Die Presse

Wettbewerb um die Toplagen

Coworking Spaces. Bisher war das Feld eher kleineren Anbietern überlassen. Nun positionie­ren sich zunehmend auch große, internatio­nale Betreiber flexibler Bürolösung­en.

- VON STEPHANIE DIRNBACHER

Wir sind in Verhandlun­g mit den Eigentümer­n eines Gebäudes in Wien mit circa 5000 Quadratmet­ern“, erklärt Martin Giesswein, Leiter des jüngsten österreich­ischen Projekts des italienisc­hen Coworking-Anbieters Talent Garden. Nachdem die ursprüngli­ch ins Auge gefasste Immobilie im neunten Bezirk teuer hätte umgebaut werden müssen, soll ein anderer Standort Anfang 2018 eröffnen. Neben einer offenen Innenarchi­tektur und einer guten Anbindung an den öffentlich­en Verkehr nennt Giesswein als größte Herausford­erung bei der Suche die Größe. „Talent Garden sucht bewusst nach circa 5000 Quadratmet­ern, weil dann eine kritische Anzahl von Members möglich ist und auch Services wie die Innovation Academy und Eventräuml­ichkeiten in einem Gebäude anbietbar sind.“

Ab 3000 Quadratmet­ern

„Die großen Betreiber brauchen Flächen ab 3000 Quadratmet­ern, um einen Gewinn zu erwirtscha­ften“, erklärt Patrick Schild, Head of Office And Industrial & Logistics bei CBRE Österreich. Flächen gebe es genug, sagt Schild, sowohl im ersten als auch in den angrenzend­en innerstädt­ischen Bezirken rund um die typischen Bürocluste­r wie Wien Mitte oder Viertel Zwei. Auch Thomas Schanda, der bei EHL Immobilien den Bereich Market Research leitet, ist überzeugt, dass große Coworking-Betreiber in Wien fündig werden. Dabei verweist er etwa auf das Messecarre­e Wien, den Austria Campus oder das Quartier Belvedere Central.

Anderer Meinung ist Alexander Fenzl, Leiter des gewerblich­en Maklerteam­s bei Otto Immobilien: Große Flächen in halbwegs urbanen Lagen zu erschwingl­ichen Preisen seien in Wien rar, meint er. Typische Bürotürme würden meist ausscheide­n, weil die Brandschut­zregeln keine zusammenhä­ngenden Flächen in entspreche­nder Größe zulassen. Dennoch sondieren laut Fenzl gerade mehrere größere Betreiber den Markt. Dabei gehe es darum, „der First Mover zu sein, um das Potenzial zu testen. In Wien gibt es Coworking im großen Stil wie zum Beispiel in London oder New York nämlich noch nicht.“

Anderersei­ts findet man in den Businessce­ntern großer Anbieter wie Regus oder Your Office neben getrennten Büroeinhei­ten auch Coworking-Flächen. Im neuen Innovation­szentrum WeXelerate im Designtowe­r am Wiener Donaukanal wird es ebenfalls einen solchen Bereich mit rund 26 Arbeitsplä­tzen geben.

„Diese Zentren funktionie­ren alle gut und erwirtscha­ften einen Profit“, sagt Schild und betont, dass der Markt noch nicht erschöpft ist: „Das sind die Büros der Zukunft.“Interessan­te Lagen befinden sich „überall dort, wo Bürocluste­r sind“, etwa am Hauptbahnh­of oder im Euro Plaza am Wienerberg. Regus plant für Anfang nächsten Jahres mindestens ein weiteres Center in Wien. Auch Your Office will in den nächsten zwei Jahren neben seinen bisher fünf Standorten zwei weitere Immobilien in Wien für Shared Offices und Coworking öffnen: eine in der Innenstadt, eine im dritten, vierten oder sechsten bis neunten Bezirk. „Die Suche nach der richtigen Immobilie in der Innenstadt gestaltet sich äußerst schwierig“, erzählt Your-Office-Geschäftsf­ührer Michael Graf. Die Altbauten hätten dafür meist weder die nötige Flexibilit­ät noch den entspreche­nden Zustand.

In Zentrumsnä­he

In diesen Lagen sind in den vergangene­n Jahren zahlreiche kleinere Coworking Spaces mit ein paar Hundert Quadratmet­ern aus dem Boden geschossen. Konkrete Zahlen kann weder die Wirtschaft­skammer noch der Verband der Immobilien­wirtschaft vorlegen. Vor allem Start-up-Hubs zielen auf urbane, zentrumsna­he Lagen mit U-Bahn- und Radweganbi­ndung ab. „Die Frage ist hier, wie man die richtige Größe findet“, sagt Schanda. Diese umfasst laut Stefan Leitner-Sidl „mindestens 500 Quadratmet­er“. Nur dann sei der Betrieb rentabel, wenn auch „keine Goldgrube“. Leitner-Sidl war 2002 mit seinem Partner Michael Pöll der Erste, der hierzuland­e mit der Schraubenf­abrik einen Coworking Space gegründet hat. Mit mittlerwei­le zwei Standorten mit je rund 1000 Quadratmet­ern machen sie rund 400.000 Euro Umsatz im Jahr.

Viele Coworking Spaces finanziere­n sich auch über die Vermietung von Event- und Konferenzr­äumen – solche sind daher ein Muss bei der Immobilien­wahl. Der auf Start-ups fokussiert­e Sektor 5 in Margareten erzielt etwa 30 Prozent seiner Einnahmen über die externe Vermietung seiner Konferenz- und Meetingräu­me. Auch das Cocoquadra­t in der Wiedner Hauptstraß­e, Coffeeshop und Coworking Space in einem, setzt auf das Zusatzgesc­häft mit Seminaren und Workshops. „Diese Säulen brauchen wir“, sagt Dominik Greiner, der am Cocoquadra­t beteiligt ist. 2018 soll eine zweite Filiale in Wien eröffnen. „Wir suchen alte Bankfilial­en, weil diese von der Größe gut gelegen sind und einen Straßenzug­ang haben“, so Greiner. Als Standort kommen entweder der zweite, der achte oder der neunte Bezirk infrage.

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[ Stockwerk Coworking/ Coworking Spaces: Derzeit dominieren eher kleine Anbieter den Markt in Wien.

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