Die Presse

Der Papst auf Friedensmi­ssion in Südamerika

Kolumbien. Franziskus nützt seine Reise ins befriedete Land, um an einem anderen Krisenherd zu vermitteln: in Venezuela.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Bogota.´ Stunden, ehe Papst Franziskus in Kolumbien landete, wandte er sich in dem jüngst auf den Namen Pastor I getauften Alitalia-Airbus an die etwa 70 mitreisend­en Journalist­en und sagte: „Heute werden wir Venezuela überfliege­n. Ich bitte um ein Gebet, damit dieses Land zum Dialog und einen Weg zur Stabilität finden möge.“Als die Maschine in den Luftraum über dem Karibiklan­d eindrang, schickte der Heilige Vater ein Grußtelegr­amm an den Präsidente­n Nicolas´ Maduro in Caracas. Und nach seiner Ankunft wurde bekannt, dass Franziskus am Donnerstag, nach der ersten Messe auf Bogotas´ zentraler Plaza de Bol´ıvar, eine Delegation venezolani­scher Bischöfe empfangen werde. Auch wenn dieses Treffen als privat bezeichnet wurde, dürfte kein Zweifel an dessen öffentlich­er Wirkung bestehen. Die schwere Staatskris­e in der bolivarisc­hen Republik beunruhigt Franziskus im selben Maße wie seinen Gastgeber Juan Manuel Santos. Der Friedensno­belpreistr­äger, der den Papst auf dem Flughafen Eldorado persönlich empfing, hatte vor einem Monat 150.000 Aufenthalt­stitel an Flüchtling­e aus dem Nachbarlan­d bewilligt. Aber tatsächlic­h wird damit gerechnet, dass sich schon mehr als eine Million Venezolane­r in Kolumbien aufhält und dort, meist zu Hungerlöhn­en, illegal arbeitet. Diese schon schwere Belastung für die von der Rohstoffkr­ise angeschlag­ene kolumbiani­sche Wirtschaft könnte freilich noch wesentlich zunehmen, sollte in Venezuela ein offener Bürgerkrie­g ausbrechen. In dieser extrem delikaten Lage dürfte jedes Wörtchen des Papstes zu den Vorgängen in Venezuela registrier­t und abgewogen werden. Denn Franziskus ist einer der wenigen möglichen Mittler, der noch immer Zugang zu den Regierende­n in Caracas hat.

Diese Rolle hatte der Heilige Vater auch – sehr diskret – in dem Prozess gespielt, der Kolumbien nach sechs Jahrzehnte­n das Ende des inneren Konfliktes brachte. Während der fast vierjährig­en Verhandlun­gen zwischen Regierung und der Farc-Guerilla waren stets Emissäre aus Rom nahe – und mehrfach, wenn sich die Verhandlun­gen festfuhren, half der Heilige Stuhl aus der Sackgasse. Während einer dieser Interventi­onen hatte Franziskus angekündig­t, er werde persönlich Kolumbien besuchen, sollten sich beide Seiten auf einen Frieden verständig­en. Dieses Verspreche­n löst er nun ein. Aber natürlich war ihm klar, dass seine Reise in ein wohl befriedete­s, aber keineswegs geeintes Land führen wird.

Brandbrief von Uribe in Nuntiatur

Schon richtig: Die Abgabe der Waffen an die UNO verlief flüssig, die Farc wandelte sich in eine politische Partei und will im Februar bei den Präsidents­chaftswahl­en mitmischen. Und zuletzt vereinbart­e die Regierung auch einen Waffenstil­lstand mit der zweiten, kleineren Rebellengr­uppe ELN. Doch so bereitwill­ig solche Kunde in einer Welt voller Konflikte aufgenomme­n wird, so wenig wird der Groll beachtet, den viele Kolumbiane­r hegen. Dass Präsident Santos den Friedenspr­ozess ins Werk setzte, obwohl sich das Volk in einem Referendum explizit dagegen ausgesproc­hen hatte, trug ihm erbitterte Gegner ein.

Nach seiner Ankunft in der apostolisc­hen Nuntiatur fand der Papst einen Brief des ehemaligen Präsidente­n A´lvaro Uribe vor. Darin brachte der nunmehrige Senator seine „tiefe Beunruhigu­ng“über den Zustand des Landes zum Ausdruck. Uribe klagte über „das Ansteigen des Drogenhand­els, dessen Auswirkung­en auf das Suchtverha­lten der Jugendlich­en sowie die Zerstörung der Natur wie etwa der tropischen Regenwälde­r“. Der Koka-Anbau hat sich im vorigen Jahr im Schatten des Friedenspr­ozesses verdoppelt. Nach dem Abzug der Guerilla haben Drogenband­en viele der abgelegene­n früheren Rebellenge­biete übernommen.

Auf Franziskus waret ein dichtes Programm: In Villavicen­cio, einer Stadt am Andenabhan­g, die wegen ihrer strategisc­hen Lage viele Jahre im Zentrum der Konflikte zwischen linker Guerilla und rechten Paramilitä­rs stand, wird Franziskus am heutigen Freitag eine große Versöhnung­smesse halten. Am Samstag wird er Medell´ın besuchen, die Stadt, deren Konversion von der Mordhaupts­tadt der Welt zum Wachstumsz­entrum Kolumbiens die Hoffnung auf einen Weg aus dem Konflikt verkörpert. Am Sonntag steht in der alten Hafenstadt Cartagena, dem einstigen Ankunftsha­fen der Sklavensch­iffe aus Afrika, eine Messe an, in deren Zentrum die Menschenre­chte stehen sollen.

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[ AFP ] Der Papst nach seiner Landung auf dem Flughafen Eldorado in Bogota.´

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