Madrid droht im Katalonien-Konflikt
Spanien. Die Regierung Rajoy fährt schweres Geschütz gegen die Separatisten in Barcelona auf – politisch wie juristisch.
Spanien. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Madrid und den katalanischen Separatisten spitzt sich zu. Spaniens konservativer Ministerpräsident, Mariano Rajoy, bekräftigte: „Es wird in Katalonien kein Unabhängigkeitsreferendum geben.“Nach der Entscheidung des katalonischen Regionalparlaments, am 1. Oktober neuerlich ein Unabhängigkeitsreferendum abzuhalten, hatte Rajoy die Regierung und die Opposition zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengerufen. Er bezeichnete die Abstimmung als einen der „schlimmsten Angriffe auf die Demokratie und Einheit Spaniens“.
Das Verfassungsgericht in Madrid hatte das Referendum schon einmal für illegal und nichtig erklärt. Die spanische Justiz drohte den Separatisten wegen zivilen Ungehorsams und Amtsmissbrauchs mit Haft- und Geldstrafen sowie mit einem Amtsverbot.
Wien/Madrid. Die Minderheitsregierung in Madrid war penibel auf den Tag X vorbereitet, auf den Beschluss zur Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien am 1. Oktober. Das Überraschungsmoment des in der Nacht auf Donnerstag angesetzten und von Tumulten begleiteten Votums im Regionalparlament in Barcelona war im Nu verpufft. Manuel Rajoy, der konservative Premier, trommelte Regierung und Opposition zur Sondersitzung zusammen, um sofortige Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Die Regierung schickte die Guardia Civil aus, die sich vor Druckereien postierte, die Wahlzettel ausliefern sollten. Die Justiz in Madrid fuhr zudem schweres Geschütz auf. Generalstaatsanwalt Jose´ Manuel Gaza kündigte strafrechtliche Sanktionen für alle katalanischen Politiker und Beamten an, die das Referendum unterstützen: Amtsverbot sowie Geld- und Haftstrafen wegen zivilen Ungehorsams, Amtsmissbrauchs und Veruntreuung öffentlicher Gelder. Überdies deckte er Artur Mas, den Ex-Regionalpräsidenten, und mehrere Konsorten mit einer Millionenklage ein, weil sie vor beinahe drei Jahren eine ähnliche Abstimmung abgehalten hatten, die das Verfassungsgericht untersagte. Das Oberste Gericht wollte ihrem damaligen Urteil nun noch einmal Nachdruck verleihen.
Kurzer Burgfriede im Scheidungskrieg
Der Scheidungskrieg zwischen Madrid und Barcelona ist in eine neue heiße Phase eingetreten, und der Burgfriede zwischen der Zentrale und der autonomen Region im Nordosten im Zuge des Attentats vor drei Wochen auf den Ramblas in Barcelona währte nur kurz. Damals waren König Felipe und Manuel Rajoy nach Barcelona geeilt, um ein demonstratives Zeichen der Einheit zu setzen. Seite an Seite marschierten sie mit Regionalpräsident Carles Puigdemont auf dem Prachtboulevard gegen den Terror, gedachten auf dem Placa¸ de Catalunya und in der Kathedrale Sagrada Familie der Opfer. Danach ging Puigdemont indessen ungerührt daran, die Vorbereitungen für das Referendum und die Spaltung voranzutreiben.
Den Katalanen sind die hohen Transferleistungen ein Dorn im Auge, Madrid lehnt eine Steuerautonomie jedoch kategorisch ab. Die Spannungen haben sich seit 2010 kontinuierlich aufgeschaukelt, als das Verfassungsgericht die Definition der „katalonischen Nation“verwarf. Das Referendum verstößt gegen das verfassungsrechtliche Prinzip der „unauflöslichen Einheit der spanischen Nation“. Seit Monaten annulliert das Verfassungsgericht immer wieder Gesetze der katalanischen Regionalregierung, die den Trennungsprozess voranbringen sollen. 2014 hatte Katalonien das Referendumsverbot durch vorgezogene Regionalwahlen umgangen. Bei der Wahl im Jahr 2015 schlossen sich alle separatistischen Kräfte zu einem bunten Bündnis zusammen – mit dem Versprechen, bis Ende 2017 die Unabhängigkeit zu forcieren. Bei einem neuerlichen Verbot des Referendums werde Barcelona die Unabhängig- keit unilateral erklären, so die Drohung aus Barcelona. „Wir haben ein Mandat zur Abspaltung“, betonte der katalanische Außenminister, Raül Romeva, in der „Presse“. Die Regionalregierung lässt sich von den Drohgebärden aus Madrid nicht einschüchtern. Für Parlamentspräsidentin Carmen Forcadell sind die Höchstrichter ohnedies nur „Handlager der Zentralregierung“. Die Separatisten berufen sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Puigdemont will bereits 6000 der 8000 für das Referendum benötigten Urnen beisammenhaben. Paradoxerweise könnte er beim Referendum einen Rückschlag erleiden. Jüngsten Umfragen zufolge sprechen sich zwar 80 Prozent der Katalanen für eine Abstimmung aus, nur 41 Prozent unterstützen aber die Eigenständigkeit.
Der 11. September, der Nationalfeiertag, könnte zum Stimmungstest werden. Mit bis zu einer Million Demonstranten, der Messlatte des Vorjahres, wollen die Separatisten bei Kundgebungen in Barcelona und der Region ihren Anspruch auf Unabhängigkeit unterstreichen. Just an dem Tag, der an die Niederlage gegen die Bourbonen 1714 erinnert.