Wie man blaue Wunder vermeidet
Marken. Ein Tiroler Onlineshop kassierte ordentliche Strafen, weil er den „Wunder-Baum“plagiiert haben soll. Der Fall zeigt, wie sehr kleine Firmen die rechtliche Gefahr im Internet unterschätzen.
Wer kennt nicht das Duftbäumchen, das in Taxis weltweit für bessere Luft sorgen soll? Die amerikanische Julius Sämann Ltd. setzt alles daran, dass ihr „WunderBaum“seinen Ikonenstatus behält. Die Firma verteidigte ihre Bildmarke in dutzenden Verfahren. Zuletzt bekam der Tiroler Onlinehändler 4betterdays Post aus den USA. Er hatte 700 Zirbenduftbäume eines regionalen Zwei-Mann-Betriebs verkauft. Eine Verwechslung sei ausgeschlossen, argumentiert der Händler gegenüber der „Presse“. Die Bäumchen seien fürs Schlafzimmer, aus Holz statt Plastik, aus Einzel- statt Fließbandfertigung – und sie sähen schlicht aus, wie jedes Kind einen Baum zeichnet. Am Ende stehen dennoch 320.000 Euro Jahresumsatz einer Strafe von mehr als 40.000 Euro gegenüber. Soweit hätte es nach Meinung von Rechtsexperten nie kommen müssen.
Unwissenheit schützt nicht
Die Fehler begannen vor dem Verfahren. Sie erlebe das oft, sagt Markenrechtsexpertin Barbara Kuchar von der Kanzlei Karasek Wietrzyk: Kleine Unternehmer verstünden die Welt nicht, wenn im transparenten Internetzeitalter eine Abmahnung aus dem Ausland eintrifft. Wie 4betterdays betonen sie, nie mit Vorsatz fremde Rechte verletzt zu haben. Solche Fälle zeigten das fehlende Haftungsbewusstsein. „Man ist mit keinem Produkt in einem rechtsfreien Raum, auch wenn man nur drei Stück verkauft.“Es gilt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Verkäufer haften ver- schuldensunabhängig für Markenrechtsverletzungen.
Was können Unternehmen machen, damit es nicht so weit kommt? Ihre „Hausaufgaben“, sagt Kuchar: Sie sollten vor dem Verkaufsstart den Markt sondieren. Kostenlose Hilfe und Suchmaschinen stellt das Patentamt zu Verfügung. Und bei einer bekannten Marke, die so viele Verfahren für sich entschieden hat, sollte man als Duftbaumhersteller generell viel Abstand halten, sagt Kuchar. Onlineshops, die tausende Produkte auf der Homepage führen und nicht überall die Rechtslage abklä- ren können, rät sie außerdem, eine Schad- und Klagloshaltung der Hersteller einzuholen. Bei einer Verurteilung können sie sich dann an ihnen regressieren.
Der Tiroler Fall ist allerdings in mehrerer Hinsicht besonders. Schon, weil das Unternehmen weder auf die Abmahnung noch auf das Urteil mit den anfangs genannten Argumenten reagierte. Mittlerweile ist es in erster Instanz rechtskräftig. „Man kann sich in so einer Situation nicht passiv verhalten“, betont Kuchar. Im konkreten Beispiel wäre 4betterdays mit 1000 Euro Buße und dem Verkaufsstopp davongekommen. Immaterialgüterrechtsexperte Martin ProhaskaMarchried von der Kanzlei Taylor Wessing hält bereits diese Summe für fragwürdig: Große würden Kleine oft überrumpeln, indem sie ohne Abmahnung klagen oder sie wie im Fall des „Wunder-Baums“sofort zur Kassa bitten. International zähle es zum guten Ton, dem Markenrechtsverletzer zuerst ohne Kosten auf die Finger zu klopfen.
Die Praxis sieht anders aus
Nach Prozessbeginn gibt es ebenso ungeschriebene Spielregeln. Es sei Usus, im Gegenzug für die Unterlassung Fristen für die Sortimentsumstellung und das Aufbrauchen der verbotenen Produkte zu verhandeln, so Prohaska-Marchried. Die drohende Kostenlawine habe ihn abgeschreckt, Berufung einzulegen, sagt Elmar Frischmann, der den Onlineshop leitet. Was den Tiroler vor allem stört, ist aber nicht die Unterlassung. Er muss das Urteil nicht nur auf der Seite, sondern bundesweit in der Krone inserieren. Kostenpunkt: 38.000 Euro.
Diese Forderung hätte laut Kuchar und Prohaska-Marchried in zweiter Instanz schwer gehalten. Vor allem, da die Zirbenbäume nie in einem Printmedium erschienen, die breite Öffentlichkeit also nie getäuscht hätte werden können. Die Judikatur dazu sei „rechtspolitisch zu hinterfragen“, sagt ProhaskaMarchried. Frischmann spricht weniger juristisch von einem Fall David gegen Goliath. Er fordert nun die Hilfe der Wirtschaftskammer. Schließlich sei sie es, die Österreichs Firmen einen Onlineshop nahelegt.