Wenn Champions in Deckung gehen
US Open. Rafael Nadal und Juan Mart´ın Del Potro verfügen über völlig unterschiedliche, aber die derzeit wirkungsvollsten Vorhandschläge. Ein Vergleich vor dem Halbfinale.
New York/Wien. Gerade noch ist Roger Federer am Netz in Deckung gegangen. Sein Angriffsball war misslungen, Juan Mart´ın Del Potro hat die Vorhand in vollem Lauf getroffen, Federer konnte nur noch ausweichen. Gegen solche Schläge war nach Dominic Thiem auch der Schweizer machtlos, heute trifft Del Potro, 28, im Halbfinale auf den Weltranglistenersten: Rafael Nadal, 31. Es ist das Duell der Spieler mit der stärksten Vorhand im aktuellen Männertennis.
3300 Umdrehungen pro Minute erreichen die Bälle im Schnitt, nachdem sie Nadals Schläger verlassen haben, seine äußerst stabile und vielseitige Topspin-Vorhand ist immer noch der am meisten gefürchtete Grundlinienschlag. Del Potro trifft seinen Paradeschlag relativ gerade (2000 Umdrehungen pro Minute), erreicht dafür Geschwindigkeiten von über 190 km/h, hat aber mit seiner EasternGriffposition (Nadal benutzt einen offeneren Western-Griff ) weniger Marge. Standposition und Beinarbeit müssen beim 1,98-m-Mann exakt stimmen, dann sind Winner auch von hinter der Grundlinie möglich. Meist täuscht der Eindruck, Del Potro wäre zu spät am Ball, sollte die Vorhand dennoch ein paar Mal danebengehen, kümmert ihn das kaum, er macht weiter, bis er seinen Rhythmus findet.
Der Schlüssel zum Sieg gegen Federer war allerdings weniger die Vorhand, vielmehr das Service des Argentiniers. Zwei Drittel aller ersten Aufschläge (im Schnitt 196 km/h) trafen ihr Ziel, dabei gewann er über 80 Prozent der Punkte, ließ insgesamt nur drei Breakbälle zu.
Und zwischen Rechtshänder Del Potro und Linkshänder Nadal sind ohnehin keine Vorhandduelle zu erwarten. „Er ist Linkshänder, er kann leicht meine Rückhand finden. Ich weiß also nicht, was meine Strategie sein wird“, meinte Del Potro. Nach vier Handgelenksoperationen spielt er mit der Rückhand mehr Slice als früher. Die Beidhändige ist zwar immer noch grundsolide, auch die Länge stimmt, aber sie ist nicht so durchschlagskräftig wie beim US-Open-Titel 2009, als er Nadal im Halbfinale nur sechs Games überlassen hat.
Im direkten Duell steht es inzwischen 8:5 für Nadal. Der Spanier agierte zuletzt souverän, hat sich im Turnierverlauf aber schon Schwächephasen erlaubt. Als einziger Spieler noch ohne Satzverlust ist Landsmann Pablo Carren˜o Busta, er trifft im zweiten Halbfinale auf Kevin Anderson (RSA). (joe)