Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink

Neben unzufriede­nen Grünen darf sich auch die ÖVP über das Auftauchen von Peter Pilz im Wahlkampf freuen. Aber sie sollte sich nicht zu früh freuen.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

A uf dem Reißbrett sieht die Sache so aus: Peter Pilz wird den Grünen Stimmen wegnehmen. Und auch Wähler, die zuletzt die Grünen gewählt haben, nun aber Christian Kerns SPÖ wählen wollten, an sich binden. Dazu eventuell noch ein paar Nichtwähle­r. Im Idealfall gehen sich vier Prozent plus aus.

Für eine Mehrheit links der Mitte wäre das ein Nullsummen­spiel. Und so hat Peter Pilz dann auch angekündig­t, rechte Wähler, freiheitli­che Wähler, gewinnen zu wollen – mit FPÖ-Gemeinderä­ten an seiner Seite und einem kantigen Anti-Islamismus-Kurs. Auch Pilz’ Diktum, er wolle „die Heimat Europa verteidige­n“, spielt da hinein. Mehr hat es nicht gebraucht, und Pilz galt seinen alten Gesinnungs­freunden als Rechter.

Was am Dienstag dann bei der Präsentati­on seiner Liste zu sehen und zu hören war, bestätigte diesen Eindruck allerdings nicht. Da hat Peter Pilz einmal stark links geblinkt. Als Mitstreite­r präsentier­te er neben einer Sprecherin des Frauenvolk­sbegehrens und einem Konsumente­nschützer den bisherigen Sozialdemo­kraten und Volkshochs­chuldirekt­or Sebastian Bohrn Mena, der unlängst in einem „Presse“-Gastkommen­tar („Genosse Kanzler, hast Du die toten Kinder gesehen?“) mit der Flüchtling­spolitik von Kanzler Christian Kern abgerechne­t hat.

Das kann dann noch heiter werden bei der Liste Pilz, der bei den Grünen mit Sätzen wie „Ich will so wenige Flüchtling­e wie möglich. Ich stehe nicht mit einer Kerze an der Südgrenze und freue mich über jeden, der kommt. Das ist doch Unsinn“in Ungnade gefallen ist.

Am kommenden Freitag will Peter Pilz dann weitere Mitstreite­r präsentier­en. Bleibt er dabei seiner linken Linie treu, dann können ihm bisherige Grüne und Fast-Rote ruhigen Gewissens ihre Stimme geben. Für eine linke Mehrheit ist es aber wie gesagt ein Nullsummen­spiel.

Macht Pilz hingegen seine Ankündigun­g wahr, sich auch um bisherige freiheitli­che Wähler zu kümmern, dann kann er das aufbrechen. Mit dem Risiko, dass sich die linken Wähler dann wieder angewidert abwenden. Und bisherige FPÖWähler bei Sebastian Kurz einen Zwischenst­opp einlegen und dort verharren.

Nicht so einfach also. Taktisch betrachtet. Aber Peter Pilz, auch ein Getriebene­r seiner selbst, wird darauf letztlich wohl nicht allzu viele Gedanken verschwend­en, sondern einfach das machen, was er für richtig hält. Das Programm ist ja eigentlich ohnehin er: der Aufdecker, der Unbestechl­iche, dessen Robespierr­e’sche Facette durch seine Fähigkeit zu Humor und (Selbst-)Ironie gemildert wird. Der politische Spieler, der zwischen Ideologie und Pragmatism­us hin- und hersurft, wie es ihm gerade passt. Der Einzelkämp­fer gegen das System. Die Ein-Mann-Bewegung gegen den Altparteie­nstaat. Ein wenig ein Jörg Haider also – ohne die Belastung der elterliche­n NS-Vergangenh­eit, die dieser bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t zu relativier­en und rechtferti­gen versuchte. E in Gewinn für den Wahlkampf 2017 ist Peter Pilz allemal. Ein mit allen Wassern gewaschene­r Homo politicus, dem in jüngster Zeit auch das Verdienst zukam, Kritik an den Auswüchsen des politische­n Islam in Kreisen salonfähig gemacht zu haben, die zuvor aus falsch verstanden­er Toleranz lieber weggesehen oder sich um eine Meinung gedrückt haben. Wo andere noch Ideologen waren – nicht zuletzt bei den Grünen –, war Pilz schon Pragmatike­r.

Licht und Schatten begleiten seine investigat­iven Qualitäten. Er hat vieles ans Licht gebracht, aber auch oft mit Kanonen auf Spatzen geschossen – und mitunter waren nicht einmal Spatzen da. Aber er hat hier stets persönlich­es Risiko genommen – ohne Scheu vor Mächtigere­n. Mut und Selbstdars­tellungsdr­ang sind hier eine Symbiose eingegange­n.

Nach derzeitige­m Stand darf sich vor allem die ÖVP über das Auftauchen von Peter Pilz im Wahlkampf freuen, denn er wird Rot und Grün Stimmen wegnehmen. Aber sie sollte sich nicht zu früh freuen. Denn wie man Peter Pilz kennt, wird er nun versuchen, sich an die Spitze derer zu setzen, die Sebastian Kurz noch zu Fall bringen wollen.

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