40 Jahre Krempel, Kitsch und Kunst
Flohmarkt. Lang bevor Vintage, Nostalgie und Flohmärkte zum Hype wurden, hat man auf dem Naschmarkt um altes Zeug gefeilscht. Den Markt meiden heute viele – und doch findet man Schätze.
Wien. Es gibt nichts, was es hier nicht auch einmal gab, und wohl kaum eine Wiener Wohnung, in der man nicht irgendetwas findet, was seinen Weg über diesen Flohmarkt genommen hat. Antiquitäten, Vintageschmuck, skurrile Raritäten, geschenkten Krimskrams oder – und vor allem – Kitsch und Krempel. Dieser Tage feiert nun der älteste Flohmarkt der Stadt, der größte sowieso, sein 40-jähriges Bestehen auf dem Gelände des Naschmarkts.
Für die Suche nach den besten Stücken heißt das auch: jahrelanges Frühaufstehen. Am Samstag, im Morgengrauen, um 6.30 Uhr startet offiziell das Feilschen um die besten Stücke. Da trifft man die schicken Vintagehändler, die hier Raritäten finden, die sie dann viel teurer weiterverkaufen, man trifft die Kunstsammler, auch die Sammler rarer Platten oder Fotos sind hier morgens unterwegs. Am Nachmittag, heißt es da abfällig, kommen doch nur Touristen. Seit der Flohmarkt in jedem Reiseführer steht, ist er wie der ganze Naschmarkt oft überlaufen.
Aber sag nicht Flohmarkt dazu
Überhaupt ist um Flohmärkte seit Jahren wieder ein großer Hype entstanden. Das war nicht immer so. „Flohmarkt“wollte man damals, vor gut 600 Jahren, als beim Stephansdom der erste derartige Markt der Stadt abgehalten wurde, erst gar nicht sagen. Es klinge zu sehr nach den Flöhen, die man in dem alten Gewand der Reicheren, das dort verkauft wurde, vermutetet. Also nannte man ihn in den ersten Jahren ab 1404 Tandelmarkt. In den Jahrhunderten darauf ist der städtische Flohmarkt dann einige Male übersiedelt, er war auf dem Roßauer Glacis oder Am Hof in der
wird auf dem Flohmarkt gefeiert. Das Fest (veranstaltet von den Altwarenhändlern in der Wirtschaftskammer, der MA 59 und dem Bezirk Mariahilf) zum Jubiläum beginnt um 10 Uhr. Den Auftakt bestreitet die Band Chilifish, außerdem spielen The Riding Dudes und Ron Glaser. Ulla-Britt Lütze von Vintage und Rosenroth zeigt eine 1970er-Jahre- Innenstadt. Als dort der Platz zu knapp und auf dem Naschmarkt Platz frei wurde, nachdem der Obst- und Gemüsegroßmarkt nach Inzersdorf zog, übersiedelte der Flohmarkt 1977 an seinen heutigen Standort. Noch heute ist er der größte Flohmarkt Wiens, wenn auch bei Weitem nicht der einzige. Modeschau, natürlich gibt es Kinderprogramm und Foodtrucks. Von 12 bis 15 Uhr kann man mitgebrachte Altwaren von Sachverständigen schätzen lassen. Christof Stein von Lichterloh führt durch ein Programm, inklusive Flohmarktanekdoten prominenter Gesprächspartner von Sotheby’s-Geschäftsführerin Andrea Jungmann oder Wien-TourismusChef Norbert Kettner, zum Beispiel. Neben Sozial- oder Pfarrflohmärkten, die es seit jeher gibt, blühen die Spezialitäten- und HipsterFlohmärkte nur so auf: Dieses Wochenende findet beispielsweise auch der Flohmarkt im Liechtensteinpark (9 bis 16 Uhr) statt, am Samstag, den 23. September, ist in der Julius-Meinl-Gasse wieder der Kaffeehausflohmarkt, am Sonntag, den 1. Oktober, ein Flohmarkt im Cafe´ Europa oder der Tingel-Tangel-Flohmarkt in der Creau – um nur ein paar zu nennen.
Für Schätze heißt es aufstehen
Die Flohmärkte der neuen Generation sind meist ein wenig schicker, öfter von Händlern, die dort Restbestände und Raritäten verkaufen. Auf dem Naschmarkt kann jeder – das hält sich Onlineportalen zum Trotz – gegen eine kleine Gebühr sein altes Zeug verkaufen. Ein kleiner Stand kostet keine 20 Euro am Tag. Da findet man mitunter einen Tisch voller Autoradios, gebrauchte Handys ebenso fraglicher Provenienz, vermeintliche Edelparfums, nach denen man wirklich nicht riechen möchte, oder einfach Krempel, der nach Verkaufsende in Haufen auf dem 7000-Quadratmeter-Areal liegenbleibt.
Der Ramsch, die Touristen, die Händler, die nicht handeln wollen, überzogene Preis und Taschendiebe – für viele Wiener heute ein Grund, eher auf die neuen Flohmärkte auszuweichen. Oder samstags besonders früh aufzustehen, um doch die Schätze auf dem alten Flohmarkt zu finden.