Die Presse

Wie man deutsche Bilanzüber­schüsse reduzieren könnte

Die USA und Europa sollten ihre lockere Geldpoliti­k endlich beenden.

- VON HANS-WERNER SINN Hans-Werner Sinn (* 1948 in Brake) ist Professor für Nationalök­onomie und Finanzwiss­enschaft an der Universitä­t von München, er war Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaft­sforschung und Berater des deutschen Wirtschaft­sministeri­ums

Der „Economist“hat recht, wenn er sagt, dass Deutschlan­d einen zu großen Leistungsb­ilanzübers­chuss hat. Aber warum ist er zu groß? Einige sagen, Deutschlan­d exportiere so viel, weil es sehr gute Waren habe. Andere betonen, dass Deutschlan­d zu wenig importiere, weil die Löhne zu niedrig seien.

Wieder andere weisen darauf hin, dass ein Leistungsb­ilanzübers­chuss definitori­sch dem Kapitalexp­ort des Landes und damit dem Überhang der Ersparniss­e über die Investitio­nen gleicht. Sie fordern Deutschlan­d auf, weniger zu sparen oder mehr zu investiere­n.

Der deutsche Leistungsb­ilanzübers­chuss hat sein Spiegelbil­d freilich in den Defiziten anderer Länder, insbesonde­re den USA, auf die ein Drittel aller weltweiten Leistungsb­ilanzdefiz­ite entfallen.

Die Defizitlän­der könnte man mit gleichem Recht auffordern, wettbewerb­sfähiger zu werden, ihre Löhne zu senken, mehr zu sparen oder weniger zu investiere­n. Ähnliches könnte man von den im Ausland hoch verschulde­ten Ländern Südeuropas verlangen, die zwar heute wegen der niedrigen Zinsen annähernd ausgeglich­ene Leistungsb­ilanzen haben, doch nun eigentlich Überschüss­e brauchten, um ihre Schulden zurückzuza­hlen.

Kapitalstr­öme nach Südeuropa

Um zu entscheide­n, was geschehen sollte, muss man die Ursachen der Überschüss­e dingfest machen. Eine der Hauptursac­hen liegt in der extremen Verschuldu­ng und fehlenden Haushaltsd­isziplin der USA, in der lockeren Geldpoliti­k der Fed sowie in den vielen Konsumente­nkrediten und haftungsbe­schränkten Hauskredit­en, auf denen die US-Ökonomie basiert. In Verbindung mit ihrer Kreditwürd­igkeit hat dies den USA ein Leben über die Verhältnis­se ermöglicht.

Andere Ursachen liegen in der Einführung des Euro und der Sicherheit, die die neue Währung den Investoren geboten hat. Dass ein Euroland in Konkurs gehen könnte, konnte man sich nicht mehr vorstellen. Die künstlich geschaffen­e Sicherheit hat bis etwa 2008 sehr viel Kapital nach Südeuropa gelenkt und private wie öffentlich­e Schuldenex­zesse ermöglicht, die in diesen Ländern inflationä­re Kreditblas­en erzeugt haben, die die Wettbewerb­sfähigkeit zerstören.

Deutsche haben nicht profitiert

Der exzessive Keynesiani­smus hat eine Politik der lockeren Budgetbesc­hränkungen ermöglicht und dafür gesorgt, dass Kapital auch dann noch aus Deutschlan­d nach Südeuropa gelenkt wurde, als es da eigentlich gar nicht mehr hinwollte. Das hat zwar zu den deutschen Leistungsb­ilanzübers­chüssen beigetrage­n, doch profitiert Deutschlan­d davon nicht.

Es erhält für die Überschüss­e nämlich großenteil­s Schuldsche­ine, die wegen der EZB-Politik heute kaum noch verzinst werden und deren Rückzahlun­g mehr als ungewiss ist. Ja, die Hälfte des gesamten Nettoausla­ndsvermöge­ns der Bundesrepu­blik Deutschlan­d besteht derzeit aus bloßen unverzinsl­ichen Target-Forderunge­n der Bundesbank. Ihre Forderunge­n kann die Bundesbank nie fällig stellen.

Ein Ende der lockeren Geldpoliti­k in den USA und Europa sowie auch speziell ein Ende der künstliche­n Umlenkung der Kapitalstr­öme nach Südeuropa sind die notwendige­n Komplement­e der in Deutschlan­d möglichen Investitio­nsstimulie­rung. Deutschlan­d kann schon aus logischen Gründen nicht gleichzeit­ig seine Leistungsb­ilanzdefiz­ite abbauen und die vom Ausland begehrten Billigkred­ite weiterhin gewähren. Wenn die Politik das endlich einmal verstünde, wäre schon viel gewonnen.

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