Osteuropäer profitieren vom Jobboom
Statistik. Bundeskanzler Kern (SPÖ) freut sich, dass während seiner Amtszeit viele neue Stellen geschaffen wurden. Doch vom Zuwachs profitieren vor allem Zuwanderer aus Osteuropa.
Wien. Österreich kann sich über ein starkes Wirtschaftswachstum freuen. Gleichzeitig sinkt die Arbeitslosigkeit. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) betont im Wahlkampf immer wieder, dass während seiner Amtszeit 80.000 neue Jobs geschaffen wurden. Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) erklärte am Montag, dass in Österreich der höchste Beschäftigungszuwachs seit 2008, dem Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise, zu verzeichnen ist. Doch nun zeigen Zahlen der Statistik Austria, dass von diesem Jobboom in erster Linie Zuwanderer aus dem Ausland und hier vor allem Menschen aus Osteuropa profitieren. So hat sich die Zahl der unselbstständig Erwerbstätigen im zweiten Quartal 2017 im Vergleich zum Jahr davor um 67.100 erhöht.
Beim Plus sind zwei Trends erkennbar: Der erste Trend ist, dass in erster Linie Teilzeitstellen geschaffen wurden. So setzten sich die neu geschaffenen Jobs aus 39.900 Teilzeit- und 27.200 Vollzeitbeschäftigungen zusammen. Während die Zunahme bei der Vollzeit überwiegend Männer (plus 24.200) betraf, entfiel der Teilzeitzuwachs meist auf Frauen.
Der zweite Trend ist, dass vom Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt vor allem Menschen mit ausländischem Pass profitierten. Von den 67.100 Stellen gingen 43.200 Jobs an ausländische Staatsbürger.
Auch viele Deutsche kommen
„Die Presse“hat sich bei der Statistik Austria über die Nationalitäten erkundigt. Die Antwort zeigt, dass sich der Jobboom weniger bei Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan, sondern vor allem bei Zuwanderern aus Osteuropa bemerkbar macht. So wurden 12.800 neue Jobs an Menschen aus Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, vergeben.
Dabei handelt es sich unter anderem um Personen aus Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei. Weitere 7000 Jobs gingen an Menschen aus Rumänien und Bul- garien. Anfang 2014 öffnete Österreich den Arbeitsmarkt für Personen aus diesen beiden Ländern. Auch die Zahl der Zuwanderer aus Deutschland hält unvermindert an. 8600 der neuen Jobs erhielten Menschen aus der EU-15: Unter diesem Begriff werden die Länder vor der sogenannten EU-Osterweiterung zusammengefasst. An erster Stelle stehen hier Zuwanderer aus Deutschland.
Warum kommen bei den neuen Stellen überdurchschnittlich viele Menschen aus Osteuropa zum Zug? Laut Statistik Austria wurden besonders viele neue Jobs im Bereich Beherbergung und Gastronomie geschaffen. Hier ist der Anteil der ausländischen Beschäftigten besonders hoch.
Seit Jahren betonen Tourismusbetriebe in Westösterreich, dass sich für freie Stellen meist Bewerber aus Osteuropa melden. Viele von ihnen sind hoch motiviert. Arbeitslose aus Wien interessieren sich dagegen kaum für Jobs in Westösterreich.
Ungarn überholen Türken
Bei der Ausländerbeschäftigung lohnt sich auch ein Blick auf die langfristige Entwicklung. Daten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger und des Arbeitsmarktservice (AMS) zeigen, dass sich der Zustrom von Menschen aus dem Ausland seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise stark erhöht hat. Denn die Menschen aus Osteuropa verdienen in Österreich deutlich mehr als in ihren Heimatländern.
2008 gab es in Österreich ein Arbeitskräftepotenzial von 3,6 Mil- lionen Menschen. Das Arbeitskräftepotenzial umfasst alle unselbstständig Beschäftigten und arbeitslose Personen. Bis 2016 stieg das Arbeitskräftepotenzial in Österreich auf 3,94 Millionen Menschen. Bei Inländern gab es einen geringfügigen Anstieg.
Das Plus ist in erster Linie auf die Zuwanderung zurückzuführen. So lag das ausländische Arbeitskräftepotenzial im Jahr 2008 bei 475.312 Menschen. Im Vorjahr waren es bereits 753.482 Menschen (siehe Grafik). Der Zuzug hält weiter an.
Auf Platz eins unter den ausländischen Staatsbürgern lagen Deutsche (100.592), gefolgt von Personen aus Ungarn (82.987), der Türkei (67.882), Rumänien (49.957), Bosnien und Herzegowina (48.311), Polen (39.891), der Slowakei (33.121) und Kroatien (30.039). Der Anteil der Flüchtlinge (aus Syrien und Afghanistan) in der Arbeitskräftepotenzial-Statistik war im Vorjahr gering, da bei vielen Flüchtlingen das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen war.