Die Presse

Hauptbahnh­of: Vom schönen neuen Bildschirm­schein

Papier ade? Über Wagenstand­sanzeiger und andere Störfälle öffentlich­er Visualisie­rung.

- VON WOLFGANG FREITAG E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

D ie digitale Revolution hat uns ja nebst Bagatellen wie Wikipedia, Google und weltweiter Vernetzung auch allerlei tatsächlic­h fulminante Avancement­s beschert: Wie wunderbar, nur so beispielsw­eise, dass heutzutage (wenn schon niemand anderer) wenigstens mein Smartphone mit mir spricht! Wie erhebend, dass mein Kühlschran­k, meine Waschmasch­ine, mein Geschirrsp­üler längst smarter sind als ich! Wie beruhigend, vom eigenen Automobil streng angewiesen zu werden, was im Verkehr zu tun und was zu lassen sei!

In dieselbe Kategorie elektronis­cher Unverzicht­barkeiten gehören auch die schönen, neuen Wagenstand­sanzeiger der ÖBB. In immer mehr schönen, neuen Bahnhöfen sind sie mittlerwei­le vorbei, die peinlichen Papierzeit­en, da ein schlichter Ausdruck kundtat, wo in welchem Zug welcher Waggon, wo die erste Klasse, wo die zweite, wo der Speisewage­n zu stehen kommen würden! Strahlend blau leuchten sie uns entgegen, die Bildschirm­e, auf denen wir, etwa im schönen, neuen Wiener Hauptbahnh­of, derselben Informatio­n wie ehedem, nun elektronis­ch aufgeputzt, teilhaftig werden. Falls sich diese Informatio­n nicht gerade, störfallwe­ise, ins digitale Nirwana zurückgezo­gen hat. Macht nichts: Was wäre denn noch so informativ­es Papier gegen noch so leer gefegtes Bildschirm­blau?

Auch in den schönen, neuen Gelenkbuss­en der Wiener Linien, etwa jenen der Linie 48A, hat Papier mittlerwei­le ausgedient. Abermals sind es Bildschirm­anzeigen, die jene schnöden Streckenve­rlaufsausd­rucke von ehedem verdrängen. Und dass auf den schicken Screens nur die nächste Handvoll Stationen gezeigt wird und nicht die ganze Strecke, von Umsteigemö­glichkeite­n ganz zu schweigen – sei’s drum. Informatio­nsgesellsc­haft? Ach was, viel wichtiger ist doch der schöne, neue Bildschirm­schein.

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