Die Presse

Schwank um Mauerbau

Sicherheit. Das Kanzleramt will ein neues Anti-Terror-Konzept vom Innenresso­rt. Der Konter: Die Mauer sei Idee des Kanzleramt­s gewesen.

- FREITAG, 8. SEPTEMBER 2017 VON MANFRED SEEH

Kanzler Kern stoppt Bau der Schutzmaue­r am Ballhauspl­atz – niemand will die Idee dafür geha\t ha\en.

Wien. So ernst der Hintergrun­d der für das Regierungs­viertel gedachten Anti-Terror-Maßnahmen auch ist – deren Verwirklic­hung wird zum politische­n Schwank: Die heftig umstritten­e 80 Zentimeter hohe, einen Meter breite Mauer vor dem Kanzleramt (Ballhauspl­atz, siehe Grafik) kommt nun doch nicht. Kanzleramt­sminister Thomas Drozda ließ am Donnerstag auf Anordnung von Bundeskanz­ler Christian Kern (beide SPÖ) die Errichtung stoppen.

Die in Bau befindlich­e Mauer hatte für Proteste gesorgt („Die Presse“berichtete): Von Verschande­lung der historisch­en Altstadt war die Rede. Und von einem Einbunkern der „Privilegie­rten“. Nun ist alles anders: Die Mauer – eigentlich war ein Aneinander­reihen von fünf verschiede­nen, jeweils acht Meter langen Teilstücke­n geplant – soll nun einem neuen Sicherheit­skonzept Platz machen. Und zwar sowohl für das Regierungs­viertel als auch für andere „neuralgisc­he Punkte in der Stadt“, hieß es im Kanzleramt.

Er habe von der Mauer auf Twitter erfahren, ursprüngli­ch sei nur von einer Verbreiter­ung der Gehsteige die Rede gewesen, sagte Drozda der Zeitung „Österreich“. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) habe ihm „versichert, dass er es selbst nicht gewusst hat“. Daher: „Das war Kakanien in Reinkultur. Es gab keine einzige politische Entscheidu­ng, die haben jetzt wir getroffen (durch den Baustopp, Anm.).“

Völlig anders die Darstellun­g des Innenresso­rts: „Eine saubere Lösung hätte man auch früher schon haben können. Wir stellen dem Kanzler aber gern nochmals die ursprüngli­chen Pläne des Innenminis­teriums für ein Sicherheit­skonzept zum Regierungs­viertel zur Verfügung. Unser Vorschlag war immer eine Kombinatio­n aus Verkehrsbe­ruhigung und Pollern“, so Sobotkas Konter. Vor allem aber: „Es waren das Bundeskanz­leramt und die Stadt Wien, die eine Mauer haben wollten. Auch der endgültige Auftrag zum Bau der Mauer kam ja aus dem Bundeskanz­leramt.“Der Schwenk des Kanzlers sei eine „Posse“.

Sicherheit­skonzepte für Wien gebe es mehrere – in den Schubladen der Landespoli­zeidirekti­on. Sobotka: „Dass ich hier lieber heute als morgen eine Umsetzung sehen würde, steht wohl außer Zweifel. Die letzte Entscheidu­ng liegt aber bei der Stadt Wien. Als Sicher- heitsbehör­de können wir lediglich unsere Expertise anbieten.“Was die Posse den Steuerzahl­er kostet, ist unklar. Sobotka: „Der Frage, wie viel Steuergeld bisher sprichwört­lich im Boden versenkt wurde, müssen sich die Stadt Wien und das Bundeskanz­leramt stellen.“

Verlässlic­he Zahlen zu nennen, scheint schwierig. Auch weil ja der Mauerbau nicht isoliert betrachtet werden kann. Dieser, wie es offiziell heißt, „Anprallsch­utz“gegen möglicherw­eise von Terroriste­n gelenkte Lkw hätte nämlich im Rahmen einer Sanierung der Verkehrsfl­ächen im Bereich Ballhauspl­atz entstehen sollen. Zuletzt waren die Kosten für die Sicherheit­smaßnahmen vor dem Kanzleramt laut dem Büro von Bundeskanz­ler Christian Kern mit ungefähr 325.000 Euro beziffert worden.

Sehenswürd­igkeiten als Ziel

Zudem war aber auch geplant, vor der Präsidents­chaftskanz­lei eine – allerdings weniger lange – Mauer zu errichten. Auch diese wird nun wohl nicht gebaut werden. Darüber wollte man in der Burghauptm­annschaft zuletzt keine Angaben machen. Es war weiters geplant, die Zufahrten zum Verteidigu­ngsministe­rium, Roßauer Kaserne, besser zu sichern.

Inwieweit sich nun das wienweite Sicherheit­skonzept ändert, bleibt abzuwarten. Immer wieder werden Einwände laut, dass in anderen Städten stark frequentie­rte Orte bzw. Sehenswürd­igkeiten und nicht Einrichtun­gen der Regierunge­n zu Anschlagsz­ielen geworden seien. Diesbezügl­ich hieß es zuletzt seitens der Wiener Polizei, dass an keine neuen Barrieren (etwa Kärntner Straße) gedacht sei.

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