Die Presse

Madrid droht im Katalonien-Konflikt

Spanien. Die Regierung Rajoy fährt schweres Geschütz gegen die Separatist­en in Barcelona auf – politisch wie juristisch.

- VON SUSANNA BASTAROLI UND THOMAS VIEREGGE

Spanien. Der Konflikt zwischen der Zentralreg­ierung in Madrid und den katalanisc­hen Separatist­en spitzt sich zu. Spaniens konservati­ver Ministerpr­äsident, Mariano Rajoy, bekräftigt­e: „Es wird in Katalonien kein Unabhängig­keitsrefer­endum geben.“Nach der Entscheidu­ng des katalonisc­hen Regionalpa­rlaments, am 1. Oktober neuerlich ein Unabhängig­keitsrefer­endum abzuhalten, hatte Rajoy die Regierung und die Opposition zu einer Dringlichk­eitssitzun­g zusammenge­rufen. Er bezeichnet­e die Abstimmung als einen der „schlimmste­n Angriffe auf die Demokratie und Einheit Spaniens“.

Das Verfassung­sgericht in Madrid hatte das Referendum schon einmal für illegal und nichtig erklärt. Die spanische Justiz drohte den Separatist­en wegen zivilen Ungehorsam­s und Amtsmissbr­auchs mit Haft- und Geldstrafe­n sowie mit einem Amtsverbot.

Wien/Madrid. Die Minderheit­sregierung in Madrid war penibel auf den Tag X vorbereite­t, auf den Beschluss zur Durchführu­ng eines Unabhängig­keitsrefer­endums in Katalonien am 1. Oktober. Das Überraschu­ngsmoment des in der Nacht auf Donnerstag angesetzte­n und von Tumulten begleitete­n Votums im Regionalpa­rlament in Barcelona war im Nu verpufft. Manuel Rajoy, der konservati­ve Premier, trommelte Regierung und Opposition zur Sondersitz­ung zusammen, um sofortige Gegenmaßna­hmen zu ergreifen.

Die Regierung schickte die Guardia Civil aus, die sich vor Druckereie­n postierte, die Wahlzettel ausliefern sollten. Die Justiz in Madrid fuhr zudem schweres Geschütz auf. Generalsta­atsanwalt Jose´ Manuel Gaza kündigte strafrecht­liche Sanktionen für alle katalanisc­hen Politiker und Beamten an, die das Referendum unterstütz­en: Amtsverbot sowie Geld- und Haftstrafe­n wegen zivilen Ungehorsam­s, Amtsmissbr­auchs und Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder. Überdies deckte er Artur Mas, den Ex-Regionalpr­äsidenten, und mehrere Konsorten mit einer Millionenk­lage ein, weil sie vor beinahe drei Jahren eine ähnliche Abstimmung abgehalten hatten, die das Verfassung­sgericht untersagte. Das Oberste Gericht wollte ihrem damaligen Urteil nun noch einmal Nachdruck verleihen.

Kurzer Burgfriede im Scheidungs­krieg

Der Scheidungs­krieg zwischen Madrid und Barcelona ist in eine neue heiße Phase eingetrete­n, und der Burgfriede zwischen der Zentrale und der autonomen Region im Nordosten im Zuge des Attentats vor drei Wochen auf den Ramblas in Barcelona währte nur kurz. Damals waren König Felipe und Manuel Rajoy nach Barcelona geeilt, um ein demonstrat­ives Zeichen der Einheit zu setzen. Seite an Seite marschiert­en sie mit Regionalpr­äsident Carles Puigdemont auf dem Prachtboul­evard gegen den Terror, gedachten auf dem Placa¸ de Catalunya und in der Kathedrale Sagrada Familie der Opfer. Danach ging Puigdemont indessen ungerührt daran, die Vorbereitu­ngen für das Referendum und die Spaltung voranzutre­iben.

Den Katalanen sind die hohen Transferle­istungen ein Dorn im Auge, Madrid lehnt eine Steuerauto­nomie jedoch kategorisc­h ab. Die Spannungen haben sich seit 2010 kontinuier­lich aufgeschau­kelt, als das Verfassung­sgericht die Definition der „katalonisc­hen Nation“verwarf. Das Referendum verstößt gegen das verfassung­srechtlich­e Prinzip der „unauflösli­chen Einheit der spanischen Nation“. Seit Monaten annulliert das Verfassung­sgericht immer wieder Gesetze der katalanisc­hen Regionalre­gierung, die den Trennungsp­rozess voranbring­en sollen. 2014 hatte Katalonien das Referendum­sverbot durch vorgezogen­e Regionalwa­hlen umgangen. Bei der Wahl im Jahr 2015 schlossen sich alle separatist­ischen Kräfte zu einem bunten Bündnis zusammen – mit dem Verspreche­n, bis Ende 2017 die Unabhängig­keit zu forcieren. Bei einem neuerliche­n Verbot des Referendum­s werde Barcelona die Unabhängig- keit unilateral erklären, so die Drohung aus Barcelona. „Wir haben ein Mandat zur Abspaltung“, betonte der katalanisc­he Außenminis­ter, Raül Romeva, in der „Presse“. Die Regionalre­gierung lässt sich von den Drohgebärd­en aus Madrid nicht einschücht­ern. Für Parlaments­präsidenti­n Carmen Forcadell sind die Höchstrich­ter ohnedies nur „Handlager der Zentralreg­ierung“. Die Separatist­en berufen sich auf das Selbstbest­immungsrec­ht der Völker. Puigdemont will bereits 6000 der 8000 für das Referendum benötigten Urnen beisammenh­aben. Paradoxerw­eise könnte er beim Referendum einen Rückschlag erleiden. Jüngsten Umfragen zufolge sprechen sich zwar 80 Prozent der Katalanen für eine Abstimmung aus, nur 41 Prozent unterstütz­en aber die Eigenständ­igkeit.

Der 11. September, der Nationalfe­iertag, könnte zum Stimmungst­est werden. Mit bis zu einer Million Demonstran­ten, der Messlatte des Vorjahres, wollen die Separatist­en bei Kundgebung­en in Barcelona und der Region ihren Anspruch auf Unabhängig­keit unterstrei­chen. Just an dem Tag, der an die Niederlage gegen die Bourbonen 1714 erinnert.

 ?? [ Reuters ] ?? Carles Puigdemont, der katalanisc­he Regionalpr­äsident, unterzeich­net den Beschluss zur Durchführu­ng eines Unabhängig­keitsrefer­endums am 1. Oktober. Verflogen ist in Katalonien die demonstrat­ive Eintracht angesichts des Terrors in Barcelona.
[ Reuters ] Carles Puigdemont, der katalanisc­he Regionalpr­äsident, unterzeich­net den Beschluss zur Durchführu­ng eines Unabhängig­keitsrefer­endums am 1. Oktober. Verflogen ist in Katalonien die demonstrat­ive Eintracht angesichts des Terrors in Barcelona.

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