Wenn der Schwarm in die Bresche springt
Crowdfunding. Um Finanzierungslücken zu schließen, wenden sich Projektentwickler verstärkt an Kleinanleger. Im ersten Halbjahr 2017 haben sie auf diese Weise bereits rund sechs Millionen Euro eingesammelt.
Wenngleich mit einiger Verzögerung, ist Immobilien-Crowdfunding mittlerweile auch in Österreich angekommen. Beispiele für repräsentative Projekte gibt es zur Genüge. Erst kürzlich wurde etwa das erste, 2015 auf Home Rocket gestartete Crowdfunding-Projekt vollständig abgewickelt. Jene 158 Anleger, die insgesamt 324.500 Euro in ein Wohnprojekt in der Wiener Donaufelderstraße investiert hatten, erhielten ihr Kapital vom Bau- träger C&P Immobilien zurück, nachdem sie über die Laufzeit von 18 Monaten Zinsen in der Höhe von fünf Prozent pro Jahr ausbezahlt bekamen. Bis Ende August hatten Anleger zudem die Möglichkeit, sich an einem weiteren Projekt von C&P Immobilien, einem Wohnquartier im Westen von Graz, für eine jährliche Verzinsung von sechs Prozent bei einer Laufzeit von 4,5 Jahren zu beteiligen. Bis Anfang August konnten bereits rund 500.000 Euro eingesammelt werden.
Ende August konnte auch Mitbewerber Rendity ein Projekt zur Teilfinanzierung der Sanierung und des Ausbaus eines Gründerzeitobjekts in Wien Ottakring vorzeitig erfolgreich abschließen und 500.000 Euro auf die Beine stellen.
Abschlüsse schaffen weitere Nachfrage
Seit Anfang August gesellt sich zu den bereits etablierten Plattformen mit Sarego eine weitere hinzu. Das erste Projekt, die Sanierung und Modernisierung eines Gründerzeitaltbaus in der Wiener Schopenhauerstraße, wird für den Developer Vermehrt GmbH umgesetzt. Versprochen wird – bei einer Laufzeit von 15 Monaten – eine jährliche Verzinsung von 6,5 Prozent. „Weitere Projekte in Österreich stehen in den Startlöchern“, sagt Geschäftsführer Maximilian Sayn-Wittgenstein. „Die Nachfrage nach Crowdinvestments nimmt praktisch von Monat zu Monat zu und die bereits erfolgreich zurückgezahlten Projekte der vergangenen Monate haben das Interesse nochmals gepusht“, sagt Rendity-CMO Tobias Leodolter. Dagobert Invest, eine weitere Plattform, will errechnet haben, dass Projektentwickler auf diese Weise allein im ersten Halbjahr 2017 in Österreich rund sechs Millionen Euro lukriert haben.
Dass sich Crowdfunding bei immer mehr Projektentwicklern – vor allem kleineren – eines regen Interesses erfreut, hat einen guten Grund. „Aufgrund der zunehmenden Regulierung hat sich das Risikoprofil der Banken verschärft, weshalb in den vergangenen Jahren bei der Vergabe von Krediten strengere Eigenkapitalanforderungen gelten“, erklärt Alexander Hohendanner, Partner im Bereich Corporate Finance bei Deloitte Österreich. „Oft können Bauträger das geforderte Eigenkapital für Projekte nicht mehr selbst aufbringen, was eine Fremdfinanzierung infrage stellt.“Diese Lücke könne mittels Crowdfundings geschlossen werden. „Diese unbesicherten, qualifizierten Nachrangdarlehen werden von den Banken dem Eigenkapital zugerechnet und ermöglichen somit die Fremdkapitalfinanzierung durch Banken“, erläutert Hohendanner.
Attraktive Verzinsung
Aber auch die Anleger können von den Angeboten profitieren. Investments sind oft bereits mit kleinen Summen von mehreren Hundert Euro möglich, wodurch sich mit ein paar Tausend Euro ein gut diversifiziertes Portfolio zusammenstellen lässt. „Selbstverständlich sind auch die Zinsen zwischen sechs und acht Euro, die entweder jährlich oder halbjährlich ausbezahlt werden, attraktiv – vor allem im Hinblick auf das aktuelle Niedrigzinsniveau“, sagt Wolfgang Deutschmann, Gründer und Geschäftsführer von Home Rocket.
Eine gewisse Vorsicht ist dennoch angebracht. „Unbesicherte qualifizierte Nachrangdarlehen bergen das Risiko eines Totalverlusts, sollte das Bauprojekt scheitern“, erklärt Hohendanner. Auch wenn er bekräftigt, dass in Österreich bisher noch von keinem Projekt zu hören war, das geplatzt wäre, empfiehlt er, die auf den Plattformen präsentierten Projekte kritisch unter die Lupe zu nehmen und sich beispielsweise die Lage genau anzuschauen. „Bekanntlich steht und fällt ja jedes Projekt mit der Lage“, sagt er. Aber auch die Bauqualität und etwaige Nachhaltigkeitszertifizierungen sind Kriterien, die man in die Überlegungen miteinbeziehen sollte. Im Zweifelsfall und bei höheren Investitionssummen empfiehlt Hohendanner, eine zweite Meinung eines unabhängigen Experten einzuholen. Grundsätzlich sei es aber im Interesse der Plattformen, solide Projekte anzubieten. „Schließlich werben sie damit ja um das weitere Geschäft“, so der Berater.