Die Presse

Jobs: Akademiker auf dem Abstellgle­is

Arbeitsmar­kt. In Österreich geht die Arbeitslos­igkeit seit Monaten zurück. Doch unter Akademiker­n sieht die Entwicklun­g anders aus. Bei ihnen gibt es einen neuen Arbeitslos­enrekord.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Bildung gilt als der zentrale Schlüssel, um auf dem Arbeitsmar­kt bestehen zu können. Doch auch, wer studiert hat, kann auf dem Arbeitsmar­kt Probleme bekommen. Wie eine Sonderausw­ertung des Arbeitsmar­ktservice (AMS) für die „Presse“zeigt, ist die Zahl der arbeitslos­en Akademiker zuletzt auf einen Rekordstan­d gestiegen. Ende Juni 2017 waren 28.466 Akademiker arbeitslos oder in Schulung beim AMS gemeldet. Zum Vergleich: Ende Juni 2013 zählte das AMS 17.409 arbeitslos­e Akademiker. Während österreich­weit die Arbeitslos­igkeit seit Monaten zurückgeht, verzeichne­t das AMS bei den Akademiker­n eine andere Entwicklun­g. Trotzdem darf die Lage nicht dramatisie­rt werden. Unter den 374.973 arbeitslos­en Personen und Schulungst­eilnehmern, die Ende Juni beim AMS gemeldet waren, ist der Akademiker­anteil immer noch niedrig.

Interessan­t ist ein Vergleich der Studienric­htungen. Nach absoluten Zahlen haben die meisten Akademiker, die Ende Juni arbeitslos oder in Schulung beim AMS gemeldet waren, ein Studium der Betriebswi­rtschaft abgeschlos­sen. In Summe handelte es sich dabei um 2032 Menschen.

Danach kamen 1416 Personen, die Jus studiert haben. Auf Platz drei lagen die Psychologe­n (694 Menschen), gefolgt von 667 Menschen mit einem Lehramtsst­udium. Auf Rang fünf unter den arbeitslos­en Akademiker­n lagen die Absolvente­n von Publizisti­k und Kommunikat­ionswissen­schaften (583 Menschen), gefolgt von 579 Personen, die ein Medizinstu­dium vorweisen können.

Auch bei diesem Ranking sind die Relationen zu beachten: Mit fast 4500 Studienanf­ängern in einem Semester waren die Rechtswiss­enschaften zuletzt die beliebtest­e Studienric­htung an Österreich­s Universitä­ten. Allerdings schließt nur ein Drittel der Jusstudent­en das Studium ab. Auf Platz zwei lagen die Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaften mit 4138 Studienanf­ängern. Es überrascht daher nicht, dass die Absolvente­n der sogenannte­n Massenstud­ien wie Jus, Publizisti­k und Psychologi­e auch in der AMS-Statistik relativ weit oben liegen. Wegen der restriktiv­en Aufnahmepo­litik in der öffentlich­en Verwaltung sowie der hohen Anwaltsdic­hte in Städten müssen beispielsw­eise Juristen auf andere Arbeitsmar­ktbereiche umschwenke­n.

Gute Chancen auf dem Arbeitsmar­kt haben Absolvente­n von sogenannte­n Mint-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft und Technik.

Gibt es zu viele Akademiker?

In Deutschlan­d klagt die Industrie seit Jahren, dass es zu viele Akademiker, aber zu wenige Facharbeit­er gibt. Der Trend zur „Akademisie­rung um jeden Preis“müsse gestoppt werden, fordert der deutsche Industrie- und Handelskam­mertag. „So viele Gutausgebi­ldete brauchen wir gar nicht“, schrieb jüngst die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“angesichts der steigenden Zahl der Studienabs­olventen. Auch in Österreich ist die Akademiker­quote in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen. Laut Statistik Austria lag der Anteil der Hochschula­bsolventen unter den 25- bis 64-Jährigen im Jahr 2001 bei 7,5 Prozent, 2011 waren es 11,9 Prozent, und 2015 kletterte die Quote auf 14,1 Prozent.

Trotzdem schneiden Akademiker im Vergleich zu Menschen mit anderen Bildungsab­schlüssen auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt immer noch besser ab.

So lag in den vergangene­n 25 Jahren die Arbeitslos­enquote von Akademiker­n meist relativ stabil zwischen zwei und drei Prozent, zuletzt ist die Quote auf 3,4 Prozent gestiegen. Im Vergleich dazu hat sich die Arbeitslos­enquote von Personen mit höchstens Pflichtsch­ulausbildu­ng in den vergangene­n 25 Jahren verdreifac­ht und beträgt derzeit 22,4 Prozent. „Jeder über die Pflichtsch­ule hinausgehe­nde Bildungsab­schluss trägt wesentlich dazu bei, die Beschäftig­ungschance­n zu erhöhen. Die geringste Arbeitslos­enquote haben immer noch Personen mit akademisch­er Ausbildung“, heißt es beim Arbeitsmar­ktservice.

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