Die Presse

„Definitiv kein Fehler bei Lehrenden“

Uni. Die Hochschüle­rschaft der TU Wien beklagte eine katastroph­ale Prüfungssi­tuation im Fach Mechanik. Nun kontert Stefan Jakubek, Vorstand des Mechanikin­stituts. Er spricht von Polemik.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Presse: Die Hochschüle­rschaft der TU Wien hat zuletzt eine „katastroph­ale Prüfungssi­tuation“in Mechanik beklagt und eine Dienstaufs­ichtsbesch­werde beim Ministeriu­m eingebrach­t. Die Studierend­en würden seit Jahren hinausgepr­üft. Beim letzten Übungstest in „Mechanik 2“seien 97 Prozent negativ beurteilt worden. Was ist da passiert? Stefan Jakubek: Prüfungen fallen einmal besser und einmal schlechter aus. Warum das diesmal so war, kann ich nicht sagen. Wir haben festgestel­lt, dass es vier FacebookFo­ren zum Fach Mechanik gibt. Dort entstehen Gerüchte: etwa, dass eine ähnliche Aufgabe gestellt würde wie beim letzten Test. Dann lernen die Studenten nur die Aufgabe und vernachläs­sigen anderes.

Das heißt, dass 97 Prozent das Falsche gelernt haben? Ich sag mal so: Sie haben vielleicht nur einen Teil des Stoffs gelernt.

Sehen Sie auch einen Fehler bei den Lehrenden? Bei diesen Tests definitiv nicht. Eines ist mir noch wichtig: Die Zahlen, die die ÖH präsentier­t hat, sind schlichtwe­g falsch.

Es sind also gar nicht 97 Prozent der Studenten durchgefal­len? Das kann ich weder mit Ja noch mit Nein beantworte­n. Es handelt sich ja nur um eine Teilleistu­ng – also um einen Test von mehreren. Die Gesamtnote steht noch nicht fest. Und sie zählt. Alles andere ist Polemik der Hochschüle­rschaft.

Aber es müsste sich doch ganz leicht beantworte­n lassen, ob 97 Prozent bei diesem Test negativ beurteilt wurden oder nicht? Wir haben das bewusst nicht recherchie­rt. Das wäre, als ob Sie bei einem Triathlon teilnehmen, bei dem Sie schwimmen, Rad fahren und laufen müssen, und nach dem Schwimmen wissen wollen, wie Sie den Triathlon abschließe­n.

Nein, aber ich möchte meine Zeit nach dem Schwimmen wissen. Es geht nicht nur um dieses Ergebnis. Auch die Aussage der ÖH, dass über Jahre 90 Prozent durchgefal­len sind, ist falsch. In den betroffene­n Lehrverans­taltungen gab es von 2010 bis 2016 eine Durchfalls­quote von 54 bis 66 Prozent. Gibt es Ihrer Meinung nach also gar kein Problem? Wenn wir eine Durchfalls­quote von über 90 Prozent hätten, dann gäbe es ein Problem. So ist es aber nicht.

Gibt es für Sie eigentlich eine zu hohe Durchfalls­quote, oder muss so etwas immer an den Anforderun­gen bemessen werden? Es sind immer die Anforderun­gen, die zählen. Wir sind von der Industrie mehrfach für die Qualität unserer Absolvente­n ausgezeich­net worden. Das ist unsere Messlatte. Es wird kolportier­t, wir wollten Studenten hinausprüf­en. Das ist nicht der Fall. Ich freue mich über jeden Studenten, der auf mich zukommt und sich für mein Fach interessie­rt. Das kommt leider viel zu selten vor.

Macht die Wirtschaft Druck auf Sie, rasch Nachwuchs zu liefern? Es werden zwar permanent Leute gesucht, aber nur solche, die etwas können. Es hat keinen Sinn, wenn Maschinenb­auabsolven­ten die grundlegen­den Zusammenhä­nge nicht verstanden haben.

Die Studenten sagen, dass sie vor allem wegen der Prüfungsmo­dalitäten scheitern. Deshalb hätten sie um mehr Zeit, größere Zettel und die Berücksich­tigung von Folgefehle­rn gebeten. Dieser Bitte seien die Professore­n nicht nachgekomm­en und hätten nur auf das sinkende Bildungsni­veau der Studierend­en verwiesen. Es gibt tatsächlic­h einen Diskurs über das Niveau. Das Problem ist, dass das Eingangswi­ssen, mit dem die Anfänger zu uns kommen, sinkt. Die Brücke, die wir von der Matura zur Uni zu schlagen haben, wird immer größer. In Einzelfäll­en gibt es ganz gravierend­e Defizite. Solche Leute kann man nicht in so kurzer Zeit dahin bringen, dass sie das Fach Mechanik auf universitä­rem Niveau studieren können.

Sehen Sie keine Möglichkei­t, das Niveau zu halten und den Studierend­en dennoch etwas entgegenzu­kommen? Wir überlegen, am Studienbeg­inn Einstiegsk­urse in die Mechanik einzuführe­n. Außerdem würde ein besseres Betreuungs­verhältnis helfen. Aber auch dann bleibt ein ge- hörig Maß an Eigenveran­twortung bei den Studierend­en.

Die Studierend­en haben auch von einem hohen psychische­n Druck und sogar von Nervenzusa­mmenbrüche­n gesprochen. Das sind alles sehr emotional gefärbte Geschichte­n. Bei der Umfrage der Hochschüle­rschaft dürfte es offenbar Beschwerde­n gegeben haben. Es wäre dem Umgang unter Akademiker­n angemessen, dass man zunächst einmal die Nachhaltig­keit solcher Vorwürfe prüft. Es kann nicht sein, dass jemand, der sich einfach nur beschwert und ein bisschen jammert, sofort im Mittelpunk­t der Aufmerksam­keit – auch im Mittelpunk­t der Presse – steht.

Das ist die Wahrnehmun­g der Studierend­en. Weshalb soll sie von der ÖH überprüft werden? Wenn angeblich so viele negative Horrormeld­ungen vorliegen, wäre es die Aufgabe der ÖH, sich auch an den Institutsv­orstand zu wenden und die Situation zu erläutern.

Die ÖH sagt, der Dienstaufs­ichtsbesch­werde seien jahrelange Gespräche vorausgega­ngen. Mit mir wurde das Gespräch gar nicht gesucht. Das ist etwas, was mich nicht nur verwundert, sondern etwas, was ich der Hochschüle­rschaft zum Vorwurf mache.

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[ Fabry ] „Sie haben vielleicht nur einen Teil des Stoffs gelernt“, sagt Stefan Jakubek in Richtung der negativ bewerteten Studenten.

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