Die Arbeitsmigration läuft verkehrt
Arbeitsmarkt. Österreich, Deutschland und die Schweiz schrecken hoch qualifizierte Zuwanderer ab und sehen der ungeregelten Migration von schlecht Qualifizierten zu. Ein seltsames Konzept.
Sind Österreich, Deutschland und die Schweiz klassische Einwanderungsländer? Ja, sagt eine soeben veröffentlichte Studie des Schweizer Thinktanks Avenir Suisse (gemeinsam erarbeitet mit der österreichischen Industriellenvereinigung und dem Kölner Institut der deutschen Wirtschaft): Ohne Zuwanderer (definiert als im Ausland geborene Personen), deren Anteil an der Bevölkerung schon zwischen 14 Prozent in Deutschland und 29 Prozent in der Schweiz liegt, wäre der Arbeitskräftebedarf in allen drei Ländern schon lange nicht mehr zu decken, das wirtschaftliche Niveau also nicht aufrechtzuerhalten.
Aber läuft die Arbeitsmigration zufriedenstellend? Nein, sagt die Studie, ganz und gar nicht. Wir haben also ein ernstes Problem. Weniger mit den aus anderen EULändern Zugewanderten: Deren Bildungsniveau entspricht in allen drei Ländern ungefähr dem der inländischen Bevölkerung, ihre Erwerbstätigenquote liegt ebenfalls ungefähr auf dem hohen inländischen Niveau. Von Arbeitslosigkeit sind sie zwar stärker betroffen als Inländer, aber bei der Integration gibt es, so die Studie, „in allen drei Ländern keine größeren Schwierigkeiten“.
Anders sieht es bei Zuwanderern aus Drittstaaten aus: Deren Arbeitslosenraten sind in Österreich und Deutschland rund drei- mal, in der Schweiz sogar fünfmal so hoch wie die der Inländer (zu denen auch bereits eingebürgerte Migranten gezählt werden). Ihre Beschäftigungsquoten dagegen liegen dramatisch unter denen der Inländer und der EU-Ausländer, ihr Bildungsniveau liegt liegt ebenso krass darunter: Gelten sieben Prozent der Schweizer, zehn Prozent der Deutschen und 14 Prozent der Österreicher als „unterqualifiziert“(das heißt, dass sie keinen Abschluss der Sekundar- stufe zwei, also etwa einer Lehre, aufweisen), so liegen diese Anteile bei Drittstaatsangehörigen bei 35 Prozent in der Schweiz, 42 Prozent in Österreich und 49 Prozent in Deutschland.
So schlecht war der Bildungsstand übrigens auch schon vor der großen Migrationswelle der Jahre 2015/16. Nur dass nun zu den Qualifikationsproblemen auch zunehmend Probleme bei der gesellschaftlichen Integration der Zuwanderer stoßen.
Fazit der Studie: Migration ist für alle drei Länder auch künftig demografisch notwendig, die Län- der können aber „nicht allein auf die Zuwanderung im Kontext der Freizügigkeit setzen“. Vor allem aber: „Fluchtmigration kann den Arbeitsmarktbedarf der Länder nicht decken und die Erwerbszuwanderung nicht ersetzen.“
Damit sind wir aber bei einem entscheidenden Punkt angelangt: Die D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) braucht aus demografischen Gründen dringend qualifizierte bis hoch qualifizierte Zuwanderung, sie bekommt aber das genaue Gegenteil.
Die bisherigen Maßnahmen, mit denen im Qualifiziertenpool der Drittstaaten gefischt wurde, sind jedenfalls völlige Flops. Sowohl die Rot-Weiß-Rot-Card der Österreicher wie auch die EUBlue-Card der Deutschen haben die Erwartungen bei Weitem nicht erfüllt. Auch das restriktive Schweizer System für die reguläre Erwerbszuwanderung führt dazu, dass der Anteil der auf offiziellem Weg in den Arbeitsmarkt Zugewanderten sehr niedrig bleibt.
Anders gesagt: Der Zuzug in den Arbeitsmarkt dieser drei Länder erfolgt überwiegend ungeplant und ohne Rücksicht auf benötigte Qualifikationen. Das war schon so, bevor Österreich und Deutschland vor zwei Jahren die Kontrolle über ihre Grenzen vorübergehend völlig verloren.
Da ist Feuer am Dach. Denn die Rekrutierung von qualifizierten Arbeitskräften in anderen EU-Ländern (die derzeit noch rund die Hälfte der ausländischen Arbeitskräfte stellen) wird zunehmend schwierig. Diese laborieren nämlich an denselben demografischen Problemen.
Die benötigten Fachkräfte werden also aus Drittländern kommen müssen. Und unter diesem Aspekt wird eine große politische Aufgabe der nächsten Zeit darin bestehen, die Strategie umzudrehen: Hoch Qualifizierten, die es in Österreich über die RotWeiß-Rot-Card versuchen, Schikanen in den Weg zu stellen und dafür der Massenzuwanderung von schlecht Qualifizierten tatenlos zuzusehen, wird nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem auch das Sozialsystem in Schwierigkeiten bringen.
Was man jetzt benötigt, sind klare Kriterien für die Arbeitsmigration und die gezielte Anwerbung von hoch qualifizierten Arbeitskräften vor allem aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Und natürlich auch die gezielte Auswahl der Anwerbeländer. Denn es geht, wie es die IV in der Studie formuliert, nicht zuletzt um die Frage, „wie viel und welche Pluralität“in Österreich und der EU „sinnvoll und gestaltbar“ist.