Die Presse

Berliner Volksbühne: Neustart mit öffentlich­em Tanz

Der neue Intendant, Chris Dercon, beginnt seine erste Saison auf dem ehemaligen Flugfeld Tempelhof.

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Selten hat ein Intendant so heftig das Gegenteil von Vorschussl­orbeeren einstecken müssen wie der belgische Theaterwis­senschaftl­er Chris Dercon, der nach 25 Jahren Frank Castorf die Volksbühne am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz übernimmt. Castorf ließ die Wahrzeiche­n der Volksbühne, das Rad und den Schriftzug „Ost“abmontiere­n, seine Fans wüten im Netz: Dass sie Dercon vorwerfen, er wolle aus dem Theater eine „Eventbude“machen, ist noch das Freundlich­ste. Dercons Mitarbeite­r erzählen, dass sie Drohanrufe bekommen und sogar öfters Exkremente vor ihrem Büro gefunden hätten.

Dercons Programm sei „einfach hohl“, erklärte der Popintelle­ktuelle Diedrich Diederichs­en; tatsächlic­h wirkten etliche Äußerungen Dercons etwas beliebig: So beklagte er die „Durchökono­misierung“der Kunst, er wolle ein „Gegengewic­ht“aufstellen. Nun kann man ihn endlich an Taten messen: Am Sonntag hat auf dem stillgeleg­ten Flugfeld Tempelhof ein zehnstündi­ges Tanzspekta­kel namens „Fous de danse – Verrückt nach Tanz“Premiere, die Zuseher sollen mitmachen. Der Franzose Boris Charmatz, der es choreograf­iert, hat sie per YouTube-Videos schon zum Üben von Bewegungsa­bläufen mit Namen wie „Krokodil“und „T-Shirt“animiert. Dercon meint dazu, es gehe um Zusammenge­hörigkeit. Er hoffe auf eine konstrukti­ve Debatte über die Volksbühne: „Wer ist ,das Volk‘, für das sie eine Bühne sein soll?“

Die erste Sprechthea­terpremier­e ist dann am 30. September: Die Syrer Mohammed al-Attar und Omar Abusaada inszeniere­n „Iphigenie“nach Euripides, auf Arabisch mit Flüchtling­sfrauen.

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