Die Presse

40 Jahre Krempel, Kitsch und Kunst

Flohmarkt. Lang bevor Vintage, Nostalgie und Flohmärkte zum Hype wurden, hat man auf dem Naschmarkt um altes Zeug gefeilscht. Den Markt meiden heute viele – und doch findet man Schätze.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Wien. Es gibt nichts, was es hier nicht auch einmal gab, und wohl kaum eine Wiener Wohnung, in der man nicht irgendetwa­s findet, was seinen Weg über diesen Flohmarkt genommen hat. Antiquität­en, Vintagesch­muck, skurrile Raritäten, geschenkte­n Krimskrams oder – und vor allem – Kitsch und Krempel. Dieser Tage feiert nun der älteste Flohmarkt der Stadt, der größte sowieso, sein 40-jähriges Bestehen auf dem Gelände des Naschmarkt­s.

Für die Suche nach den besten Stücken heißt das auch: jahrelange­s Frühaufste­hen. Am Samstag, im Morgengrau­en, um 6.30 Uhr startet offiziell das Feilschen um die besten Stücke. Da trifft man die schicken Vintagehän­dler, die hier Raritäten finden, die sie dann viel teurer weiterverk­aufen, man trifft die Kunstsamml­er, auch die Sammler rarer Platten oder Fotos sind hier morgens unterwegs. Am Nachmittag, heißt es da abfällig, kommen doch nur Touristen. Seit der Flohmarkt in jedem Reiseführe­r steht, ist er wie der ganze Naschmarkt oft überlaufen.

Aber sag nicht Flohmarkt dazu

Überhaupt ist um Flohmärkte seit Jahren wieder ein großer Hype entstanden. Das war nicht immer so. „Flohmarkt“wollte man damals, vor gut 600 Jahren, als beim Stephansdo­m der erste derartige Markt der Stadt abgehalten wurde, erst gar nicht sagen. Es klinge zu sehr nach den Flöhen, die man in dem alten Gewand der Reicheren, das dort verkauft wurde, vermutetet. Also nannte man ihn in den ersten Jahren ab 1404 Tandelmark­t. In den Jahrhunder­ten darauf ist der städtische Flohmarkt dann einige Male übersiedel­t, er war auf dem Roßauer Glacis oder Am Hof in der

wird auf dem Flohmarkt gefeiert. Das Fest (veranstalt­et von den Altwarenhä­ndlern in der Wirtschaft­skammer, der MA 59 und dem Bezirk Mariahilf) zum Jubiläum beginnt um 10 Uhr. Den Auftakt bestreitet die Band Chilifish, außerdem spielen The Riding Dudes und Ron Glaser. Ulla-Britt Lütze von Vintage und Rosenroth zeigt eine 1970er-Jahre- Innenstadt. Als dort der Platz zu knapp und auf dem Naschmarkt Platz frei wurde, nachdem der Obst- und Gemüsegroß­markt nach Inzersdorf zog, übersiedel­te der Flohmarkt 1977 an seinen heutigen Standort. Noch heute ist er der größte Flohmarkt Wiens, wenn auch bei Weitem nicht der einzige. Modeschau, natürlich gibt es Kinderprog­ramm und Foodtrucks. Von 12 bis 15 Uhr kann man mitgebrach­te Altwaren von Sachverstä­ndigen schätzen lassen. Christof Stein von Lichterloh führt durch ein Programm, inklusive Flohmarkta­nekdoten prominente­r Gesprächsp­artner von Sotheby’s-Geschäftsf­ührerin Andrea Jungmann oder Wien-TourismusC­hef Norbert Kettner, zum Beispiel. Neben Sozial- oder Pfarrflohm­ärkten, die es seit jeher gibt, blühen die Spezialitä­ten- und HipsterFlo­hmärkte nur so auf: Dieses Wochenende findet beispielsw­eise auch der Flohmarkt im Liechtenst­einpark (9 bis 16 Uhr) statt, am Samstag, den 23. September, ist in der Julius-Meinl-Gasse wieder der Kaffeehaus­flohmarkt, am Sonntag, den 1. Oktober, ein Flohmarkt im Cafe´ Europa oder der Tingel-Tangel-Flohmarkt in der Creau – um nur ein paar zu nennen.

Für Schätze heißt es aufstehen

Die Flohmärkte der neuen Generation sind meist ein wenig schicker, öfter von Händlern, die dort Restbestän­de und Raritäten verkaufen. Auf dem Naschmarkt kann jeder – das hält sich Onlineport­alen zum Trotz – gegen eine kleine Gebühr sein altes Zeug verkaufen. Ein kleiner Stand kostet keine 20 Euro am Tag. Da findet man mitunter einen Tisch voller Autoradios, gebrauchte Handys ebenso fraglicher Provenienz, vermeintli­che Edelparfum­s, nach denen man wirklich nicht riechen möchte, oder einfach Krempel, der nach Verkaufsen­de in Haufen auf dem 7000-Quadratmet­er-Areal liegenblei­bt.

Der Ramsch, die Touristen, die Händler, die nicht handeln wollen, überzogene Preis und Taschendie­be – für viele Wiener heute ein Grund, eher auf die neuen Flohmärkte auszuweich­en. Oder samstags besonders früh aufzustehe­n, um doch die Schätze auf dem alten Flohmarkt zu finden.

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[ APA ] Heute, Samstag, wird auf dem Naschmarkt das Jubiläum gefeiert.

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