Der „blinde Fleck“der Medien bei der Flüchtlingskrise 2015
Deutsche Informationsmedien waren mehr politische Akteure als neutrale Beobachter, sagt eine neue Studie.
35.000 Berichte deutscher Medien zur Flüchtlingskrise hat die deutsche OttoBrenner-Stiftung unter der Leitung von Michael Haller erfasst und analysiert, wie neutral über das Thema berichtet wurde. Studienleiter Haller betont zwar eigens, nicht alle Journalisten pauschal rügen zu wollen, dennoch fällt sein Urteil über die Arbeit der Branche zu diesem Thema streng aus. Das Fazit seiner Studie lautet: Die Informationsmedien sind im erhobenen Zeitraum ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden. Große Teile der Journalisten haben ihre Berufsrolle verkannt und die aufklärerische Funktion ihrer Medien vernachlässigt. „Statt als neutrale Beobachter die Politik kritisch zu begleiten und nachzufragen, übernahm der Informationsjournalismus die Sicht, auch die Losungen der politischen Elite“, wird Haller in einer Aussendung zitiert. Das Politikergezänk in Berlin habe die Medien weit mehr interessiert als die Sorgen und Ängste der Bevölkerung, die Nöte der Flüchtlinge und Asylwerber oder die Probleme der Helfer vor Ort.
Untersucht wurden neben Regionalzeitungen und reichweitenstarken Onlinemedien vor allem Printleitmedien wie „FAZ“, „Welt“oder „Bild“; und es zeigte sich: „Die Welt“berichtete am umfassendsten, bot die breiteste Palette an Akteuren, hielt sich mit Meinung zurück, nahm aber eine neoliberale Position ein und klammerte die Menschenrechtsdebatte aus. Die „FAZ“schenkte den skeptisch-kritischen Positionen viel Beachtung, blieb aber stets sachlich-neutral, in den Kommentaren güterabwägend. Die „Süddeutsche“brachte viele Texte über Gewalt ultrarechter Gruppen. (awa)