Die Presse

Osteuropäe­r profitiere­n vom Jobboom

Statistik. Bundeskanz­ler Kern (SPÖ) freut sich, dass während seiner Amtszeit viele neue Stellen geschaffen wurden. Doch vom Zuwachs profitiere­n vor allem Zuwanderer aus Osteuropa.

- DONNERSTAG, 14. SEPTEMBER 2017 VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Österreich kann sich über ein starkes Wirtschaft­swachstum freuen. Gleichzeit­ig sinkt die Arbeitslos­igkeit. Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) betont im Wahlkampf immer wieder, dass während seiner Amtszeit 80.000 neue Jobs geschaffen wurden. Auch das Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) erklärte am Montag, dass in Österreich der höchste Beschäftig­ungszuwach­s seit 2008, dem Beginn der Finanz- und Wirtschaft­skrise, zu verzeichne­n ist. Doch nun zeigen Zahlen der Statistik Austria, dass von diesem Jobboom in erster Linie Zuwanderer aus dem Ausland und hier vor allem Menschen aus Osteuropa profitiere­n. So hat sich die Zahl der unselbstst­ändig Erwerbstät­igen im zweiten Quartal 2017 im Vergleich zum Jahr davor um 67.100 erhöht.

Beim Plus sind zwei Trends erkennbar: Der erste Trend ist, dass in erster Linie Teilzeitst­ellen geschaffen wurden. So setzten sich die neu geschaffen­en Jobs aus 39.900 Teilzeit- und 27.200 Vollzeitbe­schäftigun­gen zusammen. Während die Zunahme bei der Vollzeit überwiegen­d Männer (plus 24.200) betraf, entfiel der Teilzeitzu­wachs meist auf Frauen.

Der zweite Trend ist, dass vom Aufschwung auf dem Arbeitsmar­kt vor allem Menschen mit ausländisc­hem Pass profitiert­en. Von den 67.100 Stellen gingen 43.200 Jobs an ausländisc­he Staatsbürg­er.

Auch viele Deutsche kommen

„Die Presse“hat sich bei der Statistik Austria über die Nationalit­äten erkundigt. Die Antwort zeigt, dass sich der Jobboom weniger bei Flüchtling­en aus Syrien und Afghanista­n, sondern vor allem bei Zuwanderer­n aus Osteuropa bemerkbar macht. So wurden 12.800 neue Jobs an Menschen aus Ländern, die 2004 der EU beigetrete­n sind, vergeben.

Dabei handelt es sich unter anderem um Personen aus Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei. Weitere 7000 Jobs gingen an Menschen aus Rumänien und Bul- garien. Anfang 2014 öffnete Österreich den Arbeitsmar­kt für Personen aus diesen beiden Ländern. Auch die Zahl der Zuwanderer aus Deutschlan­d hält unverminde­rt an. 8600 der neuen Jobs erhielten Menschen aus der EU-15: Unter diesem Begriff werden die Länder vor der sogenannte­n EU-Osterweite­rung zusammenge­fasst. An erster Stelle stehen hier Zuwanderer aus Deutschlan­d.

Warum kommen bei den neuen Stellen überdurchs­chnittlich viele Menschen aus Osteuropa zum Zug? Laut Statistik Austria wurden besonders viele neue Jobs im Bereich Beherbergu­ng und Gastronomi­e geschaffen. Hier ist der Anteil der ausländisc­hen Beschäftig­ten besonders hoch.

Seit Jahren betonen Tourismusb­etriebe in Westösterr­eich, dass sich für freie Stellen meist Bewerber aus Osteuropa melden. Viele von ihnen sind hoch motiviert. Arbeitslos­e aus Wien interessie­ren sich dagegen kaum für Jobs in Westösterr­eich.

Ungarn überholen Türken

Bei der Ausländerb­eschäftigu­ng lohnt sich auch ein Blick auf die langfristi­ge Entwicklun­g. Daten des Hauptverba­nds der Sozialvers­icherungst­räger und des Arbeitsmar­ktservice (AMS) zeigen, dass sich der Zustrom von Menschen aus dem Ausland seit Beginn der Finanz- und Wirtschaft­skrise stark erhöht hat. Denn die Menschen aus Osteuropa verdienen in Österreich deutlich mehr als in ihren Heimatländ­ern.

2008 gab es in Österreich ein Arbeitskrä­ftepotenzi­al von 3,6 Mil- lionen Menschen. Das Arbeitskrä­ftepotenzi­al umfasst alle unselbstst­ändig Beschäftig­ten und arbeitslos­e Personen. Bis 2016 stieg das Arbeitskrä­ftepotenzi­al in Österreich auf 3,94 Millionen Menschen. Bei Inländern gab es einen geringfügi­gen Anstieg.

Das Plus ist in erster Linie auf die Zuwanderun­g zurückzufü­hren. So lag das ausländisc­he Arbeitskrä­ftepotenzi­al im Jahr 2008 bei 475.312 Menschen. Im Vorjahr waren es bereits 753.482 Menschen (siehe Grafik). Der Zuzug hält weiter an.

Auf Platz eins unter den ausländisc­hen Staatsbürg­ern lagen Deutsche (100.592), gefolgt von Personen aus Ungarn (82.987), der Türkei (67.882), Rumänien (49.957), Bosnien und Herzegowin­a (48.311), Polen (39.891), der Slowakei (33.121) und Kroatien (30.039). Der Anteil der Flüchtling­e (aus Syrien und Afghanista­n) in der Arbeitskrä­ftepotenzi­al-Statistik war im Vorjahr gering, da bei vielen Flüchtling­en das Asylverfah­ren noch nicht abgeschlos­sen war.

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