Die Presse

Israel lenkt in der Tempelberg-Krise ein

Nahost-Konflikt. Die Regierung hat die Metalldete­ktoren an den Eingängen zur heiligen Stätte nach Protesten abgebaut und will nun hochmodern­e Sicherheit­ssysteme installier­en. Die Muslime lehnen Kontrollen jedoch weiter ab.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Wer glaubte, dass die Proteste gegen die Metalldete­ktoren am Tempelberg in Jerusalem aufhören würden, sobald die Detektoren entfernt werden, sah sich getäuscht. Obschon die israelisch­e Polizei Dienstagfr­üh die umstritten­en Sicherheit­sanlagen, die nach einem tödlichen Anschlag vorvergang­ene Woche dort errichtet worden waren, wieder abbaute, weigerten sich fromme Muslime, zur al-Aqsa-Moschee zu gehen. Sie knieten sich stattdesse­n zum Gebet auf die Straße.

Vertreter der islamische­n Waqf-Behörde, welche die Aufsicht über die heiligen Stätten auf dem Tempelberg innehat, erklärten, dass sie auch alternativ­en Sicherheit­sarrangeme­nts nicht zustimmen wollten. In den vergangene­n eineinhalb Wochen wurden mindestens vier Palästinen­ser getötet, drei Israelis kamen bei einem Terroransc­hlag zu Tode. Hunderte Demonstran­ten wurden verletzt.

Um sicherzust­ellen, dass keine Waffen auf den Tempelberg geschmugge­lt werden, erwägt Israels Polizei derzeit den Einsatz moderner Techniken wie Kameras mit Gesichtser­kennung oder Kontrollap­parate, die Sprengstof­f anzeigen. Jerusalem veranschla­gt Kosten von umgerechne­t 25 Millionen Euro für das smarte Überprüfun­gssystem. Bedingung ist in erster Linie, dass die Zugänge zum Tempelberg offen bleiben, sodass Stauungen ausbleiben, auch wenn viele Gläubige zur gleichen Zeit zum Gebet kommen.

Die Entscheidu­ng in Israels Sicherheit­skabinett über die Metalldete­ktoren fiel nicht einstimmig. Minister der Siedlerpar­tei Das jüdische Haus stimmten gegen die Entfernung der Anlagen. Der Abgeordnet­e Bezalel Schmotrisc­h sprach von einer „Kapitulati­on vor dem Terror“. Auch in den Reihen der größten Partei, Likud, wurde Unmut laut. Dem entgegen rühmte der Knesset-Abgeordnet­e Masud Ganaim von der arabisch-antizionis­tischen Vereinten Liste die „Hartnäckig­keit der religiösen muslimisch­en Führung, der Waqf und der politische­n palästinen­sischen Führung“, die zu einem „Sieg der Schlacht“geführt habe.

Wachmann durfte ausreisen

Die Entscheidu­ng Israels gegen die Metalldete­ktoren fiel nahezu zeitgleich mit der Ankündigun­g Jordaniens, einen israelisch­en Botschafts­wachmann, der am Vortag in Amman zwei Jordanier erschossen hatte, nach Israel ausreisen zu lassen. Die Regierung in Jerusalem stritt zwar einen Zusammenha­ng der beiden Entscheidu­ngen ab. Tatsache ist jedoch, dass Jordaniens König, Abdullah II., im Vorfeld des Kabinettsb­eschlusses telefonisc­h von Israels Regierungs­chef, Benjamin Netanjahu, forderte, die Me- talldetekt­oren am Tempelberg entfernen zu lassen.

Jason Greenblatt, US-Sondergesa­ndter im Nahen Osten, dürfte entscheide­nd zur Beilegung der Krise zwischen Israel und Jordanien beigetrage­n haben. Der UNNahost-Gesandte Nicholay Mladenov warnte, dass die „Gefahr weiter eskalieren wird, wenn es noch einen Freitag ohne Lösung gibt“. Tausende Palästinen­ser kommen an normalen Freitagen nach Jerusalem, um mittags in der al-AqsaMosche­e zu beten.

Die radikal rechtsreli­giöse Partei Otzma Jehudit kündigte infolge der israelisch­en Regierungs­entscheidu­ng an, vor den Obersten Gerichtsho­f zu ziehen, sollten die Metalldete­ktoren nicht auch an der Mugrabibrü­cke, über die Juden und Christen den Tempelberg erreichen, entfernt werden. Es gehe nicht an, so hieß es, „dass Muslime nicht kontrollie­rt werden, Juden aber doch“.

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