Macrons erfolgreiche Libyen-Offensive
Frankreich. Unter der Ägide des französischen Präsidenten verpflichteten sich die rivalisierenden Fraktionen zu einem Waffenstillstand, einem Zusammenschluss der Streitkräfte und Wahlen unter UNO-Aufsicht.
Paris. Offenbar ist Emmanuel Macron ein großer Schritt gelungen, der zum Ende des Chaos in Libyen führen könnte – und somit auch zu einer Entschärfung der Flüchtlingskrise im Mittelmeer: Auf Einladung des französischen Staatspräsidenten und des UNO-Sonderbeauftragten Ghassan Salame´ haben sich in La Celle-Saint-Cloud bei Paris der libysche Vorsitzende der Regierung in Tripolis, Fayez alSarraj, und sein in der östlichen Landeshälfte dominierender Rivale, General Khalifa Haftar, getroffen – und sich auch auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt.
Allein schon diese Tatsache zeugt vom reellen Fortschritt. Bei einem vorherigen Treffen in Abu Dhabi hatten sich die rivalisierenden Fraktionen nicht auf eine Erklärung einigen können. Beschlossen wurde am Dienstag ein Waf- fenstillstand und ein Zusammenschluss der Streitkräfte im Kampf gegen Terroristen und kriminelle Banden. Die Schlusserklärung unterstreicht zudem die Bedeutung einer politischen Lösung durch die rasche Vorbereitung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen unter Aufsicht von UNO-Beobachtern.
Auch Haftar will Demokratie
Als Grundlage des nun eingeleiteten Dialogs zur nationalen Versöhnung wird die politische Einigung von Skhirat in Marokko vom Dezember 2015 erwähnt. Die Absichtserklärung von La Celle-SaintCloud nennt als Ziel die Schaffung eines „souveränen, zivilen und demokratischen Rechtsstaats“, der Gewaltentrennung und Menschenrechte respektiert. Dass auch Haftar sich deutlich zur Demokratie bekennt, ist zudem bemerkenswert: Ihm wird vorgeworfen, mit Salafisten zusammenzuarbeiten, um ein Militärregime mit religiösem Einschlag zu errichten.
Der Fortschritt bei der internationalen Vermittlung ist für Europa auch wegen der Flüchtlingskrise von größter Bedeutung. Allein seit Jahresbeginn sind mehr als 90.000 Flüchtlinge in Italien eingetroffen. Die meisten von ihnen kamen über das Mittelmeer aus Libyen.
Macrons Libyen-Treffen ging ein Fauxpas der Präsidentschaftskanzlei voraus: Während sich noch alle fragten, ob sich die beiden um die Staatsführung rivalisierenden Fraktionen in den wichtigen Streitfragen näherkommen würden, publizierte die französische Präsidentschaft aus Versehen bereits den Entwurf eines gemeinsamen Communiques´ in zehn Punkten. Die Gastgeber mussten sich für diese peinliche Voreiligkeit bei den nach La Celle-Saint-Cloud geladenen Delegationen aus Libyen entschuldigen und die Medien ersuchen, für diesen Entwurf bis zur Pressekonferenz gefälligst eine Sperrfrist einzuhalten. Aber handelte es sich wirklich um eine Freud’sche Fehlleistung oder um eine verdeckte Absicht, Druck auszuüben? Für Macron stand viel auf dem Spiel, es war seine erste diplomatische Initiative. Ein Misserfolg wie bei früheren Vermittlungsbemühungen zwischen libyschen Fraktionen kam für ihn nicht infrage. Er war dafür sogar das Risiko eingegangen, die italienischen Partner zu verstimmen. In Rom wurde es nicht geschätzt, dass Macron diese Libyen-Vermittlung im Alleingang angepackt und Italien nicht als Mitorganisator eingeladen hatte.
Dass ausgerechnet Frankreich den libyschen Friedensprozess belebt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie: War es doch ein französischer Staatschef, Nicolas Sarkozy, der vor sechs Jahren den Krieg gegen Muammar Gaddafi initiierte, der das Land ins Chaos stürzte.