Die Presse

Die grüne Disharmoni­e

Analyse. Der Wahlkampf der Grünen kommt nur schwer in Schwung. Die Strategie der Partei birgt Risken und Chancen.

- VON ANNA THALHAMMER

Der Wahlkampf der Grünen kommt nur schwer in Schwung. Risken und Chancen der grünen Strategie.

Wien. Es ist fast ein wenig absurd. Die Grünen halfen noch vor wenigen Monaten, Alexander Van der Bellen als ersten grünen Kandidaten Europas auf einen Präsidente­nsessel zu hieven. Sein langer, schwierige­r Wahlkampf wurde danach von Experten als handwerkli­ch gut gelobt. Seiner Mutterpart­ei droht nun – glaubt man manchen Umfragen – der Einzug ins Parlament verwehrt zu bleiben. Ein Überblick über Pannen und Risken.

Plakate und Sujets

Am Donnerstag wurde die zweite Plakatwell­e der Grünen präsentier­t. Während bei der ersten die Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek im Zentrum gestanden ist, setzt man nun auf sechs Themenfeld­er: Bildung, soziale Gerechtigk­eit, Gleichstel­lung, Wohnen, Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft und in Europa sowie Klimaschut­z. Teilweise sind die Sujets schon bekannt: Manche wurden schon im Wiener Gemeindera­tswahlkamp­f 2015 affichiert. Auch dort gab es ein Plakat mit dem „Miethai“und eines mit Kindern, das sich für Bildung für alle einsetzte. Vor der Plakatwell­e machten die Grünen im Sommer auch eine Onlinekamp­agne mit Sujets, auf denen SPÖ-Spitzenkan­didat Christian Kern und ÖVP-Frontmann Sebastian Kurz mit einem Sonnenbran­d zu sehen waren. Damit wollte man auf die drohenden Folgen des Klimawande­ls hinweisen. Schon für den Wiener Gemeindera­tswahlkamp­f 2015 verpasste man Wiens SPÖ-Bürgermeis­ter, Michael Häupl, einen Photoshop-Sonnenbran­d.

Ob der Wiederholu­ng kann man geteilter Meinung sein: Einerseits ist der Ansatz natürlich wenig kreativ, anderersei­ts könnte man den Wiedererke­nnungswert ins Treffen führen. Eine Strategie, auf die auch die FPÖ setzt, deren Plakate seit Jahren mehr oder weniger gleich aussehen. Wovon viele Werbeexper­ten den Grünen wohl aber eher abraten würden, ist, den politische­n Mitbewerbe­r statt der eigenen Kandidatin zum Thema zu machen.

Themen und Timing

Die Wiener Grünen schnitten 2015 deutlich unter ihren Erwartunge­n ab – der Wahlkampf wurde parteiinte­rn wie -extern als wenig geglückt eingestuft. Ein Hauptkriti­kpunkt war, dass die Themen (Wohnen, Bildung) vor dem Hintergrun­d des Höhepunkts der Flüchtling­swelle kein Gehör fanden und an der dominieren­den gesellscha­ftlichen Diskussion vorbeiging­en. Auch diesmal beteiligen sich die Grünen nicht an den vorrangig dominanten Themen wie Migration, sozialer Absicherun­g, Wirtschaft und Arbeit. Dass diese derart im Vordergrun­d stehen, hat auch mit einem bisher perfekt durchorche­strierten Wahlkampf des ÖVPSpitzen­kandidaten Sebastian Kurz zu tun. Die Grünen versuchen bisher eher zaghaft, in diesen Debatten die Gegenposit­ion als „einzig linke Alternativ­e“einzunehme­n. Das ist vor dem Rechtsruck der SPÖ strategisc­h nur logisch. Stattdesse­n versucht man, Alleinstel­lungsmerkm­ale aufzubauen – thematisch wie mit Lunacek als einziger Frau als Nummer eins bei der Wahl. Das ist Chance und Risiko zugleich. Chance, weil es Wähler ansprechen kann, die eine thematisch­e Alternativ­e suchen und genug von Themen haben, über die ohnedies alle reden. Es besteht aber das Risiko, thematisch übertönt zu werden und daneben unterzugeh­en.

Ungeschick­t sind die Grünen auch mit Timing und Präsentati­on ihrer Inhalte. So war die SPÖ mit der Inszenieru­ng ihres Plan A erfolgreic­h – ÖVP-Chef Sebastian Kurz steigert die Spannung auf sein Programm, indem er es lang zurückhält, beinahe ins Unermessli­che – und wenn er dann etwas häppchenwe­isen präsentier­t, bekommt er dafür viel Aufmerksam­keit. Die Grünen hatten am Montagaben­d dieser Woche ihren Wahlkampfa­uftakt (zu dem die Parteichef­in, Ingrid Felipe, nicht einmal kam, apropos Timing) – vom Parteiprog­ramm war keine Rede. Das wurde Dienstagfr­üh dann ohne Präsentati­on an Journalist­en verschickt. Am selben Tag machte Vizepartei­chef Werner Kogler eine Pressekonf­erenz zum Thema „Blau-schwarzes Fladerante­nklima“, um gegen eine mögliche blauschwar­ze Koalition Stimmung zu machen.

Parteiführ­ung und -teilung

Die Ämtertrenn­ung von Parteichef­in (Ingrid Felipe) und Spitzenkan­didatin (Ulrike Lunacek), die nach dem Rücktritt Eva Glawischni­gs vollzogen wurde, ist aus zwei Gründen problemati­sch: Erstens, weil dieser Wahlkampf besonders auf Personen zugespitzt ist – man denke an Kern, Kurz, Strache oder Pilz. Auch Ulrike Lunacek hätte ungeteilte Aufmerksam­keit brauchen können, um ihren Bekannthei­tsgrad zu erhöhen. Zweitens bleibt wohl bei geteilter Führung auch beim Wähler die Frage, wer denn bei den Grünen in letzter Konsequenz zuständig ist.

Felipe und Lunacek müssen auch noch mit anderen, unglücklic­hen Trennungen in ihrer Partei fertigwerd­en: Abgesehen davon, dass nach Van der Bellens Sieg etliche kompetente Mitarbeite­r im Presse- und Kampagnent­eam gegangen sind, schadet der Partei natürlich Mitkonkurr­ent und Ex-Grüner Peter Pilz, der nun mit einer eigenen Liste antritt und Stammwähle­r abzieht.

Auch Teile ihrer Jugendorga­nisation gingen nach heftigen Streitigke­iten mit der Parteispit­ze andere Wege. Die Bundesvert­retung der Jungen Grünen tritt mit der KPÖ Plus zur Wahl an – parallel dazu versucht die Partei auf Druck, eine neue Jugendorga­nisation aufzubauen. Diese soll noch vor der Wahl am 15. Oktober aus der Taufe gehoben werden.

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[ APA ] Am Donnerstag präsentier­ten die Grünen ihre zweite Plakatwell­e.

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