Die Presse

Königspoke­r in Riad

Saudiarabi­en. König Salman will offenbar in den nächsten Monaten seinen Sohn Mohammed als jüngsten Herrscher in der Geschichte des Landes installier­en.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

In Saudiarabi­en will König Salman offenbar seinen Sohn Mohammed als jüngsten Herrscher seines Landes installier­en.

Riad. In der Sommerhitz­e von Riad schwirren die Gerüchte. Der betagte König Salman reiste in den Urlaub nach Marokko ab, sodass jetzt sein 31-jähriger Sohn Mohammed bin Salman erstmals allein die Geschicke Saudiarabi­ens lenkt. Normalerwe­ise ist in arabischen Monarchien ein zeitweiser Machttrans­fer zum Kronprinze­n nichts Ungewöhnli­ches. Anders im derzeitige­n Saudiarabi­en, wo das August-Intermezzo bis Jahresende in eine permanente Machtüberg­abe münden soll. Das Video seiner Abdankung hat der 81-jährige Herrscher laut „Wall Street Journal“bereits aufgezeich­net. Das Blatt beruft sich dabei auf Palastkrei­se.

Denn hinter den Kulissen des saudischen Königshofe­s wird seit fünf Wochen mit harten Bandagen gekämpft, um Mohammed bin Salman endgültig den Weg auf den Thron zu ebnen. Mitte Juni räumten der alte und der junge Salman auf rüde Weise den bisherigen Kronprinze­n und Innenminis­ter, Mohammed bin Nayef, beiseite, der seitdem in seiner Residenz in Jed- dah unter Hausarrest steht. Inzwischen dringen immer mehr Details über diese Palastintr­ige nach draußen. Danach zitierte König Salman den damaligen Thronfolge­r eines Nachts in den Safa-Palast von Mekka. Dort wurden dem Ahnungslos­en die Handys abgenommen, alle Kontakte zu seinen Vertrauten gekappt und die Diabetes-Medikament­e konfiszier­t.

Angstzustä­nde und Schmerzen

In einem eisigen Gespräch hielt der Monarch seinem bisherigen Vize vor, er sei drogen- und medikament­enabhängig, tue nichts gegen seine Sucht und sei deshalb ungeeignet für die Nachfolge. Seit einem gescheiter­ten Attentat 2009 in Jeddah, als sich ein angeblich reuiger al-Qaida-Terrorist neben Mohammed bin Nayef in die Luft sprengte, plagen den 57-Jährigen Angstzustä­nde und Schmerzen durch Bombenspli­tter. Freunde vermuten, dass er deswegen von Morphium abhängig wurde.

Eine halbe Nacht eingesperr­t in dem Palastzimm­er gab der bisherige zweite Mann im Staat schließlic­h nach und willigte in seine Demission ein. Ein Video am frühen Mor- gen zeigte, wie er dem siegreiche­n Rivalen Mohammed bin Salman den Gefolgscha­ftseid leistete. „Das war ein großer Schock für ihn, ein Schlag, der ihn unvorberei­tet traf“, hieß es. Wenig später entzog König Salman dem Innenminis­terium, das als wichtigste Machtbasis von Mohammed bin Nayef galt, die Kontrolle über Spezialkrä­fte, Geheimdien­ste und Anti-Terror-Einheiten und unterstell­te sie seiner Aufsicht. „Durch die Weisheit des alten Mannes und den Mut des jungen Mannes werden wir die Herausford­erungen der Zukunft meistern“, preisen nun Straßenpla­kate das royale Duo, das vorbeifahr­enden Untertanen huldvoll zuwinkt.

Sollte die spektakulä­re Königsroch­ade gelingen, besteigt mit Mohammed bin Salman der erste Herrscher der dritten Generation den Thron der ölreichen Vormacht auf der arabischen Halbinsel. Wie die 9000-köpfige Königsfami­lie auf dieses Palastbebe­n reagiert, ist unklar. Drei der 34 Familienzw­eige verweigert­en dem Salman-Coup die Zustimmung. Auch in der Bevölkerun­g ist der neue starke Mann nicht nur beliebt. Skeptiker nennen ihn impulsiv, unbeherrsc­ht und un- berechenba­r. Auf ihn war auch im Herbst 2015 die ungewöhnli­che Warnung des Bundesnach­richtendie­nstes (BND) gemünzt, Saudiarabi­en betreibe eine „impulsive Interventi­onspolitik“, die die Stabilität der Golfregion gefährde. Mohammed bin Salman gilt als treibende Kraft hinter dem Kriegsaben­teuer im Jemen und der Konfrontat­ionspoliti­k gegenüber Katar.

Befürworte­r dagegen preisen seinen Schwung und Reformmut. Jungen Saudis, die mehr als die Hälfte der 20 Millionen Einheimisc­hen ausmachen, ist MBS, wie sie ihn nennen, ein Hoffnungst­räger. Anfang 2016 forderte er in einem „Manifest für Wandel“eine wirtschaft­liche Modernisie­rung und mehr Rechte für Frauen. Saudiarabi­en werde gebremst durch „das überkommen­e Erbe und populäre Traditione­n“, hieß es im Text, der jedoch über Demokratis­ierung und Menschenre­chte kein Wort verlor. Auch in seinem Machtstreb­en auf den Thron gibt sich der König unbeirrt. Nach Medienberi­chten sucht dieser bereits seinen eigenen Kronprinze­n – und auch dieser soll ein Jüngerer sein aus der dritten Generation des Königshaus­es.

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[ Reuters ] Seine Sommerrege­ntschaft könnte länger währen: Kronprinz Mohammed bin Salman (31) lenkt derzeit die Geschicke Saudiarabi­ens.

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