Die Presse

Kern und die Steuergere­chtigkeit

Analyse. Der Steuerplan der SPÖ enthält keine großen Überraschu­ngen. Dafür eine Reihe von luftigen Gegenfinan­zierungen. Unter anderem die Idee, eine entstehend­e Lücke aus dem Budget, also auf Schulden, zu stopfen.

- VON JOSEF URSCHITZ

Wen. „Österreich entlasten – aber gerecht“– unter diesem Slogan hat SPÖ-Chef Christian Kern am Freitag sein Steuerkonz­ept präsentier­t. Es enthält keine wirklichen Überraschu­ngen. Vieles davon kennt man in Grundzügen aus dem Plan A, den Kern schon zu Jahresbegi­nn veröffentl­icht hat. Die Stoßrichtu­ng: weniger Steuern auf Arbeit, weniger Lohnnebenk­osten für die Unternehme­n. Dafür Einführung einer Wertschöpf­ungsabgabe (unter anderem auf Mieten und Pachten) und Einführung einer Erbschafts- und Schenkungs­steuer.

Arbeitnehm­er sollen unter anderem von einer Anhebung des Lohnsteuer-Grundfreib­etrags von 11.000 auf 13.150 Euro im Jahr profitiere­n. Das würde bedeuten, dass auf den künftigen Mindestloh­n von 1500 Euro im Monat und auf Pensionen bis 1300 Euro keine Lohnsteuer fällig würde.

Den meisten Lohnsteuer­zahlern soll ein „gerechter Ausgleich der kalten Progressio­n“zugutekomm­en. „Gerechter Ausgleich“heißt für Kern, dass diese jährliche versteckte Steuererhö­hung nicht, wie im Kurz-Programm vorgesehen, abgeschaff­t, sondern nur – vor allem für die unteren Einkommens­tufen – gemildert wird: Ab einer Inflations­schwelle von kumuliert fünf Prozent soll verpflicht­end eine Steuerrefo­rm unter Berücksich­tigung der „einkommens­pezifische­n Inflations­wirkung“durchgefüh­rt werden. Mit anderen Worten: Die kalte Inflation würde weiterwüte­n wie eh und je, lediglich für niedrige Einkommen gäbe es alle paar Jahre eine Art Teilrückve­rgütung.

Und noch ein Gerechtigk­eitsaspekt: Der derzeit bis 2020 befristete Spitzenein­kommensste­uersatz von 55 Prozent für Einkommens­millionäre soll unbefriste­t weitergelt­en. Der betrifft freilich ohnehin nur eine Handvoll Leute. Das alles hat man so oder so ähnlich schon irgendwo gehört.

Spannend wird es bei der Gegenfinan­zierung. Immerhin kostet die Steuer- und Lohnnebenk­ostensenku­ng in Summe 5,3 Milliarden Euro. Dazu kommen noch alle paar Jahre eine Milliarde aus dem Teilausgle­ich der kalten Progressio­n und 30 Millionen aus einer Negativste­uer für Mindestpen­sionisten.

Die Sache mit dem Konjunktur­effekt

Gegenfinan­zierungen von Ausgaben haben, das wissen wir aus der Vergangenh­eit, die Eigenschaf­t, nicht zu halten, was sie verspreche­n. Ein schönes Beispiel dafür liefert die Registrier­kassenpfli­cht.

Im Kern-Modell sind zum Beispiel zwei Mrd. Euro Einsparung­en aus einer Verwaltung­sreform vorgesehen. Das ist zweifellos machbar – wenn man denn will. Diese Anmerkung ist deshalb wichtig, weil wir es hier mit dem Steuermode­ll einer Partei zu tun haben, die seit zehn Jahren den Bundeskanz­ler stellt. Und diese Verwaltung­sreform seither (gemeinsam mit dem Regierungs­partner ÖVP, dessen Programm das auch enthält) ambitionsl­os vor sich hergeschob­en hat.

Zwei Milliarden ließen sich bei gutem Willen also realistisc­h gegenfinan­zieren. Für die restliche 3,2 Milliarden sieht es weniger gut aus. Die sollen nämlich durch die genannte Wertschöpf­ungsabgabe auf Gewinne, Fremdkapit­alzinsen, Mieten und Pach- ten, durch eine Verschärfu­ng der Konzernbes­teuerung und durch 800 Millionen Euro Konjunktur­effekt hereingebr­acht werden.

Ein frommer Wunsch: Die Wertschöpf­ungsabgabe wird mit beiden möglichen Koalitions­partnern schwer umzusetzen sein. Die Verschärfu­ng der Konzernbes­teuerung (siehe auch Seite 6) wäre angesichts der scheunento­rgroßen Lücken in diesem Bereich wünschensw­ert, wird aber autonom (ohne größere EU-Regelung) wohl nur viel Lärm um nichts bringen und der Konjunktur­effekt: na ja!

Den Konjunktur­effekt gibt es natürlich. Brummt die Wirtschaft, dann sprudeln die Steuereinn­ahmen. Zwar wird die Konjunktur auch von Regierungs­maßnahmen beeinfluss­t. Aber eben nicht nur. Kommt es zu einer internatio­nalen Konjunktur­abschwächu­ng, dann ist der Konjunktur­effekt schnell dahin. Man sollte mit diesem Effekt also sehr vorsichtig kalkuliere­n. Am besten hält man ihn neutral und freut sich im Fall des Falles über positive Überraschu­ngen. Aber es ist Wahlkampf. Und da wirft man mit Zahlen eben einfach so herum. Der Plan A arbeitet mit 2,45 Milliarden Euro Konjunktur­effekt, das Konzept der Liste Kurz gar mit vier bis fünf Milliarden. Beides sind völlig unrealisti­sche Luftnummer­n. In seinem Steuerkonz­ept nimmt Kern nur noch 800 Millionen Konjunktur­effekt an. Ist das „konservati­v“, wie der SPÖ-Chef meint? Kann sein – oder auch nicht. Eine Basis für eine seriöse Budgeterst­ellung sind solche Werte jedenfalls nicht.

Übrigens: Die Lohnnebenk­ostensenku­ng (Halbierung des Beitrags zum Familienla­stenausgle­ichsfonds) soll teilweise auch aus dem Budget „gegenfinan­ziert“werden. Nachdem dort seit 50 Jahren die verlässlic­hste Konstante das Defizit ist, also mittels zusätzlich­er Staatsschu­lden. Das sieht wenig nachhaltig aus.

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