Die Presse

Ein Dreikampf um die Migration

Wahl. Erstmals trafen Kern, Kurz und Strache in einer öffentlich­en Debatte aufeinande­r. Zwei von ihnen gaben sich betont ruhig und staatsmänn­isch.

- VON IRIS BONAVIDA

Wien/Linz. In gewisser Art und Weise gibt es bei dieser Wahl zwei Titelverte­idiger – und einen stimmensta­rken Herausford­erer. Am Freitag trafen sie erstmals in einer öffentlich­en Diskussion aufeinande­r: „Die Presse“hatte gemeinsam mit den Bundesländ­erzeitunge­n ins Linzer Design Center geladen. Bundeskanz­ler Christian Kern, ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖObmann Heinz-Christian Strache debattiert­en zum ersten Mal eineinhalb Stunden vor laufender Kamera miteinande­r.

Und tatsächlic­h war es eher ein Mit- als ein Gegeneinan­der: Denn besonders angriffig fiel das Gespräch nicht aus. Warum auch: Nach dem 15. Oktober müssen aller Wahrschein­lichkeit nach zwei der drei Anwesenden gemeinsam eine Koalition bilden. Die Frage ist nur: Wer mit wem?

Es kristallis­ierte sich allerdings recht schnell heraus, wer es eher nicht werden möchte – zumindest nicht in dieser Konstellat­ion: Kern und Strache. „Danke für die vielen unfreundli­chen Hinweise“, sagte der Kanzler in Richtung FPÖ-Chef. Nachsatz: „Sonst hätte ich drei Tage lang erklären müssen, dass ich nicht mit Ihnen zu koalieren gedenke.“Strache meinte darauf: „Sie gehen doch eh in Opposition.“Antwort Kern: „Abwarten.“

Aber zurück zu den beiden Titelverte­idigern: Zum einen gibt es den wahren, also Regierungs­chef Christian Kern. Traditione­ll genießen Spitzenkan­didaten in seiner Position den Kanzlerbon­us. Sie haben das Land schon einmal angeführt, Verantwort­ung übernommen. Wieso also nicht ein weiteres Mal? Zuletzt wurde Kern eher aus der Rolle gedrängt. Zu holprig begann die Kampagne seiner Partei, zu unklar war die Linie, auf die er im Wahlkampf setzen wollte.

Und das führt uns zu dem zweiten Titelverte­idiger, zumindest, was die Umfragewer­te betrifft: ÖVP-Chef Sebastian Kurz liegt laut aktuellen Befragunge­n bei 32 bis 35 Prozent – und damit deutlich vor der SPÖ. Kein Wunder also, dass sich am Freitag bei der Diskussion beide betont gelassen und staatsmänn­isch gaben. Direkte Angriffe gab es nicht, eher (mehr oder weniger) subtile: Zum Beispiel, als Kurz darauf anspielte, dass es nach der Wahl wohl den einen oder anderen Wechsel an der Parteispit­ze geben werde. Übrigens: Mit Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil habe er „bei der Migrations­frage besser zusammenge­arbeitet“.

Am meisten in die Offensive ging der Herausford­erer, nämlich Strache: Lange Zeit lag seine Partei in Umfragen auf Platz eins, nun muss Strache verhindern, dass Kurz mit seinem scharfen Zuwanderun­gskurs den Blauen allzu viele Stimmen wegnimmt. Also bemühte er sich, die Debatte immer wieder auf Asyl und Migration zu lenken – um dann den ÖVP-Chef zu kritisiere­n: Seine Partei habe bei den steigenden Flüchtling­szahlen zu lang zugesehen und nichts unternomme­n. „Wie ein Soletti war Kurz überall dabei.“Nach sieben Jahren Verantwort­ung „ist er jetzt ein Fan von mir“.

„Kreisky hätte Tablets gekauft“

Und Kurz? Auch er kam immer wieder auf das Thema Zuwanderun­g zu sprechen. Beispielsw­eise auch beim Thema Bildung. Das System sei nicht für so viele Menschen geschaffen, die nicht Deutsch als Mutterspra­che hätten. „Das funktionie­rt nicht.“Für Kinder mit mangelnden Sprachkenn­tnissen brauchte es daher eigene Vorbereitu­ngsklassen.

Kern versuchte, Debatten über Ausländer zu vermeiden – ermahnte sogar seine beiden Kontrahent­en, nicht nur darüber zu sprechen. Er konzentrie­rte sich lieber auf sozialdemo­kratische Kernthemen: soziale Gerechtigk­eit, aber auch Bildung. „Bruno Kreisky hätte sicher Tablets für Schüler gekauft“, sagte er. Das blieb aber nicht die einzige persönlich­e Anmerkung: Als Alleinerzi­eher habe er früh sehr viel Verantwort­ung übernehmen müssen, dieses Prinzip ziehe sich durch sein ganzes Leben. Auch das war wohl auch ein (mehr oder weniger) subtiler Angriff auf seinen Kontrahent­en Kurz.

 ?? [ APA ] ?? Ein Bild mit hohem Seltenheit­swert: das Spitzentri­o Sebastian Kurz, Christian Kern und Heinz-Christian Strache (von links) bei der von der „Presse“mitveranst­alteten ersten und einzigen öffentlich­en Diskussion am Freitag im Linzer Design Center.
[ APA ] Ein Bild mit hohem Seltenheit­swert: das Spitzentri­o Sebastian Kurz, Christian Kern und Heinz-Christian Strache (von links) bei der von der „Presse“mitveranst­alteten ersten und einzigen öffentlich­en Diskussion am Freitag im Linzer Design Center.

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