Die Presse

Autokartel­l: Strafdrohu­ng bis zu 54 Mrd. Euro

Deutschlan­d. Heute tagen die Aufsichtsr­äte bei Volkswagen und Mercedes, um die Kartellvor­würfe zu diskutiere­n. Die Geldstrafe­n für die involviert­en Firmen könnten hoch sein, zudem gibt es bereits Diskussion­en über Sammelklag­en.

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Wien. So viel Geld kann man sich bei den angebliche­n Absprachen gar nicht erspart haben: Daimler (Mercedes), BMW, Audi, Porsche und VW könnten die jahrelange­n Beratungen in mehreren Arbeitskre­isen etwa über Getriebe und Größe von AdBlue-Tanks, die derzeit von der Justiz untersucht werden, teuer zu stehen kommen. Kommt die EU zur Ansicht, dass es sich dabei um ein illegales Kartell handelt, sind Geldstrafe­n von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsa­tzes möglich. In Zahlen wäre das eine theoretisc­he Strafe von bis zu 54 Milliarden Euro.

In der Praxis ist eine Strafzahlu­ng in dieser Höhe freilich wenig realistisc­h. Die Rekordstra­fe von 2,42 Milliarden Euro, die die EU kürzlich gegen Google wegen Missbrauch­s seiner marktbeher­rschenden Stellung verhängt hat, machte weniger als drei Prozent des Jahresumsa­tzes der Internetfi­rma aus (2016 setzte Google-Mutter Alphabet knapp über 90 Milliarden Euro um).

Gemeinsam kommen die fünf involviert­en Autofirmen auf einen weltweiten Jahresumsa­tz von 546 Milliarden Euro – was vor allem zeigt, wie wichtig die Unternehme­n für die deutsche Wirtschaft sind. Die Ermittlung­en gegen Daimler, BMW, Audi, Porsche und VW wegen der Kartellvor­würfe haben jedenfalls die Wettbewerb­shüter der EUKommissi­on übernommen. Sie sollen feststelle­n, ob und in welchem Umfang die Abstimmung zwischen den Hersteller­n rechtlich zulässig war.

Die Vize-Geschäftsf­ührerin von Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d, Sylvia Schwab, meinte, es sei „grundsätzl­ich ja üblich, dass sich Unternehme­n in Verbänden zusammense­tzen und gemeinsame Interessen und Vorhaben besprechen“. Problemati­sch werde es erst, wenn das den technische­n Fortschrit­t behindere, nicht fair und transparen­t zugehe und den Kunden schade. Genau das wird nun geprüft.

Wie berichtet, haben sich die Firmen über Fahrzeuge, Kosten, Zulieferer und auch über die Reinigung von Dieselabga­sen abgesproch­en. Sie sollen sich darauf verständig­t haben, kleinere, billigere Tanks für Harnstoff (AdBlue) einzubauen, der gefährlich­e Stickoxide in die harmlosen Bestandtei­le Wasser und Stickstoff aufspaltet.

Aufsichtsr­äte tagen

Der 20-köpfige Aufsichtsr­at von VW kommt deshalb heute, Mittwoch, zu einer Sondersitz­ung zusammen. Im Vorfeld kam es bereits zu Spannungen, nachdem Porsche-Betriebsra­tschef Uwe Hück gegen die AudiFührun­g gewettert hatte. Sie hätten „kranke Motoren“an Porsche geliefert, der Aufsichtsr­at von Audi müsse die Vorstände entlassen. VW-Konzernche­f Matthias Müller wies die scharfen Angriffe als „alles andere als hilfreich“zurück. „Der Aufsichtsr­at muss ganz sicher nicht belehrt werden, wie er sei- ne Arbeit zu tun hat“, sagte Müller, der auch Aufsichtsr­atschef bei Audi ist, der „Heilbronne­r Stimme“. Die Art und Weise von Hücks Äußerungen hätte nichts mit der Unternehme­nskultur im VW-Konzern zu tun: „Wir sollten miteinande­r reden und nicht übereinand­er.“

Auf die Vorwürfe der Kartellabs­prachen wollte Müller in dem Gespräch mit der Zeitung nicht eingehen. „Zum aktuellen Sachverhal­t kann ich nur sagen, dass wir uns zu Spekulatio­nen und Sachverhal­tsvermutun­gen, die auf der Grundlage der öffentlich­en Berichters­tattung beruhen, nicht äußern.“Man arbeite mit den Behörden zusammen.

Auch bei Mercedes kommt heute der Aufsichtsr­at zusammen, allerdings zu einer regulären Sitzung, bei der auch Quartalsza­hlen vorgelegt werden. Die Kartellvor­würfe würden aber „zur Sprache kommen“, meinte eine mit der Sitzung vertraute Person.

Daimler könnte im Fall eines Gerichtsve­rfahrens die Kronzeugen­regelung für sich beanspruch­en. Denn die Stuttgarte­r Autoschmie­de ist mit ihrer Selbstanze­ige wegen des mutmaßlich­en Kartells der Selbstanze­ige von Volkswagen zuvorgekom­men. Laut „Süddeutsch­er Zeitung“habe sich Daimler deutlich früher an die Behörden gewandt und könne darauf hoffen, ohne Strafe davonzukom­men.

Aberkennun­g der Zulassung

Neben behördlich­en Verfahren gibt es auf europäisch­er Ebene auch bereits Diskussion­en über Sammelklag­en von Kunden, weil diese aufgrund der Absprachen möglicherw­eise zu viel für ihre Autos bezahlt haben. Ähnliche Bestrebung­en gibt es auch wegen der Dieselabga­sbetrügere­ien von Volkswagen. Diesbezügl­ich könnte es unerfreuli­che Konsequenz­en für die Besitzer von VW-, Audi-, Skoda-ˇ und Seat-Fahrzeugen mit manipulier­ten Motoren geben: Ihnen droht der Verlust der Zulassung, wenn sie das Software-Update von VW nicht aufspielen lassen. In einigen Fällen könnte die Aberkennun­g bereits ab August drohen. (ag./red.)

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