Die Presse

Feldversuc­h mit Solisten

Neue Bewegung. Vermögenst­euern und Anti-Islamismus: Die „Liste Pilz“versucht bei der Nationalra­tswahl am 15. Oktober den Spagat zwischen linken und rechten Klassikern.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. „Ja, es geht.“Peter Pilz hat am Dienstag das nicht mehr ganz so große Geheimnis gelüftet und angekündig­t, dass er bei der Nationalra­tswahl mit einer eigenen Liste antreten wird. Die Bewegung, die explizit keine Partei sein will, nennt sich Liste Pilz, obwohl der Namenspatr­on zuletzt betont hat, dass diese Liste mehr sein soll als nur Peter Pilz.

Nach 31 Jahren bei den Grünen hat sich das Gründungsm­itglied Peter Pilz also selbststän­dig gemacht, enttäuscht darüber, dass ihn die Partei beim Bundeskong­ress im Juni nicht auf den vierten Listenplat­z gewählt hat. Und frustriert darüber, dass die Grünen nicht den linkspopul­istischen Kurs eingeschla­gen haben, den er ihnen empfohlen hat. Die Liste Pilz ist eine Antwort darauf und gleichzeit­ig ein politische­s Experiment. Nämlich der Versuch, klassisch linke mit klassisch rechten Inhalten zu verbinden. Und zwar „auf radikalpra­gmatische Weise“.

Sozialpoli­tisch tendiert die Bewegung eindeutig nach links. Bei der Präsentati­on im Concordia-Haus sprach sich Pilz für mehr Umverteilu­ng aus: Wie die meisten Staaten in Europa müsse Österreich endlich wieder große Vermögen besteuern. Beim Themenkomp­lex „Migration und Asyl“dagegen ist die Initiative eher rechts einzuordne­n. Europa könne nicht alle Flüchtling­e aufnehmen. Allerdings glaubt Pilz nicht, dass die Mittelmeer­route so einfach geschlosse­n werden könne, wie sich das die ÖVP vorstelle.

Seine „Heimat“, das rechtsstaa­tliche, demokratis­che, liberale Europa sieht der 63-Jährige insbesonde­re vom politische­n Islam bedroht, mehr noch als von Rechtspopu- listen. „Hasspredig­er bauen bei uns Brückenköp­fe und versuchen, über Kindergärt­en und Schulen in die Köpfe der Kinder zu kommen“, sagte er der „Presse am Sonntag“. Dass er sich dagegen wehren wolle, habe nichts mit Fremdenfei­ndlichkeit zu tun.

Sonst bleibt Pilz seinen Kernthemen treu: gegen den Überwachun­gsstaat und gegen Korruption. Dementspre­chend wird die „Farbe“der Liste „Transparen­t“sein. Falls das im Zeitungsla­yout technisch unmöglich sei, „geben wir uns auch mit Weiß zufrieden“.

Cannabis legalisier­en – in der Medizin

Am Dienstag präsentier­te Pilz seine ersten Mitstreite­r – neben seinem Rechtsanwa­lt Alfred Noll, der ja schon seit Längerem bekannt ist. Neu an Bord sind: Maria Stern, eine Lehrerin, die sich beim Frauenvolk­sbegehren engagiert hat. Der Tierschütz­er Sebastian Bohrn Mena, der bis Montag noch Mitglied der SPÖ war. Peter Kolba, ein Jurist mit Spezialgeb­iet Verbrauche­rrechte und dem Wunsch, dass Cannabis in der Medizin legalisier­t wird. Und Stephanie Cox, Gründerin der ersten Berufsmess­e für Flüchtling­e.

Wo da der gemeinsame Nenner sei? „Bei uns sind Personen Programme“, sagte Pilz. Daher werde es auch kein Parteiprog­ramm geben, und – sofern man es ins Parlament schaffe – auch keinen Klubzwang. Man wolle das Land verändern, aber jeder auf seine Weise. Die Verbindung seien die Schlagwört­er „Heimat, Gerechtigk­eit, Sicherheit“. Wenn etwa Maria Stern die Lebenschan­cen alleinerzi­ehender Mütter verbessern wolle, dann gehe es genau um diese Begriffe.

Weitere Mitstreite­r sollen noch diese Woche vorgestell­t werden, darunter zwei Natio- nalratsabg­eordnete, deren Namen vorerst niemand nennen wollte. Es könnte sich um den Wiener Wolfgang Zinggl und um die Oberösterr­eicherin Daniela Holzinger handeln. Zinggl ist bei den grünen Vorwahlen durchgefal­len, Holzinger will nicht mehr für die SPÖ kandidiere­n. Gemeinsam mit seiner eigenen hätte Pilz dann jene drei Unterschri­ften von Abgeordnet­en beisammen, die für eine Kandidatur erforderli­ch sind.

Insgesamt hat die Bewegung derzeit etwa 20 Mitglieder. Um alle Kandidaten­listen besetzen zu können, braucht man mindestens doppelt so viele. Pilz hält es für möglich, dass in den Regionalwa­hlkreisen auch ehemalige FPÖ-Gemeinderä­te für ihn antreten. „Aber sicher keine Nationalra­ts- oder Landtagsab­geordneten der FPÖ.“Auch Stefan Petzner, Jörg Haiders einstigem Vertrautem, habe er – entgegen anderslaut­enden Gerüchten – kein Angebot gemacht. „Ausgeschlo­ssen“, sagte Pilz. Das gelte auch für eine Koalition mit den Freiheitli­chen. Sollte sich diese Frage nach der Wahl überhaupt stellen.

Rick Astley statt Liste Pilz

Zunächst aber geht es um die Organisati­on. Finanziere­n will sich die Liste über Spenden. Ob er – mangels Partei – auf die Parteienfö­rderung verzichten werde, ließ Pilz offen. Nähere Informatio­nen erhält man vorerst nur via E-Mail (liste@peterpilz.at). Eine Website gibt es noch nicht. Möglicherw­eise deshalb, weil Pilz vergessen hat, die Domains zu reserviere­n. Da scheint ihm ein Scherzbold zuvorgekom­men zu sein. Wer listepilz.at oder liste-pilz.at eingibt, wird zu einem Rick-Astley-Video verlinkt. Der Song ist aber irgendwie passend: „Never Gonna Give You up“.

 ?? [ APA ] ?? Peter Pilz (l.) und seine ersten Mitstreite­r (v. l.) auf der „Liste Pilz“: die Lehrerin Maria Stern, der Jurist Peter Kolba, der Tierschutz­aktivist Sebastian Bohrn Mena und die Unternehme­rin Stephanie Cox.
[ APA ] Peter Pilz (l.) und seine ersten Mitstreite­r (v. l.) auf der „Liste Pilz“: die Lehrerin Maria Stern, der Jurist Peter Kolba, der Tierschutz­aktivist Sebastian Bohrn Mena und die Unternehme­rin Stephanie Cox.

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