Der Papst auf Friedensmission in Südamerika
Kolumbien. Franziskus nützt seine Reise ins befriedete Land, um an einem anderen Krisenherd zu vermitteln: in Venezuela.
Buenos Aires/Bogota.´ Stunden, ehe Papst Franziskus in Kolumbien landete, wandte er sich in dem jüngst auf den Namen Pastor I getauften Alitalia-Airbus an die etwa 70 mitreisenden Journalisten und sagte: „Heute werden wir Venezuela überfliegen. Ich bitte um ein Gebet, damit dieses Land zum Dialog und einen Weg zur Stabilität finden möge.“Als die Maschine in den Luftraum über dem Karibikland eindrang, schickte der Heilige Vater ein Grußtelegramm an den Präsidenten Nicolas´ Maduro in Caracas. Und nach seiner Ankunft wurde bekannt, dass Franziskus am Donnerstag, nach der ersten Messe auf Bogotas´ zentraler Plaza de Bol´ıvar, eine Delegation venezolanischer Bischöfe empfangen werde. Auch wenn dieses Treffen als privat bezeichnet wurde, dürfte kein Zweifel an dessen öffentlicher Wirkung bestehen. Die schwere Staatskrise in der bolivarischen Republik beunruhigt Franziskus im selben Maße wie seinen Gastgeber Juan Manuel Santos. Der Friedensnobelpreisträger, der den Papst auf dem Flughafen Eldorado persönlich empfing, hatte vor einem Monat 150.000 Aufenthaltstitel an Flüchtlinge aus dem Nachbarland bewilligt. Aber tatsächlich wird damit gerechnet, dass sich schon mehr als eine Million Venezolaner in Kolumbien aufhält und dort, meist zu Hungerlöhnen, illegal arbeitet. Diese schon schwere Belastung für die von der Rohstoffkrise angeschlagene kolumbianische Wirtschaft könnte freilich noch wesentlich zunehmen, sollte in Venezuela ein offener Bürgerkrieg ausbrechen. In dieser extrem delikaten Lage dürfte jedes Wörtchen des Papstes zu den Vorgängen in Venezuela registriert und abgewogen werden. Denn Franziskus ist einer der wenigen möglichen Mittler, der noch immer Zugang zu den Regierenden in Caracas hat.
Diese Rolle hatte der Heilige Vater auch – sehr diskret – in dem Prozess gespielt, der Kolumbien nach sechs Jahrzehnten das Ende des inneren Konfliktes brachte. Während der fast vierjährigen Verhandlungen zwischen Regierung und der Farc-Guerilla waren stets Emissäre aus Rom nahe – und mehrfach, wenn sich die Verhandlungen festfuhren, half der Heilige Stuhl aus der Sackgasse. Während einer dieser Interventionen hatte Franziskus angekündigt, er werde persönlich Kolumbien besuchen, sollten sich beide Seiten auf einen Frieden verständigen. Dieses Versprechen löst er nun ein. Aber natürlich war ihm klar, dass seine Reise in ein wohl befriedetes, aber keineswegs geeintes Land führen wird.
Brandbrief von Uribe in Nuntiatur
Schon richtig: Die Abgabe der Waffen an die UNO verlief flüssig, die Farc wandelte sich in eine politische Partei und will im Februar bei den Präsidentschaftswahlen mitmischen. Und zuletzt vereinbarte die Regierung auch einen Waffenstillstand mit der zweiten, kleineren Rebellengruppe ELN. Doch so bereitwillig solche Kunde in einer Welt voller Konflikte aufgenommen wird, so wenig wird der Groll beachtet, den viele Kolumbianer hegen. Dass Präsident Santos den Friedensprozess ins Werk setzte, obwohl sich das Volk in einem Referendum explizit dagegen ausgesprochen hatte, trug ihm erbitterte Gegner ein.
Nach seiner Ankunft in der apostolischen Nuntiatur fand der Papst einen Brief des ehemaligen Präsidenten A´lvaro Uribe vor. Darin brachte der nunmehrige Senator seine „tiefe Beunruhigung“über den Zustand des Landes zum Ausdruck. Uribe klagte über „das Ansteigen des Drogenhandels, dessen Auswirkungen auf das Suchtverhalten der Jugendlichen sowie die Zerstörung der Natur wie etwa der tropischen Regenwälder“. Der Koka-Anbau hat sich im vorigen Jahr im Schatten des Friedensprozesses verdoppelt. Nach dem Abzug der Guerilla haben Drogenbanden viele der abgelegenen früheren Rebellengebiete übernommen.
Auf Franziskus waret ein dichtes Programm: In Villavicencio, einer Stadt am Andenabhang, die wegen ihrer strategischen Lage viele Jahre im Zentrum der Konflikte zwischen linker Guerilla und rechten Paramilitärs stand, wird Franziskus am heutigen Freitag eine große Versöhnungsmesse halten. Am Samstag wird er Medell´ın besuchen, die Stadt, deren Konversion von der Mordhauptstadt der Welt zum Wachstumszentrum Kolumbiens die Hoffnung auf einen Weg aus dem Konflikt verkörpert. Am Sonntag steht in der alten Hafenstadt Cartagena, dem einstigen Ankunftshafen der Sklavenschiffe aus Afrika, eine Messe an, in deren Zentrum die Menschenrechte stehen sollen.