Zehn Jahre Kunst am Markt
Ottakring. Die Brunnenpassage feiert ihr Jubiläum mit neuen Partnerschaften mit Burgtheater, Konzerthaus und Weltmuseum – und hofft auf Filialen.
Ein Fitness-Studio? Etwas, in dem man Verlobung feiern könne? Die Neugier sei jedenfalls groß gewesen, erinnert sich Anne Wiederhold-Daryanavard – damals vor zehn Jahren, als die Brunnenpassage nur eine Idee war, die sich langsam in einer alten, heruntergekommenen Markthalle auf dem Ottakringer Yppenplatz manifestierte.
Und auch später, als die Halle längst renoviert war und innen weiß, außen im charakteristischen Grün und Blau erstrahlte, gab es mitunter Missverständnisse. Da sei doch gar kein Konzertsaal, wunderten sich die Mitarbeiter der Firma Steinway, als sie Pianos für die Önder-Schwestern lieferten.
Deren Konzert ist einer der vielen Momente in der 10-jährigen Geschichte des Kunstraums, an die Mitbegründerin und Leiterin Wiederhold gerne zurückdenkt. Die beiden türkischen Pianistinnen, die in Wien studiert haben, hatten nach Konzerten auf der ganzen Welt endlich auch für die Wiener türkische Community spielen wollen. „Die Flügel waren wahrscheinlich mehr wert als die ganz Halle.“
Die Idee zum Kunstort im Migrantenviertel hatte einst Werner Binnenstein-Bachstein gehabt, der als Geschäftsführer der Wiener Caritas selbst im Brunnenviertel lebte. Ob so etwas Aufgabe der Caritas sei, diese Frage hatten damals viele gestellt. Deren Generalsekretär Klaus Schwertner beantwortete am Donnerstagvormittag beim Auftakt zum Jubiläum mit Ja. „Heute kommen Kulturschaffende aus ganz Europa, um sich das anzuschauen.“
Und auch die großen Wiener Häuser sind nicht undankbar, über die Passage Zugang zu neuen Gesellschaftschichten zu erschließen. Konzerthaus, Weltmuseum und die im Vorjahr gegründete Offene Burg des Burgtheaters wollen, wie deren Chefs am Donnerstag bekundeten, für die kommenden drei Jahre „strategische Partnerschaften“eingehen. Schon bisher hatte die Ottakringer Initiative einzeln mit den Häusern kooperiert. 2014 standen ihr Chor, Tänzer und DJanes (aus einem Kurs für 20 junge Frauen entstand das erfolgreiche DJane-Kollektiv Brunnhilde) in einer neunsprachigen Inszenierung von Shakespeares „Der Sturm“auf der Bühne des Volkstheaters. Schon seit 2009 gibt es im Konzerthaus Konzerte zum Mitsingen. „Der Trick ist, dass unser Chor die Lieder schon einstudiert hat und sich im Publikum verteilt“, sagt Wiederhold. Besonders gern erinnert sie sich an den Singalong-Abend „Alla Turca“. „Da haben ältere türkische Männer nach 40 Jahren zum ersten Mal Lieder von früher gesungen, die sie noch nie hier gesungen haben, schon gar nicht mit Österreichern.“(Herkunft ist hier übrigens kein explizites Thema, „darüber wird nicht geredet, man muss sich nicht deklarieren“.) Und wenn das Weltmuseum in sieben Wochen wieder eröffnet, werden, wie Direktor Steven Engelsman verriet, persönliche Gegenstände von Brunnenpassage-Nutzern eine Rolle spielen.
„Pläne in der Schublade“
Auch Anne Wiederhold lebt übrigens seit 2008 im Viertel, „gleich gegenüber“, und hat dessen Aufwertung wie auch Kritik an der Gentrifizierung miterlebt. „Umso wichtiger ist es, dass es einen nicht-kommerziellen Ort gibt. Das war uns anfangs nicht klar, dass das neben dem Kultur-Aspekt wichtig werden würde.“Vorteil gegenüber anderen, oft temporären, Projekten sei auch, „dass wir jeden Tag da sind“.
Seit 2013 gibt es einen Ableger auf dem Viktor-Adler-Markt, auch andere Orte in Wien oder den Bundesländern kann sich Wiederhold vorstellen. „Die Pläne liegen fertig in der Schublade.“Und: Auch den Halal-Würstelstand, der im Vorjahr für Schlagzeilen sorgte, gibt es noch. Er tingelt auf Veranstaltungen, ein fixer Betreiber, der sich darum kümmern möchte, wird gesucht.