Die Presse

Wie man Akademiker vertreibt

Seltsam: EU-Freizügigk­eit gilt nicht für Österreich­er in Österreich.

- Josef.urschitz@diepresse.com

V orige Woche war an dieser Stelle zu lesen, dass dieses Land Hochqualif­izierte vertreibt und dafür Minderqual­ifizierte magnetisch anzieht. Wie krass Ersteres geschieht, zeigt ein aus dem prallen Leben gegriffene­s Beispiel:

Ein Österreich­er (Akademiker) heiratet eine Brasiliane­rin (Akademiker­in, Studien in Brasilien und Holland, drei EU-Sprachen) und möchte sich mit ihr in Österreich niederlass­en. Kein Problem, denkt er, denn es gibt ja die EU-Freizügigk­eitsrichtl­inie 2004/38/ 2004, die nahen Angehörige­n von EU-Bürgern, auch wenn diese aus Drittstaat­en stammen, sofortige Aufenthalt­sbewilligu­ng und Zugang zum Arbeitsmar­kt zusichert.

Diese Rechnung geht aber hierzuland­e nicht auf: Die Freizügigk­eitsrichtl­inie gilt nämlich für nahe Angehörige aller EU-Bürger in der gesamten EU, nur nicht für solche von Österreich­ern in Österreich. Kein Witz.

Zur Illustrati­on drei Beispiele: In Österreich lebender Franzose heiratet Brasiliane­rin: Kein Problem, sofortige Aufenthalt­sgenehmigu­ng und voller Zugang zum Arbeitsmar­kt sind garantiert.

Österreich­er, der sein Erasmus-Semester in Barcelona absolviert, heiratet dort Brasiliane­rin, kommt mit ihr nach Österreich: Kein Problem, siehe oben.

Österreich­er, der in Österreich lebt, heiratet Brasiliane­rin: Großes Problem, denn er hat sich seinen „Freizügigk­eitssachve­rhalt“(das heißt wirklich so) noch nicht ersessen. Das geschieht durch einen nachgewies­enen mindestens dreimonati­gen Aufenthalt in einem anderen EU-Staat. D ie beiden Jungvermäh­lten haben also zwei Möglichkei­ten: Die Braut geht wieder ins Ausland, stellt dort für Österreich einen „Aufenthalt­santrag“und wartet dessen Erledigung im Ausland ab. Das kann aber viele Monate dauern. Oder die beiden ziehen gleich in einen anderen EUStaat. Dort können sie ohne Probleme sofort zusammenle­ben und nach Belieben Jobs annehmen.

Die beiden werden wohl Letzteres machen, bevor sie sich von der hiesigen Bürokratie noch länger veräppeln lassen. Zwei Hochqualif­izierte weniger. Macht aber nichts, die Lücke kann man ja über die Asyl-/Wirtschaft­smigration­sschiene auffüllen. Dann passt wenigstens die Kopfzahl wieder. Stimmt’s?

Eine Frage hätten wir aber schon noch: Wem um Himmels willen fallen solche vertr . . ., äh seltsamen Gesetze ein?

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