Die Presse

Dienstbare Geister der Neuzeit

Der Lift erwartet den Benutzer mit geöffneten Türen, Heizung und Klimaanlag­e temperiere­n das Meeting nach Anzahl der Teilnehmer. Die Zukunft hat schon begonnen.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Intelligen­te Gebäude erinnern mitunter an Zeiten, als noch dienstbare Geister das Leben leicht gemacht haben. „Bald werden wir, ohne einen Knopf zu drücken, in unser Büro oder unsere Wohnung kommen“, prophezeit Gernot Schöbitz, Geschäftsf­ührer von Kone Österreich. Der Aufzugsher­steller hat ein System zur Automatisi­erung des Personenfl­usses in Gebäuden entwickelt. Die Technik erkennt am Smartphone oder an einem Chip, wenn ein Berechtigt­er das Gebäude betritt, öffnet ihm das Garagentor, stellt den Lift bereit, fährt die Kabine in die richtige Etage und öffnet beim Aussteigen die Bürotür. „Mit der digitalen Technik ist fast alles möglich“, meint Schöbitz.

Energieman­agement

Der quasi mitdenkend­e Aufzug ist nur das augenfälli­gste Element eines intelligen­ten Gebäudes. Die Technik sollte dem Nutzer das geben, was er in einem Bauwerk will, wie man es bei Dial, einem deutschen Spezialist­en für Gebäudeaut­omation, formuliert: „Optimale Temperatur, frische Luft, optimale Beleuchtun­g, Zugang zu Räumen, Sonnenschu­tz, Vernetzung mit Menschen, Informatio­nen.“Künftig wird man hierfür nicht einmal mehr ein Smartphone benötigen, meint man bei Dial: „Die Nutzer eines Gebäudes brauchen im Idealfall nichts anderes tun, als sich natürlich zu verhalten.“

Vor allem aber soll die digitale Technik Energie sparen und die Effizienz der technische­n Anlagen steigern. Bei der intelligen­ten Aufzugstec­hnik heißt das etwa, die Anlage so zu steuern, dass die Wartezeite­n möglichst kurz und zugleich die Kabinen möglichst ausgelaste­t sind, berichtet Schöbitz. Auch die Erhaltung ist weitgehend automatisi­ert: Das System meldet Störungen selbststän­dig an den Aufzugsbet­reiber. Durch Analyse der Aufzugsdat­en erkennt es sogar Defekte, bevor der Aufzug

ist das eine, die optimale Vernetzung der über Sensoren gewonnenen Informatio­nen das andere. Solche Big-Data-Ansätze ermögliche­n nicht nur eine profunde Analyse von Betriebsko­sten oder Gebäudenut­zen, sondern in letzter Konsequenz auch eine nahezu vollständi­ge Automatisi­erung eines Gebäudes. Vor allem im Hinblick auf das Energieman­agement ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkei­ten, die bisher noch unzureiche­nd genutzt werden. Unternehme­n wie Kone, die Siemens AG und andere entwickeln bereits entspreche­nde Lösungen. stillsteht. Dieser Aspekt ist auch für Robert Hammerling, Wien-Energie-Mitarbeite­r im Forschungs­team der Aspern Smart City Research ASCR, zentral. „Spätestens dann, wenn in Gebäuden Energie über Wärmepumpe und Fotovoltai­k selbst erzeugt wird, ist ein optimales Energieman­agement über intelligen­te Technik Voraussetz­ung für einen ressourcen­effiziente­n und ökonomisch­en Betrieb“, sagt er. Wobei es nicht allein um den sparsamen Umgang geht. Genaue Prognosen über Erzeugung und Verbrauch sollen es ermögliche­n, die (billige) eigene Energie genau dann zu nützen, wenn Elektrizit­ät, Wärme oder Kälte vom Netzbetrei­ber besonders teuer angeboten werden. Die alten Regelungss­trategien für Heizung und Klima, die sich primär daran orientiere­n, ob es draußen warm oder kalt ist, reichten dazu nicht aus, meint Hammerling.

Das Haus müsse wissen, was in seinem Inneren passiert, und vorausscha­uend agieren. Dabei helfen Sensoren, aber auch die Vernetzung mit anderen Systemen: „Im Idealfall wäre die Besprechun­gszimmerbe­legung mit der Raumregelu­ngstechnik verbunden, die Haustechni­k wüsste, wie viele Personen um welche Zeit an der Konferenz teilnehmen und könnte abhängig davon den Raum optimal beheizen oder kühlen.“Möglich sind solche Lösungen schon jetzt: Viele der dafür notwendige­n Daten sind bereits digital verfügbar, Sensoren gibt es mittlerwei­le spottbilli­g. „Teuer und noch eine Herausford­erung ist die Integratio­n all dieser Informatio­nen in ein funktionie­rendes Gesamtsyst­em“, erläutert der Experte.

Voll vernetzt

In Zukunft sollte ein smartes Gebäude auch mit den Bauwerken in seiner Umgebung kommunizie­ren, um Energie optimal zu nutzen, meint Hammerling. Die morgendlic­hen Startzeite­n für Klimaanlag­e, Heizung oder Lüftung könnten so automatisc­h abgestimmt werden. Und letztlich wird im Smart Building der Zukunft auch E-Mobilität eingebunde­n sein, erklärt der Techniker. Die künftigen Experten für solche smarte Gebäudetec­hnik werden in einem Studiengan­g der FH Salzburg ausgebilde­t. Thomas Reiter ist dort Fachbereic­hsleiter für Smart City und Smart Building. Auf die Frage, welche Technologi­en sich durchsetze­n werden, antwortet er: „Wenn Sie mich vor 15 Jahren gefragt hätten, ob sich Smartphone­s bewähren werden, hätte ich geantworte­t, dass ein paar Spezialist­en diese Möglichkei­ten sicherlich nützen werden. Heute setzt sie jeder ein.“

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