Die Presse

Dankbarkei­t ist keine Politikkat­egorie Vom Mitleid mit den Grünen

Der kleinen Partei kamen zentrale Persönlich­keiten abhanden. Nun kommt noch Pech dazu, die alte Inhaltslos­igkeit rächt sich bitter.

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Kassandra kam aus guter Familie, war durchaus attraktiv und hatte die seltene Gabe, in die Zukunft zu sehen. Diese war allerdings ziemlich düster, daher fand sie kein Gehör.

So oder so ähnlich geht es den Grünen. Ihnen trauen ihre Wähler nicht mehr und laufen davon. Erstmals seit Langem könnten sie sogar um den Verbleib im Nationalra­t kämpfen. (Während sich die Neos ihrer Sache lässig völlig sicher sind.) Dabei waren es die Grünen, die eines der zentralen Themen unserer Zeit und Gesellscha­ft in den Mittelpunk­t ihrer politische­n Arbeit gerückt hatten: den Schutz der Umwelt.

Sie warnten schon früh vor dem Klimawande­l, kämpften von Anfang an für Maßnahmen gegen ein Phänomen, das nur noch Donald Trump und Mitstreite­r völlig verleugnen. (Was nicht heißt, dass man die Übertreibu­ng der Erderwärmu­ng nicht kritisiere­n darf.) Und schon davor veränderte­n die Grünen durch den Kampf gegen Umweltzers­törung die politische Landschaft Österreich­s. I hr Erfolg wurde auch zu ihrem größten Problem: Umweltschu­tz findet sich als ein wichtiges Ziel bei fast allen Parteien, auch wenn die Methoden und Wege, es zu erreichen, völlig unterschie­dlich sind. Von der flächendec­kenden Mülltrennu­ng bis zu der Erkenntnis, dass Wohnraum vielleicht doch wichtiger als Hubraum ist, haben die Grünen die Zeit geändert und waren ein Spiegel dieser Zeit. Nur leider ist die Welt nicht gerecht und Dankbarkei­t keine politische Kategorie.

Die Verdienste der Grünen sind historisch, in den vergangene­n Jahren fiel die kleine Partei mit drei Punkten auf: 1. Alexander Van der Bellen 2. unbedingte­m Regierungs­willen 3. einem Wettbewerb, wer noch mehr Vorschrift­en und Verbote erfindet, mit denen man die Welt, die Stadt und vor allem die eigene Schlagzeil­e verbessern kann.

Alexander Van der Bellen kam den Grünen in die Hofburg abhanden, im Wahlkampf um das Amt des Bundespräs­identen musste die Partei zahlen und schweigen. Punkt zwei funktionie­rte zwar auf Landeseben­e mehrfach, in der Bundesregi­erung blieb und bleibt es ein gieri- ger Wunsch. Und zu Punkt drei: Wien hat gezeigt, dass Regieren die Grünen nicht unbedingt populärer macht. Ganz offen argumentie­ren da Zeitgenoss­en wie Christoph Chorherr, dass man die Bürger zu ihrem künftigen Glück notfalls zwingen muss. Soll heißen: Wer glaubt, ein Auto fahren zu müssen, soll so lang Staus genießen, bis er darauf verzichtet. (Chorherr nennt solche Kritik übrigens Häme-Journalism­us. Geschenkt!) I n der Ära Eva Glawischni­g wurde zwar viel gelächelt und der Außenauftr­itt der Partei profession­alisiert, also glänzend und modern gestaltet, aber eine notwendige inhaltlich­e Neupositio­nierung, wie sie in jeder Partei und jeder Organisati­on notwendig ist, wurde vermieden. Dann kam der Pyrrhussie­g mit Van der Bellen, der die Partei in eine sonderbare atmosphäri­sche Katerstimm­ung versetzte; und sie hatte dadurch keinen Rückenwind, sondern Wahlkämpfe­r, die müde das Weite suchten.

Dann ging Glawischni­g zermürbt vom langen Warten aufs Mitregiere­n und von den Intrigen meist männlicher Parteifreu­nde. Für diese bekam dann Peter Pilz die Rechnung serviert und wurde von der Basis nicht mehr gewählt. Damit hat er insgeheim gerechnet und bastelt nun an seinem Traum einer auf seine Person zugeschnit­tenen Partei, in der Islam- und Kapitalism­uskritiker Hand in Hand gehen.

Die Notkandida­tin Ulrike Lunacek und Notparteic­hefin Ingrid Felipe könnten einem leidtun. Doch zum Unglück kommt nicht nur Pech, sondern auch ein handwerkli­ches Defizit dazu: Von einer Aufholjagd­kampagne ist wirklich nichts zu bemerken. Sondern nur die inhaltslee­re Spaßreklam­e der vergangene­n Jahre und Maria Vassilakou, die ihre Gegner (im Pilz-Lager) mit der Ankündigun­g, wieder zu kandidiere­n, mobilisier­t. Dennoch würde die Truppe im Nationalra­t fehlen. Das mit dem Regieren ist aus eigener Schuld in sehr weite Entfernung gerückt.

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VON RAINER NOWAK

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