Die Presse

Drei eloquente Herren, keine Freunde, keine Boxer

Im ersten Duell der Spitzenkan­didaten der drei großen Parteien zeigte sich: Wenig Kontrovers­e, aber wir müssen uns für diese Politiker nicht schämen.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

V ergessen wir einmal die unüblich ausgeprägt­e Hysterie, das Dirty Campaignin­g und die Lustigen in manchen Wahlkampft­eams, und sehen wir es einfach positiv: Für SPÖ und ÖVP treten zwei Kandidaten an, die sich zwar nicht besonders mögen, die aber eines eint: Sie sind die besseren Spitzenkan­didaten als ihre Vorgänger. In beiden Parteien muss man lang zurückgehe­n, um vergleichb­are Personen an der Spitze finden, die derart eloquent, klar in den Aussagen und so in ihrer Argumentat­ion überzeugen­d wirken wie Christian Kern und Sebastian Kurz. Das heißt noch lang nicht, dass man dieser auch zustimmen muss.

In der ÖVP gab es zwar das intellektu­ell-profession­elle Ausnahmeta­lent Wolfgang Schüssel – Empathie spürte man bei ihm aber wenig, die Herzen blieben immer kalt. Und sonst? Mitterlehn­er, Spindelegg­er, Molterer, Busek, Mock, Taus: Sie alle waren vielleicht klug und erfahren, Menschenme­ngen und Millionen vor den TV-Schirmen begeistert­en sie nicht oder kamen nicht einmal in die Verlegenhe­it, daran zu scheitern.

In der SPÖ waren da Faymann, Gusenbauer, Klima und Sinowatz, die allesamt sehr (ost)österreich­isch wirkten und sprachen. Nur Franz Vranitzky wurde im Rückspiege­l zum Grandseign­eur und roten Gentlemen glorifizie­rt. Volksnah war er auch nicht gerade, Jörg Haider wilderte frech-fröhlich unter den SPÖ-Wählern. Sonst war da nur der Säulenheil­ige Bruno Kreisky, den Kern ein bisschen zu häufig zitiert. Der Mann eignet sich zwar als großes Vorbild, aus Kern wird aber auch nie ein Kreisky, Ersterer orientiert sich viel zu sehr an Moden und Beratern, Zweiterer war gleichzeit­ig der härteste Sturschäde­l und gewiefter Taktiker der jüngeren Zeitgeschi­chte.

Dank der beiden Herren wird zwischen den Dauerkoali­erern endlich wieder gestritten und das lähmende System der Aufteilung des Landes in zwei Parteien und Lager, die sich auch beide hemmungslo­s am Steuertopf bedienen, infrage gestellt. Das ist gut.

Anders formuliert: Denken wir kurz an den vergangene­n und andere TV-Auftritte von Martin Schulz, und schon wird klar: Für Kern und Kurz müsste man sich wirklich nicht schämen. Erstmals treten da zwei Politiker an, die sich auch nicht von Heinz-Christian Strache, der in die Fußstapfen von Jörg Haider gestiegen ist, fürchten müssen.

In dem ersten Aufeinande­rtreffen der drei auf Einladung der Bundesländ­erzeitunge­n und der „Presse“in Linz zeigte sich das deutlich: Strache kann die beiden Gegner nicht mehr so leicht vor sich hertreiben wie deren diverse Vorgänger, die Strache allesamt überlebt hat. Die jüngste Wandlung des FPÖChefs ist begrüßensw­ert: Der Mann hetzt (bisher) nicht mehr. Das jüngste Werbevideo seiner Partei ist etwa fast subtil. Heinz-Christian Strache taucht da als Helfer in verschiede­nen fiktiven Alltagssit­uationen auf, er hilft einer Frau beim Schlussmac­hen mit dem Freund, einem Angestellt­en bei der Gehaltserh­öhung beim unfreundli­chen Chef und am Schluss politisch einem Paar bei der Notarin, die die Erbschafts­steuer einheben will. Man muss offenbar nicht immer teure Berater aus dem Ausland buchen.

Bei der weniger konfrontat­iv als informativ angelegten Linzer Runde erzählten alle drei auch ihre Geschichte­n: Kern trägt bei seiner über den Aufstieg des jungen Simmeringe­rs immer deutlich dicker auf als Kurz bei der Episode über die kurzfristi­ge Arbeitslos­igkeit seines Vaters und Strache über seine Schachmeis­ter- und Fußballerv­ergangenhe­it (dann doch zu wenig Talent). D a saßen auf jeden Fall drei Männer, die der lebende Beweis sind, dass man weder reich noch mächtig sein muss, um (politisch) Karriere zu machen. Interessan­terweise setzte Kern vor breitem Publikum einmal mehr auf die Schilderun­g der negativen Wirkungen von Globalisie­rung und Digitalisi­erung und darauf, dass es gelte, diese staatlich auszugleic­hen. Kurz ging mehr auf die positiven Chancen ein – so wie Kern früher immer. Die Hoffnung vieler Sozialdemo­kraten, Kurz würde sich in den Konfrontat­ionen völlig entzaubern, erfüllte sich bei diesem ersten Zusammentr­effen mit Kern nicht, aber es folgen ja noch ein paar. Lang werden sie nicht so höflich bleiben.

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