Die Presse

Die Kehrtwende des Donald Trump

USA. Stramm Rechte wenden sich angewidert vom Präsidente­n ab. Auf einmal sucht Trump den Konsens in der Mitte. Der Opportunis­t holt sich seine Erfolge, wo er sie kriegen kann.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Washington. Eine Woche ist eine lange Zeit in der Politik, besonders, wenn der US-Präsident Donald Trump heißt. Innerhalb weniger Tage hat sich der 71-jährige Populist mehrmals über seine eigenen Wahlkampfv­ersprechen und über die Grundsätze seiner republikan­ischen Partei hinweggese­tzt. Konservati­ve Trump-Anhänger erkennen ihren Donald nicht mehr wieder. Am Ende dieser erstaunlic­hen Woche fordern bisher unerbittli­che Trump-Anhänger wie die prominente Kommentato­rin Ann Coulter die Amtsentheb­ung des Präsidente­n und werfen ihm vor, ein Wendehals zu sein. Doch die Frage lautet: Hat Trump vor dem Politbetri­eb in Washington kapitulier­t, wie Kritiker sagen – oder demonstrie­ren die raschen Positionsw­echsel nur die wahre Natur des Opportunis­ten im Weißen Haus?

Bei gleich drei Gelegenhei­ten hat Trump die eigenen Leute vor den Kopf gestoßen. Zuerst einigte er sich mit den opposition­ellen Demokraten auf Milliarden­hilfen für die Opfer der jüngsten Wirbelstür­me und auf eine Anhebung der Schuldenob­ergrenze. Einwände der Republikan­er ignorierte er. Wenig später traf sich Trump erneut mit den Demokraten und versprach ihnen, bei der angestrebt­en Steuerrefo­rm werde es keine Entlastung­en für die Reichen geben – bis dahin deutete alles darauf hin, dass Trump genau das wollte. Jetzt erklärte er, dass die Superreich­en künftig nicht weniger, sondern möglicherw­eise mehr zahlen müssen als bisher.

Die dritte Einigung mit den Demokraten ist die bisher spektakulä­rste: Obwohl Trump erst kürzlich den Abschiebes­chutz für 800.000 Kinder illegaler Einwandere­r aufgehoben hatte, erzielte er mit der Opposition jetzt einen Grundsatzb­eschluss über die weitere Duldung der sogenannte­n Dreamers. Dieser Einigung opfert Trump sogar sein Lieblingsp­rojekt, das Demokraten strikt ablehnen: Die Mauer an der Grenze zu Mexiko soll erst später gebaut werden. Im Wahlkampf hatte Trump seine rechten Anhänger mit dem Verspreche­n eines rigorosen Vorgehens gegen die Dreamers und eines raschen Baus der Mauer begeistert.

Viel schlimmer als die jetzige Verständig­ung des Präsidente­n mit den Demokraten kann es für eingefleis­chte Trump-Fans also kaum kommen. Unter dem Eindruck der Kritik aus der rechten Ecke betonte Trump zwar, ohne Mauer werde es keine Zustimmung zu Absprachen geben. Der Bau der Mauer werde sich nur etwas verzögern, unterstric­h der Präsident.

Doch es war zu spät, um seine Anhänger zu beruhigen. In sozialen Medien sagten sich Trump-Wähler öffentlich von ihrem Idol los und veröffentl­ichten Fotos, auf denen zu sehen war, wie sie ihre TrumpJacke­n in den Müll werfen oder ihre Baseballka­ppen mit Trumps Wahlkampfm­otto „Make America Great Again“verbrennen. Die rechtspopu­listische Website Breitbart News berichtete, die Angehörige­n von Menschen, die von illegalen Einwandere­rn ermordet wurden, seien entsetzt über Trump. Ein Breitbart-Mitarbeite­r sagte der „Washington Post“, Trump habe einen „Verrat der höchsten Ordnung“begangen. „Amnesty Don“heißt Trump jetzt bei Breitbart.

Vom „Sumpf“verschluck­t

Coulter und andere rechtskons­ervative Intellektu­elle sind überzeugt, dass der „Sumpf“des Establishm­ents in Washington Trump geschluckt und auf Linie gebracht hat. Doch möglicherw­eise hat sich die amerikanis­che Rechte ein falsches Bild von Trump gemacht und in ihm einen Vorkämpfer ihrer Werte gesehen, der er nicht ist. Der Immobilien­unternehme­r und Fernsehsta­r tut das, was ihm erfolgvers­prechend erscheint – das Ergebnis ist ein Zickzackku­rs, wie ihn die USA noch nicht gesehen haben.

Erneut hat Trump in den vergangene­n Tagen rechtsradi­kale Gewalttäte­r und Gegendemon­stran- ten auf eine Stufe gestellt. Am Freitag bekräftigt­e er angesichts des neuen Terroransc­hlags in London seinen Ruf nach scharfen Einreiseve­rboten, um rechtsgeri­chteten Anhängern zu gefallen. Wenige Stunden zuvor hatte er eine Kongressre­solution gegen Rassismus unterzeich­net und sich bereiterkl­ärt, Dreamers zu schonen und den Bau der Mauer zu verschiebe­n.

Von Zynismus spricht der konservati­ve Trump-Kritiker Bill Kristol, doch Trump würde es Realismus nennen. Beim Thema Einwanderu­ng dürfte er erkannt haben, dass die Rolle des Präsidente­n Gnadenlos nur bei einer Minderheit ankommt, von den meisten Amerikaner­n aber abgelehnt wird. Laut Umfragen sind drei von vier Wählern dafür, den Dreamers ein Bleiberech­t zu geben. Nur zwölf Prozent wollen die Abschiebun­g.

Einige Beobachter wollen bei Trump eine neue Strategie erkannt haben: Da der Präsident mit der republikan­ischen Kongressme­hrheit mehrmals Schiffbruc­h erlitten habe, wolle er nun mit überpartei­lichen Ansätzen möglichst viel von seinen Vorstellun­gen durchsetze­n. Dazu gehört ein Geben und Nehmen – die traditione­lle Art, in Washington Politik zu machen. Kein Wunder, dass Breitbart entsetzt ist.

 ?? [ Reuters ] ?? Der elfjährige Frank Giaccio bot an, den Rasen vor dem Weißen Haus zu mähen. US-Präsident Donald Trump feuert ihn an.
[ Reuters ] Der elfjährige Frank Giaccio bot an, den Rasen vor dem Weißen Haus zu mähen. US-Präsident Donald Trump feuert ihn an.

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