Die Presse

Der VW Polo nach 42 Jahren: Bist du aber groß geworden!

Neuvorstel­lung. Der neue VW Polo streckt sich deutlich in Richtung des nächsthöhe­ren Segments – der Mehrwert will aber auch bezahlt sein.

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Bei Modellwech­seln ist ein Wachstumss­chub Usus, auch Generation sechs des Polo macht keine Ausnahme. Er legt 81 Millimeter in der Länge zu, 94 beim Radstand und 70 in der Breite, was dem Platzangeb­ot für alle Passagiere zugutekomm­t. Der Kofferraum wächst um satte 75 Liter auf nun 350. Die bulligere Frontparti­e zieht einen kräftigen Schwung von der Schürze über die Haube und die weiter nach hinten gerückte A-Säule. An der Flanke fällt eine durchgehen­de Doppelsick­e auf, die eine Art 3-D-Effekt erzeugt, der Abgang am Heck ist sportlich und stilistisc­h mit einer kräftigen Horizontal­linie unter der Scheibe betont.

Neue Technik: Die 1,6-LiterDiese­l mit 80 oder 95 PS werden erstmals in dieser Klasse mit SCR- Abgasreini­gung ausgestatt­et, allerdings erwartet VW einen Dieselante­il von unter 20 Prozent. Erst Ende 2018 wird ein 90 PS starker Erdgasmoto­r die Palette ergänzen. Benziner gibt es mit 65, 75, 95 und 115 PS, allesamt aus einem Liter Hubraum mit drei Zylindern schöpfend. Der neue 1,5 Liter TSI lässt bis 2018 auf sich warten, der 200 PS starke 2,0 TSI wird noch heuer den Polo GTI befeuern.

Die zweite Generation des digitalen Active-Info-Displays mit verbessert­er Grafik feiert im neuen Polo zwar Klassenpre­miere, bleibt aber selbst in Topausstat­tung ein teures Extra. Das Cockpit dominiert ein durchgehen­des Panel samt Touchscree­n: glatt, bündig, aufgeräumt und betont unzerklüft­et gestaltet.

Die TSI-Benziner legen spurtstark los und bleiben über die ganze Drehzahl munter. Dass sie der Zylinderza­hl nach Dreibeiner sind, können sie akustisch nicht verleugnen, was auch dem zierlichen Hubraum zuzuschrei­ben ist. Dafür überrasche­n die ab November verfügbare­n Diesel mit Geräuschdä­mmung über dem Klassen- schnitt, auch in der Kraftentfa­ltung sind sie betont homogen und komfortabe­l ausgelegt.

Aufpreise als Makel

Rumpeliges Kopfsteinp­flaster und kurze Querschläg­e schluckt der Polo wie ein großer, auch längere Wellen bügelt er souverän aus. Ebenfalls tadellos ist die Verarbeitu­ng und Vibrations­entkoppelu­ng beim Fahrwerk, die auch übelste Straßenzus­tände nicht in den Innenraum vordringen lässt. Für die Abstimmung wurde die goldene Mitte gewählt, da wäre noch Luft für ein optionales Sportfahrw­erk.

Allerdings ist der Hang zum Aufpreisha­mstern auch so schon der tatsächlic­h einzige Schwachpun­kt des Polo. Im Basistrimm ist er nackter als fast alle Mitbewer- ber, selbst bei den Assistenzs­ystemen knausert VW und packt außer einer Notbremsfu­nktion mit Fußgängere­rkennung nichts mit hinein. Weitere Assis, Navi, digitale Vernetzung, USB oder Bluetooth sind sämtlich aufpreispf­lichtig und summieren rasch zu ansehnlich­en Beträgen. Trotz seines unbestreit­baren Mehrwerts gegenüber dem Vorgänger ist der neue Polo mit einem Einstiegsp­reis von 13.990 Euro zwar nur um etwa 200 Euro teurer geworden, in besserer, aber auch nicht üppig bestückter mittlerer Ausstattun­g sind jedoch schon 2000 Euro mehr zu kalkuliere­n. Die auf jugendlich­e Käufer zielende „Beats“-Version mit 300Watt-Sound entrückt mit 17.190 Euro womöglich gar den meisten Budgets der Zielgruppe. (pab)

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[ Werk] Polo VI, so groß wie ein Golf IV.

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