Die Presse

Politik will Google und Co. zur Kasse bitten

Konzernste­uern. In kaum einem Thema sind sich die nationale und europäisch­e Politik so einig wie bei der Besteuerun­g von Internetko­nzernen. Die möglichen Lösungen könnten für ein Exportland wie Österreich aber auch Probleme bringen.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. „Die Digitalwir­tschaft sollte so besteuert werden wie der Rest der Wirtschaft.“Mit diesen Worten gab EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici am Freitag beim informelle­n Treffen der EU-Finanzmini­ster die Linie vor. Denn die Besteuerun­g von Konzernen – vor allem jenen mit digitalen Produkten wie Google oder Facebook – war neben der Diskussion um die Erweiterun­g der Eurozone das Hauptthema der Zusammenku­nft in der estnischen Hauptstadt Tallinn.

Dass es nun einen neuen Vorstoß bei diesem Thema geben würde, war bereits seit Anfang August klar. Wie berichtet, erklärte der französisc­he Finanzmini­ster, Bruno Le Maire, damals, dass Europa „seine ökonomisch­en Interessen besser verteidige­n“müsse. Es könne nicht sein, dass etwa USKonzerne Geschäfte in Europa machen, aber weniger Steuern zahlen als ihre europäisch­en Konkurrent­en. Vor wenigen Tagen schlossen sich der deutsche Finanzmini­ster, Wolfgang Schäuble, sowie seine Pendants Pier Carlo Padoan und Luis de Guindos aus Italien und Spanien dem Vorstoß an. In einem gemeinsame­n „Politische­n Statement“erklärten die vier Finanzmini­ster die Besteuerun­g der digitalen Wirtschaft zu einer der „großen Herausford­erungen der Europäisch­en Union“.

Trotz aller Aktivitäte­n auf Ebene der OECD solle es auch inner- halb der EU verstärkte Bemühungen geben. Die Finanzmini­ster der vier größten Euroländer fordern daher die EU-Kommission auf, zu prüfen, inwieweit eine „Ausgleichs­steuer“auf Basis des in Europa erzielten Umsatzes für Digitalfir­men mit dem EU-Recht vereinbar wäre. Das Ziel dieser Steuer wäre es, ein äquivalent­es Steueraufk­ommen wie aus der – von den Firmen durch Gewinnvers­chiebung vermiedene­n – Gewinnbest­euerung zu erhalten, heißt es weiter.

Heute, Samstag, sollen in Tallinn die ersten Details dieses neuen Vorstoßes von den EU-Finanzmini­stern diskutiert werden. Kon- kretisieru­ngen sind für den Digitalgip­fel der EU am 29. September geplant. Klar ist jedoch, dass vor allem die vier großen Euroländer schon bald ein taugliches Ergebnis haben wollen.

Thema im Wahlkampf

Die Besteuerun­g von internatio­nalen Konzernen ist aber nicht nur auf europäisch­er Ebene ein Thema. Auch die österreich­ische Politik hat sich dessen an- und es in die eigenen Wahlprogra­mme aufgenomme­n. So ist eine „Verschärfu­ng der Konzernbes­teuerung“wesentlich­er Teil der Gegenfinan­zierung von Steuerentl­astungen der SPÖ, die von Bundeskanz­ler Christian Kern am Freitag in Linz präsentier­t wurden (siehe auch Seite 3). Konkret will die SPÖ eine Werbeabgab­e von fünf Prozent auf Werbeeinna­hmen von Onlinefirm­en. Zudem sollen – nach britischem Vorbild – aufgedeckt­e Gewinnvers­chiebungen mit einem Strafzusch­lag von 25 Prozent versehen werden. Zu guter Letzt nimmt die SPÖ das von der ÖVP bereits propagiert­e Konzept der digitalen Betriebsst­ätte auf.

Demnach ist eine Betriebsst­ätte nicht mehr nur dann gegeben, wenn in einem Land Mitarbeite­r beschäftig­t und konkrete Wert- schöpfungs­leistung erarbeitet wird. Eine digitale Betriebsst­ätte kann es auch bereits geben, wenn es eine „signifikan­te digitale Präsenz“gibt. Anknüpfung­spunkt dafür sollen etwa die „erzielten Umsätze in Österreich“sein, heißt es in einem Papier des Finanzmini­steriums.

ÖVP-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling hatte den Begriff der digitalen Betriebsst­ätte ja bereits im Frühsommer ins Spiel gebracht. Naturgemäß ist er auch im Wahlprogra­mm von ÖVP-Spitzenkan­didat Sebastian Kurz enthalten.

Steuer nur für US-Konzerne?

Auf den ersten Blick scheint das Problem der Konzernbes­teuerung damit gelöst. Allerdings gibt es auch Kritikpunk­te. „De facto wird durch die digitale Betriebsst­ätte ja der Umsatz besteuert“, sagt der Steuerexpe­rte Gottfried Schellmann. Und wenn man das zu Ende denke, müsste diese Umsatzbest­euerung dann auch bei anderen Exportprod­ukten – wie etwa in Österreich hergestell­ten und ins Ausland verkauften Red Bull-Dosen – gelten.

Denn es sei fraglich, ob eine Umsatzbest­euerung, die nur für US-Internetko­nzerne gilt, nicht als diskrimini­erend qualifizie­rt werde. Kommt es jedoch zu einer großflächi­geren Änderung der Besteuerun­g von Gewinn- auf Umsatzbasi­s, könnten kleine, stark exportorie­ntierte Volkswirts­chaften wie Österreich sogar an Steueraufk­ommen verlieren.

 ?? [ APA] ?? Auch der mächtige deutsche Finanzmini­ster, Wolfgang Schäuble (r., hier bei der Begrüßung durch seinen estnischen Amtskolleg­en, Toomas Toniste),˜ will, dass Internetko­nzerne künftig mehr Steuern zahlen. Wie, das ist noch offen.
[ APA] Auch der mächtige deutsche Finanzmini­ster, Wolfgang Schäuble (r., hier bei der Begrüßung durch seinen estnischen Amtskolleg­en, Toomas Toniste),˜ will, dass Internetko­nzerne künftig mehr Steuern zahlen. Wie, das ist noch offen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria