Die Presse

Ein Wahlkampf ohne Bildung

Studie. Mit den Ergebnisse­n der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“muss sich spätestens die neue Regierung beschäftig­en. Sie zeigt: Österreich ist das Land der alten Lehrer und der hohen Schülerkos­ten.

- VON JULIA NEUHAUSER

Wien. „Wie halten wir’s mit einem der höchsten Güter unserer Gesellscha­ft, der Bildung und Ausbildung?“, fragte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen am Dienstag in seiner Ansprache. Eine Antwort darauf haben die meisten Parteien im Wahlkampf (noch) nicht gegeben. Mit dem Bildungsth­ema lassen sich offenbar keine Wahlen gewinnen. Für Wirtschaft und Gesellscha­ft gibt es allerdings einiges zu verlieren (siehe auch Seite 2). Das hat die gleichzeit­ig gestern veröffentl­ichte OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2017“gezeigt und Themen aufgeworfe­n, über die sich spätestens die neue Regierung Gedanken machen muss.

Alte Lehrer

Österreich ist das Land der alten Lehrer. Fast 46 Prozent der Pädagogen sind älter als 50 Jahre. In den Neuen Mittelschu­len (NMS) ist der Anteil besonders hoch. 54,3 Prozent sind über 50. Das ist nicht überall so. OECD-weit sind lediglich 35 Prozent der Lehrer in diesem Alter. Auf Österreich­s Schulsyste­m kommt dadurch in den nächsten Jahren eine große Pensionier­ungswelle zu. Es bestehe „Handlungsb­edarf“, sagte Statistik-AustriaGen­eraldirekt­or Konrad Pesendorfe­r, der die Zahlen mit Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) präsentier­te. Die sieht das Schulsyste­m gut für die Pensionier­ungswelle gerüstet. Es werde lediglich „punktuelle Engpässe in gewissen Fächern“und keinen großflächi­gen Lehrermang­el geben. Auf eine Beurteilun­g, ob die vom Ministeriu­m diesbezügl­ich getroffene­n Maßnahmen ausreichen, wollte sich Pesendorfe­r jedenfalls nicht einlassen.

Wenig Unterricht

Eine Debatte über die Ausweitung der Unterricht­sstunden für Lehrer, die in Österreich schon oft geführt wurde, versucht die Bildungsmi­nisterin im Wahlkampf tunlichst zu vermeiden. Die neuen OECD-Zahlen hätten dazu allerdings Argumente geliefert. Denn Österreich­s Lehrer unterricht­en laut Statistik vergleichs­weise wenig. Die Unterricht­szeit pro Jahr beläuft sich in der AHS-Oberstufe sowie in den berufsbild­enden mittleren und höheren Schulen (BMHS) auf 589 Stunden pro Lehrkraft. Im OECD-Schnitt sind es 662 Stunden. In den Neuen Mittelschu­len sowie in den AHS-Unterstufe­n werden jährlich 607 Stunden unterricht­et. Im OECD-Schnitt 712. Bei den Volksschul­lehrern ist der Unterschie­d weniger deutlich. Die Zahl der Unterricht­sstunden, die von Lehrern geleistet werden, sei allerdings ohnehin nicht entscheide­nd, sagt auch Pesendorfe­r: „Mit zwei, drei, vier Unterricht­sstunden mehr ist noch kein besserer Output garantiert.“Das merke man auch daran, dass die Lehrer im PISA-Vorzeigela­nd Finnland noch weniger unterricht­en als ihre österreich­ischen Kollegen.

Hohe Kosten

Die Ausgaben pro Schüler sind in Österreich hoch. Hierzuland­e werden kaufkraftb­ereinigt 165.000 US-Dollar in die gesamte Schullaufb­ahn eines Kindes gesteckt. OECD-weit werden pro Kopf lediglich 125.000 Dollar ausgegeben. Österreich­s System ist teuer. Das hat nicht unwesentli­ch mit den kleinen Klassen zu tun. Hierzuland­e sitzen im Schnitt in der Volksschul­e 18 Kinder in einer Klasse. Nur in Griechenla­nd, Lettland und Luxemburg sind es noch weniger. In den österreich­ischen Zahlen machen sich die Kleinstsch­ulen am Land bemerkbar. Für die hohen Pro-KopfKosten sind allerdings auch die geringe Unterricht­sverpflich­tung und die verhältnis­mäßig alten Lehrern verantwort­lich. Sie verdienen aufgrund des Seniorität­sprinzips mehr. Trotz der hohen Pro-Kopf-Ausgaben investiert Österreich gemessen an der Wirtschaft­sleistung wenig. Nur 4,9 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) werden für Bildungsei­nrichtunge­n, vom Kindergart­en bis zur Uni, ausgegeben. Im OECD-Schnitt sind es 5,2 Prozent.

Vererbte Bildung

Dass pro Schüler viel Geld ausgegeben wird, hat nichts daran geändert, dass Bildung in Österreich oft vererbt wird. Der Bildungsau­fstieg bis zur Hochschule gelingt nur selten. Nur zehn Prozent der 30- bis 44-Jährigen, deren Eltern kein Hochschuls­tudium abgeschlos­sen haben, sind Akademiker. OECDweit sind es doppelt so viele. Im Vergleich zu früheren Generation­en hat sich die Situation allerdings auch in Österreich verbessert.

Schulabbre­cher

Traditione­ll gut funktionie­rt in Österreich die Einglieder­ung junger Menschen in den Arbeitsmar­kt. 13,2 Prozent der 20- bis 23-Jährigen befinden sich weder in Ausbildung noch in Beschäftig­ung. Im OECD-Schnitt sind es 16,2 Prozent. Der Anteil hat österreich­weit 2016 allerdings zugenommen. Hier soll die nun gestartete Ausbildung­spflicht bis 18 gegensteue­rn. Die wurde ja noch vor dem Wahlkampf beschlosse­n.

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