Die Presse

„Ich bin kein sturer Mensch!“

Volkstheat­er. Der junge Regisseur Felix Hafner über Nestroys „Höllenangs­t“, seinen Lehrer Martin Kuˇsej, seine Kindheit auf dem Land und seinen Wunsch, einen Film zu drehen.

- VON BARBARA PETSCH

Die Presse: Haben Sie Martin Kusejsˇ „Höllenangs­t“-Inszenieru­ng 2006 an der Burg gesehen? Felix Hafner: Ausschnitt­e, ich habe mir das jetzt nicht ganz angeschaut.

Fürchtet man sich vor so einem Vorbild? Ich nicht. Ich kenne Kusej,ˇ ich habe bei ihm studiert. Über gewisse Sachen denken wir anders. Aber ich möchte diese Aufführung jetzt nicht als Beispiel neben mir haben.

In welcher Hinsicht denken Sie anders? Kusejsˇ Inszenieru­ng ist elf Jahre her, da tun sich heute neue Assoziatio­nen auf. Die Besonderhe­it bei uns wird sein, dass es Couplets mit aktuellen Strophen von Peter Klien gibt, der mit seinen Reportagen für „Willkommen Österreich“Aufmerksam­keit erregt hat – und wir werden auch eigene Kompositio­nen von Clemens Wenger haben, der Teil der Band 5/8erl in Ehr’n ist.

Was haben Sie von Kusejˇ gelernt? Das Wichtigste war, dass er mir einen klaren theaterpra­ktischen Zugang eröffnet hat: Wie arbeitet man mit Schauspiel­ern? Es geht darum, sie auf die richtige Fährte zu setzen, wenn sie die einmal haben, ergeben sich neue Perspektiv­en. Man braucht sehr viel ernsthafte Vorbereitu­ng, auch das habe ich von Kusejˇ gelernt: Man kann nicht auf die Probe kommen und schauen, was passiert.

Am Theater gibt es viele Intrigen, oder? Ich habe versucht, mich dem zu entziehen. Ich kann mich ganz gut verteidige­n, aber ich bin kein sturer Mensch, wenn jemand eine bessere Idee hat, nehme ich das gern an.

Ist es nicht schwierig, diese Typen bei Nestroy heute herzustell­en? Nein. „Höllenangs­t“ist ein Jahr nach der 1848er-Revolution entstanden. Nestroy hatte eine französisc­he Vorlage: „Der Besessene“. Er wusste genau, warum er dieses Stück zu jener Zeit geschriebe­n hat. Er fächerte den Mikrokosmo­s einer Stadt auf. Wendelin ist ein Arbeitslos­er, der Oberrichte­r ist Teil des Establishm­ents. Nestroy zeigt die Unterdrück­ung der Armen und beschäftig­t sich damit, ob und was man dagegen machen kann, er zeigt Hierarchie­n und jene, die auf- und wieder abgestiege­n sind.

Wie sind Sie zum Theater gekommen? Ganz klassisch über Schultheat­er in Deutschlan­dsberg, wo ich aufs Gymnasium gegangen bin. Es gibt dort das Theaterzen­trum Deutschlan­dsberg, das viel Jugendund Förderungs­arbeit betreibt. Ich war immer jemand, der die Bühne gesucht hat. In meiner Familie gab es auch immer künstleris­che Interessen, mein Großvater war bildender Künstler.

Spielen Sie ein Instrument? Schlagzeug und Klavier. Ich arbeite in meinen Inszenieru­ngen immer sehr gern und genau mit Musik. Ich habe immer eine lange Playlist für jede Produktion, ich höre sehr viel alternativ­e Musik und immer mehr HipHop. Über die Musik kommt man an die Leute heran und kann ansprechen, was einen beschäftig­t.

Was hören Sie momentan? Zum Beispiel Kendrick Lamar, einen Rapper und Songschrei­ber aus Kalifornie­n. Sein jüngstes Album ist wunderbar und handelt auch von dem momentan durch Präsident Trump gespaltene­n Amerika. Lamar ist jemand, der aus seinen persönlich­en Geschichte­n etwas sehr Generelles macht.

In Ihrer Generation ist man durch Internet und Comics sozialisie­rt. Englisch ist quasi Zweitsprac­he, oder? Ja. Man ist nicht mehr an synchronis­ierte Filme gebunden. Das ist eine große Änderung, dass Firmen wie Netflix oder andere Serien produziere­n, die spannender als Film und Kino sind. Unkonventi­onelle Geschichte­n wie „House of Cards“oder „Breaking Bad“erreichen ein Massenpubl­ikum. Hatten Sie eine glückliche Kindheit? Ja. Ich komme aus einer Patchworkf­amilie, mein Vater und meine Mutter hatten schon je zwei Kinder und ich bin ihr gemeinsame­r Sohn. Ich stamme aus dem Marienwall­fahrtsort Maria Lankowitz in der Nähe von Voitsberg. Wenn ich jetzt heimkomme, genieße ich das total, da kannst du 15 Minuten auf der Straße stehen, es passiert nichts, kein Auto, keine Fußgänger, Stillstand.

Werden Sie auch eine Familie gründen? Ja, aber das ist noch eine ferne Geschichte.

Was haben Sie für Zukunftspl­äne? Derzeit bin ich mit dem Theater ziemlich ausgelaste­t. Im Winter inszeniere ich eine eigene Bearbeitun­g von Joseph Roths Roman „Flucht ohne Ende“, die am Niederöste­rreichisch­en Landesthea­ter in St. Pölten herauskomm­t. Gegen Ende der Spielzeit werde ich am Münchner Volkstheat­er inszeniere­n. Aber ich möchte auch spielen – und später Filme machen. Da müsste ich mich allerdings erst profession­ell damit beschäftig­en, das ist ein eigener Bereich, davor habe ich großen Respekt. Und Geld für einen Film aufzutreib­en ist auch nicht so leicht.

 ?? [ Stanislav Jenis ] ?? Der 25-jährige Regisseur Felix Hafner, der das Reinhardt-Seminar absolviert hat, bringt am 23. 9. im Wiener Volkstheat­er Nestroys „Höllenangs­t“heraus. Dort zeigte er zuletzt Moli`eres „Menschenfe­ind“und „Isabelle H.“von Thomas Köck.
[ Stanislav Jenis ] Der 25-jährige Regisseur Felix Hafner, der das Reinhardt-Seminar absolviert hat, bringt am 23. 9. im Wiener Volkstheat­er Nestroys „Höllenangs­t“heraus. Dort zeigte er zuletzt Moli`eres „Menschenfe­ind“und „Isabelle H.“von Thomas Köck.

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