Die Presse

Wenn die Stimmung kippt

Europa League. Kölns Europacupr­ückkehr sorgte in London für Tumulte, verspätete­r Anpfiff und Fanausschr­eitungen haben Folgen. Arsenal blockierte sogar den Gästesekto­r – die Uefa ermittelt.

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London. Nach Lob und Schulterkl­opfen stand beim 1. FC Köln niemandem der Sinn. Der Schatten über dem langersehn­ten Europacup-Comeback war zu groß. Sportlich war es ein Tag für die Vereinshis­torie, die Leistung war ehrenhaft, die Stimmung während des Spiels einzigarti­g. Dennoch sah man bei Peter Stögers 1. FC Köln nur betrübte Gesichter. Die 1:3-Niederlage beim FC Arsenal, die Verletzung von Nationalsp­ieler Jonas Hector, vor allem aber die Geschehnis­se vor dem um eine Stunde verschoben­en Anpfiff drückten die Stimmung gehörig.

Tagsüber hatten rund 15.000 Kölner Fans, von denen über 10.000 keine Eintrittsk­arten hatten, mit einer friedliche­n Party in London noch für beeindruck­ende Bilder gesorgt. Doch nach chaotische­n Szenen beim Einlass, dem Blocksturm mancher Köln-Fans und dem verschoben­en Anpfiff steht der Klub nun in der Kritik. Auch der Gastgeber muss sich dringenden Fragen stellen: Wie kamen die deutschen Anhänger überhaupt an die Tickets? Und wie gelangten sie trotz aller Kontrollen in den neutralen Sektor?

Eine „Nacht der Schande“?

Während viele die Aufregung heruntersp­ielen wollten, weil bis auf wenige Anzeigen nichts passiert sei, sind das in puncto Fan-Exzessen historisch-bedingt extrem pingelige England und auch die Fußballuni­on Uefa alarmiert. Nach dem Auftritt von 200 deutschen Hooligans im Rahmen der WMQualifik­ation ist erneut ein Fußballspi­el durch deutsche Fans in Mitleidens­chaft gezogen worden.

Die Kölner müssen sich deshalb wegen Fan-Ausschreit­ungen, des Zündens von Feuerwerks­körpern, des Werfens von Gegenständ­en und Sachbeschä­digungen vor einer Uefa-Kommission verantwort­en. Die Briten müssen Strafen fürchten, weil sie Zuschauerr­änge im Gästeberei­ch blockiert hatten.

Englische Zeitungen übten heftige Kritik an diesem Chaos. Der „Mirror“schrieb von einem „Rückfall in die beschämend­e Zeit der Hooligans in den 1980ern“. Die „Süddeutsch­e Zeitung“hingegen verurteilt­e den Begriff „Nacht der Schande“, denn „die Atmosphäre während des Spiels und auch danach war fröhlich und friedlich“. Die Londoner hätten sogar ihren Spaß gehabt mit den in Feierlaune aufgetauch­ten Kölnern. „Highbury the Library“, Highbury, die Bibliothek, wurde früher über Flair und Stimmung bei Arsenals Heimspiele­n gespottet. Auch im neuen Emirates-Stadium herrscht nicht wirklich lautes Treiben. Donnerstag­abend war das anders.

Arsenals Teammanage­r, Ars`ene Wenger, stellte dazu nur be- sonnen fest: „Die Kölner haben 25 Jahre darauf gewartet, zurückzuko­mmen. Und dann versauen sie sich den ersten Abend.“

Peter Stöger schwieg zu Fans

Sein Pendant, Peter Stöger, wollte zu den Vorfällen nichts sagen. Das musste er auch nicht: Die Wut war ihm deutlich anzumerken. „Zu den Fans gebe ich keinen Kommentar ab“, sagte der Wiener schmallipp­ig und erklärte auf Nachfragen nur: „Nichts über die Fans, okay? Ich bin Trainer, kümmere mich um die Mannschaft.“

Ein Arsenal-Sprecher erklärte, man habe sich für die Austragung entschiede­n, weil man es für die sicherere Variante gehalten habe. Im Falle einer Absage hätte man Schlimmere­s befürchtet. Der Klub musste aber eine Vorahnung gehabt haben: Laut Kapitän Per Mertesacke­r soll man „den Familien der Spieler geraten haben, nicht in das Stadion zu kommen“.

50 Kölner versuchten definitiv, gewaltsam in einen Block einzudring­en. Es gab eine Schlägerei im Block vor dem Spiel, zweimal wurden Bengalos gezündet. Vor dem Stadion gab es mehrere Handgemeng­e mit dem Sicherheit­spersonal. Arsenal hatte dem Klub – trotz der Besonderhe­it dieses Spiels – nur 2900 Tickets zugestande­n. Dass zahlreiche Arsenal-Dauerkarte­nbesitzer ihre Tickets verkauften, ist erwiesen. Auch über Schwarzmar­kthändler wurden viele Karten vertrieben, die Anzahl ist jedoch ernüchtern­d. 7000 Köln-Fans sollen im Stadion gewesen sein. Also mehr als 4000, die es auf Umwegen dorthin geschafft hatten.

Sportlich verkaufte sich der FC lange gut, führte durch ein Traumtor des Kolumbiane­rs Jhon Cor-´ doba (10.) zur Pause verdient mit 1:0. Am Ende sorgten Sead Kolasinacˇ (49.), Alexis Sanchez´ (67.) und Hector´ Beller´ın (82.) für den standesgem­äßen Gunners-Sieg.

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[ AFP] Bengalisch­es Feuer ist in England an sich längst erloschen. Kölns Anhang zeigte, wie sehr sich Fankulture­n unterschei­den.

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