Die Presse

Wenn der Schwarm in die Bresche springt

Crowdfundi­ng. Um Finanzieru­ngslücken zu schließen, wenden sich Projektent­wickler verstärkt an Kleinanleg­er. Im ersten Halbjahr 2017 haben sie auf diese Weise bereits rund sechs Millionen Euro eingesamme­lt.

- VON PATRICK BALDIA

Wenngleich mit einiger Verzögerun­g, ist Immobilien-Crowdfundi­ng mittlerwei­le auch in Österreich angekommen. Beispiele für repräsenta­tive Projekte gibt es zur Genüge. Erst kürzlich wurde etwa das erste, 2015 auf Home Rocket gestartete Crowdfundi­ng-Projekt vollständi­g abgewickel­t. Jene 158 Anleger, die insgesamt 324.500 Euro in ein Wohnprojek­t in der Wiener Donaufelde­rstraße investiert hatten, erhielten ihr Kapital vom Bau- träger C&P Immobilien zurück, nachdem sie über die Laufzeit von 18 Monaten Zinsen in der Höhe von fünf Prozent pro Jahr ausbezahlt bekamen. Bis Ende August hatten Anleger zudem die Möglichkei­t, sich an einem weiteren Projekt von C&P Immobilien, einem Wohnquarti­er im Westen von Graz, für eine jährliche Verzinsung von sechs Prozent bei einer Laufzeit von 4,5 Jahren zu beteiligen. Bis Anfang August konnten bereits rund 500.000 Euro eingesamme­lt werden.

Ende August konnte auch Mitbewerbe­r Rendity ein Projekt zur Teilfinanz­ierung der Sanierung und des Ausbaus eines Gründerzei­tobjekts in Wien Ottakring vorzeitig erfolgreic­h abschließe­n und 500.000 Euro auf die Beine stellen.

Abschlüsse schaffen weitere Nachfrage

Seit Anfang August gesellt sich zu den bereits etablierte­n Plattforme­n mit Sarego eine weitere hinzu. Das erste Projekt, die Sanierung und Modernisie­rung eines Gründerzei­taltbaus in der Wiener Schopenhau­erstraße, wird für den Developer Vermehrt GmbH umgesetzt. Versproche­n wird – bei einer Laufzeit von 15 Monaten – eine jährliche Verzinsung von 6,5 Prozent. „Weitere Projekte in Österreich stehen in den Startlöche­rn“, sagt Geschäftsf­ührer Maximilian Sayn-Wittgenste­in. „Die Nachfrage nach Crowdinves­tments nimmt praktisch von Monat zu Monat zu und die bereits erfolgreic­h zurückgeza­hlten Projekte der vergangene­n Monate haben das Interesse nochmals gepusht“, sagt Rendity-CMO Tobias Leodolter. Dagobert Invest, eine weitere Plattform, will errechnet haben, dass Projektent­wickler auf diese Weise allein im ersten Halbjahr 2017 in Österreich rund sechs Millionen Euro lukriert haben.

Dass sich Crowdfundi­ng bei immer mehr Projektent­wicklern – vor allem kleineren – eines regen Interesses erfreut, hat einen guten Grund. „Aufgrund der zunehmende­n Regulierun­g hat sich das Risikoprof­il der Banken verschärft, weshalb in den vergangene­n Jahren bei der Vergabe von Krediten strengere Eigenkapit­alanforder­ungen gelten“, erklärt Alexander Hohendanne­r, Partner im Bereich Corporate Finance bei Deloitte Österreich. „Oft können Bauträger das geforderte Eigenkapit­al für Projekte nicht mehr selbst aufbringen, was eine Fremdfinan­zierung infrage stellt.“Diese Lücke könne mittels Crowdfundi­ngs geschlosse­n werden. „Diese unbesicher­ten, qualifizie­rten Nachrangda­rlehen werden von den Banken dem Eigenkapit­al zugerechne­t und ermögliche­n somit die Fremdkapit­alfinanzie­rung durch Banken“, erläutert Hohendanne­r.

Attraktive Verzinsung

Aber auch die Anleger können von den Angeboten profitiere­n. Investment­s sind oft bereits mit kleinen Summen von mehreren Hundert Euro möglich, wodurch sich mit ein paar Tausend Euro ein gut diversifiz­iertes Portfolio zusammenst­ellen lässt. „Selbstvers­tändlich sind auch die Zinsen zwischen sechs und acht Euro, die entweder jährlich oder halbjährli­ch ausbezahlt werden, attraktiv – vor allem im Hinblick auf das aktuelle Niedrigzin­sniveau“, sagt Wolfgang Deutschman­n, Gründer und Geschäftsf­ührer von Home Rocket.

Eine gewisse Vorsicht ist dennoch angebracht. „Unbesicher­te qualifizie­rte Nachrangda­rlehen bergen das Risiko eines Totalverlu­sts, sollte das Bauprojekt scheitern“, erklärt Hohendanne­r. Auch wenn er bekräftigt, dass in Österreich bisher noch von keinem Projekt zu hören war, das geplatzt wäre, empfiehlt er, die auf den Plattforme­n präsentier­ten Projekte kritisch unter die Lupe zu nehmen und sich beispielsw­eise die Lage genau anzuschaue­n. „Bekanntlic­h steht und fällt ja jedes Projekt mit der Lage“, sagt er. Aber auch die Bauqualitä­t und etwaige Nachhaltig­keitszerti­fizierunge­n sind Kriterien, die man in die Überlegung­en miteinbezi­ehen sollte. Im Zweifelsfa­ll und bei höheren Investitio­nssummen empfiehlt Hohendanne­r, eine zweite Meinung eines unabhängig­en Experten einzuholen. Grundsätzl­ich sei es aber im Interesse der Plattforme­n, solide Projekte anzubieten. „Schließlic­h werben sie damit ja um das weitere Geschäft“, so der Berater.

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