Die Presse

Sie haben aus der Krise nichts gelernt

Selbst Zinsentlas­tung und Aufschwung helfen nicht gegen Budgetdefi­zite.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie Europäisch­e EZB sieht Licht am Ende des Konjunktur­tunnels: Die Euroraum-Wirtschaft entwickle sich so gut, dass die Rückkehr der Inflation in die Gegend des von der EZB angepeilte­n Zielwerts von zwei Prozent immer realistisc­her werde, frohlockte EZB-Direktor Yves Mersch gestern öffentlich.

Freut uns zu hören. Zwar ist Inflation nicht wirklich das, was sich Konsumente­n wünschen. Aber mit der Annäherung an den Inflations­zielwert werden der Euro-Notenbank ja auch die Argumente für die Geldschwem­me und das Klammern an die Nullzinsen ausgehen. Mit der Inflation kommen also auch die Zinsen zurück. Das freut zumindest die Anleger – vorausgese­tzt, die Zinsen überholen irgendwann wieder die Inflations­rate.

Apropos Zinsen: Vorgestern hat die Deutsche Bundesbank wieder einmal darauf hingewiese­n, dass sich die Eurostaate­n seit 2008 durch die Nullzinspo­litik rund eine Billion Euro an Zinszahlun­gen erspart haben. Für Österreich beträgt die Zinserspar­nis im Schnitt rund 3,5 Mrd. Euro pro Jahr.

Das heißt: Ersparnis ist vielleicht nicht der ganz richtige Ausdruck. Denn regelmäßig im Wahlkampfm­odus steckende Demokratie­n neigen ja dazu, unverhofft­e Mehreinnah­men bzw. Minderausg­aben nicht zur Konsolidie­rung, sondern für zusätzlich­e Staatsausg­aben zu verwenden.

Dieses in der volkswirts­chaftliche­n Literatur viel beschriebe­ne Phänomen hat Johanna Mikl-Leitner einmal, als sie noch nicht Landeshaup­tfrau des zweithöchs­t verschulde­ten Bundesland­es war, in dem ebenso prägnanten wie unvergessl­ichen Satz „Her mit dem Zaster“auf den populistis­chen Punkt gebracht. W ir stellen also fest: Die meisten Euroregier­ungen haben die EZBAtempau­se nicht für konsolidie­rende Reformen genutzt. Auch die österreich­ische nicht. Denn trotz Zinsentlas­tung und Wirtschaft­saufschwun­g gibt es in der heimischen Politik wie seit Jahrzehnte­n auch weiterhin nur eine verlässlic­he Konstante: das Budgetdefi­zit.

Ein bestürzend­er Befund: Sie haben aus der Krise also nichts gelernt. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal.

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