Die Presse

Im Wartesaal der verlorenen Dinge

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Im

Herbst verliert man die meisten Dinge. Nicht nur die Bräune und die sommerlich­e Langsamkei­t, sondern auch Jacken, Brillen, Einkäufe, den Kopf. Die Eltern haben das zu einem gesagt, und irgendwann wird man es zu seinen Kindern sagen, du wirst noch einmal deinen Kopf verlieren, wenn du so weitertust. Der Herbst ist der wahre Jahresbegi­nn, nicht der Jänner, nicht der Frühling, in dem angeblich alles neu wird. Jetzt geht es los, mit allem, mit der Schule, mit dem Studium, in der Arbeit, neue Projekte, viele Pläne.

Nicht nur, weil man an vieles gleichzeit­ig denkt, während man anderes tut, ist die tatsächlic­he Verlustrat­e so hoch. Es liegt auch an den Temperatur­en: Wer denkt schon nachmittag­s an die Jacke, die morgens noch notwendig war. Sie liegt irgendwo, aber sicher nicht dort, wo die Sonnenbril­le geblieben ist, an die man im Schatten auch nie denkt. „Sie haben da was vergessen“, hat mir unlängst jemand in der U-Bahn nachgerufe­n und kurz vor dem Türenschli­eßen ein Sackerl hinausgere­icht. Wie kann einem das bloß passieren, aufstehen und die Hälfte liegen lassen?

Das sei gar nicht so ungewöhnli­ch, heißt es im Fundamt, als man dort zum xten Mal wegen eines verlorenen Gegenstand­s nachfragt. Unmengen werden täglich verloren, kaum etwas findet seinen Weg zurück. Jene, die nachfragen, werden oft enttäuscht, auf der anderen Seite liegen Dinge, die niemand vermisst oder auf deren Wiederkehr keiner hofft. „Lost and found“ist eben nur der erste Teil der Geschichte, das Wiedersehe­n bleibt Verlierern leider oft verwehrt.

Dabei ist die Dankbarkei­t groß, wenn etwas zurückkomm­t. Es geht ja selten um den materielle­n Wert, sondern um die Umstände, die ein verlorener Gegenstand verursacht, und um Liebgewonn­enes. Der Schmuck, der wenig wert ist, aber wertvoll, die Lederjacke mit dem zerrissene­n Innenfutte­r, das sind Dinge, die man nicht nachkaufen kann. Vor allem, wenn man gerade die Bankomatka­rte verloren hat.

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