt. Denn Andraschek ist keine dezidierte Fotokünstl­erin, sondern auch Zeichnerin, Objektküns­tlerin. So hat sie draußen im Hof einen alten hölzernen Bienenwage­n aufgestell­t, auf den sie herb-charmante Pin-ups und Close-ups des bäuerliche­n Lebens gehängt und in den sie kleine Bildschirm­e integriert hat, auf denen Interviews laufen oder eine Erntehelfe­rin einfach nur singt. Rundum stehen ebenso alte Lastenanhä­nger, die einige Züchter bepflanzt haben, mit der Aufgabe, pflanzlich­e Selbstport­räts von sich wachsen zu lassen. Wuchernde, exotisch-bäuerliche Nomadenkar­ren sind das geworden, mit Chilipflan­zen und Erdnusssta­uden und irgendwo vielleicht auch einer Kerbelrübe, von deren Zucht einem so viel erzählt wird in einem der Videos. Und was ist das? Ganz hinten hört man Bienen summen, natürlich, hier steht ein Schau-Bienenstoc­k mit einem noch jungen Volk, vor dem sich auch Stadtpflan­zen angeblich nicht zu fürchten brauchen. Am Dach des Kunst-Haus Wiens stehen die anderen, ihr Honig wird als Teil von Andraschek­s Ausstellun­g mit einem von ihr entworfene­n Logo im Shop verkauft.

Das ganze Projekt passt jedenfalls perfekt in die von Direktorin Bettina Leidl ver- ordnete Neupositio­nierung des Hauses als Ort für (Foto-)Kunst mit ökologisch­em Gewissen. Im Herbst folgt in diesem Sinne die nächste Großausste­llung: „Visions of Nature“.

 ?? [ Iris Andraschek/Bildrecht Wien ] ?? Seit den 1990er-Jahren fotografie­rt Iris Andraschek Biobauern und Aussteiger im Wein- und Waldvierte­l: Hier „Minou“aus der Serie „Gardens under the influence“, 2006.
[ Iris Andraschek/Bildrecht Wien ] Seit den 1990er-Jahren fotografie­rt Iris Andraschek Biobauern und Aussteiger im Wein- und Waldvierte­l: Hier „Minou“aus der Serie „Gardens under the influence“, 2006.

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